Ich habe immer gesagt, dass ich niemals einen Dreizylinder fahren werde. Ein Irrtum.
Auch Dacia stand eigentlich nicht auf meinem Speiseplan.
Dann kapitulierte mein Auto mit über 170.000 Kilometern vor weiteren Herausforderungen und ein neuer musste dringend her.
Als offener Mensch, der Komfort und Nutzwert bei gutem Preis-Leistungs—Verhältnis schätzt, und drei Kindersitze im Fond unterbringen muss, landete ich schließlich beim Renault-Händler und machte unter anderem eine Probefahrt im Dacia Logan MCV TCe 90 Prestige.
Offen gesagt, war ich begeistert.
Der Dreizylinder war laufruhig und kräftig, die Federung komfortabel, aber nicht zu weich, die Bedienung eingängig, die Verarbeitung im Innenraum sauber, die Sitze bequem, das Media-System erkannt meinen hTc-Androiden sofort.
Die absolute Überraschung dabei, der Wagen ist voll autobahntauglich. Seine Höchstgeschwindigkeit von 175 km/h erreicht er zügig. Der Geradeauslauf ist ausgezeichnet, der Wagen liegt satt auf der Fahrbahn. Der Motor ist dabei zu keinem Zeitpunkt akustisch aufdringlich. Möglich, dass der Dacia im direkten Vergleich mit einem neuen VW Golf lauter ist, aber die Windgeräusche im Dacia sind unaufdringlich, das heißt, bei keinem Tempo wird es im Wagen unangenehm laut.
Die Bedienung des Wagens ist zum großen Teil intuitiv. Navigationssystem, Radio, Klimaanlage/Lüftung sind ohne Kritik. Die Lüftung ist darüber sehr wirksam, die Klima kann oft ausbleiben. Wie gut die Heizung ist, wird der Winter zeigen. Bei nur 898 ccm Hubraum und hoher Energieeffizienz des Motors rechne ich jedenfalls eher mit langsamen Ansprechen und geringer Heizleistung. Diesen Umstand nehme ich an der Tankstelle jedoch gerne billigend in Kauf.
EUR 13.500,00 rief der Händler plus Überführung für den Wagen auf. Wo gibt es heute denn noch so etwas?
Jetzt nenne ich also seit drei Wochen und 1.500 Kilometern einen Dacia mein Eigen.
Der Verbrauch hat sich trotz hohem Autobahnanteil mit Geschwindigkeiten von 150 km/h und mehr bei 6,2 Litern Super E10 auf 100 Kilometer eingependelt. 700 Kilometer lassen sich mit dem 50 Liter Tank problemlos zurücklegen, Mutige schaffen sicher auch noch mehr.
Das Fahrwerk ist auf Augenhöhe mit Astra H oder Golf V. Der Wagen bleibt auch in testweise herbeigeführten Grenzsituationen gut beherrschbar. Kurze Stöße kommen fühlbar durch, gehen aber nicht in die Lenkung, was ich positiv finde, da ich stoßige Lenkungen nicht leiden kann. Das Lenkverhalten ist ansprechend komfortabel, allerdings nicht sportlich, was ich bei einem Familienkombi auch nicht brauche, Querbeschleunigung ist sowieso nicht geplant.
Was ist negativ aufgefallen?
Die Bluetooth-Freisprechanlage ist über 110 km/h nicht mehr zu verwenden, das liegt nicht am Fahrgeräusch, sondern an der maximalen Lautstärke der Sprachausgabe.
Das Navigationssystem hat keinen Zugriff auf die Verkehrslage. Auf der A3 hätte es mich in einen Vollsperrung geführt, wenn ich nicht hektisch in der Auffahrt stehend noch Google-Maps auf dem Handy angeschmissen hätte.
Die mechanische Betätigung der Heckklappe könnte Fingernägeln gefährlich werden… aber das war früher bei Autos immer so.
Bei Telefonaten beendet das Media-System die Navigationsführung.
Was ist ungewöhnlich?
Der Wagen steht ab Werk auf ContiEcoContact-Reifen. Sehr gut!
Die Verteilung der Fensterheberschalter ist Gewöhnungssache. Die beiden vorderen befinden sich in der Mittelkonsole, die hinteren zwischen den vorderen Sitzen.
Warum ist das nicht negativ? Die vorderen Fenster lassen sich mit der „Schalthand“ bedienen. Die linke Hand kann dadurch durchgängig am Lenkrad bleiben, was ich tatsächlich als Gewinn empfinde. Für die hinteren Fensterheber muss man die Hand einfach zwischen die Sitze fallen lassen, man findet sie blind und die Kinder kommen nicht dran, die Möglichkeit der Sperrung kann damit ungenutzt bleiben.
Apropos Kinder. Die Rückbank bietet unseren drei Kindersitzen ausreichend Platz, ungewöhnlich ist, dass alle drei Sitze im Fond die gleiche Breite haben, selbst ein Renault Scénic nötigt hier dem anschnallenden Papa mehr Fummeln ab, die meisten Autos kapitulieren vor drei Kindersitzen im Fond gar komplett. Ein wichtiges Kaufkriterium für uns.
Fast genauso wichtig: 573 Liter Kofferraum schlucken das Urlaubsgepäck für die ganze Familie ohne Schwierigkeiten. Die nur teilweise Verkleidung der Innenseite der Heckklappe macht mir nichts, ich musste sie deshalb auch nicht beim Kauf bezahlen und es spart Gewicht.
Fazit:
Ein überraschendes Auto in jeder Hinsicht. Für Familien eine absolute Empfehlung. Ein völlig unaufgeregter Wagen ohne echte Schwächen. Mehr Auto braucht man tatsächlich nicht.