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Testbericht

Benjamin Bessinger/SP-X, 16. Oktober 2011

Na ja, eine Schönheit ist Jürgen Weissingers Auto nicht gerade. Denn dick beplankt mit schwarzen Kunststoffbohlen, die alle Konturen kaschieren, ginge sein SL-Prototyp auch als Darth Vaders Dienstwagen durch. Aber den Ingenieur ficht das nicht an. Dass Mercedes schöne Autos bauen kann, weiß schließlich jeder. Und dass auch der neue SL ein Beau für den Boulevard wird, daran hegt nach 60 Jahren Erfahrung keiner mehr ernsthafte Zweifel. Deshalb muss man sich um das Design des neuen Roadsters drei Monate vor der Weltpremiere in Detroit sicher keine Sorgen machen. Aber dass Mercedes auch sportliche Autos bauen kann, dass haben viele Kunden ein bisschen vergessen. Klar, am neuen SLS zweifelt keiner, und die AMG-Modelle zählen zu den größten Kraftmeiern der Republik. Doch der SL hatte zuletzt den Ruf des Rentner-Roadsters, für den man nicht nur Reichtum, sondern auch eine gewisse Reife brauchte.

Damit soll künftig Schluss sein. Zwar hat Projektleiter Weissinger beim Generationswechsel auch noch einmal am Komfort gefeilt, um den SL klar vom neuen SLS Roadster abzugrenzen. „Doch vor allem haben wir an der Sportlichkeit des Autos gearbeitet und die Fahrdynamik gestärkt“, sagt der Ingenieur, öffnet freundlich die Beifahrertür und bittet als Beweis zu einer ersten Mitfahrt über die Schwäbische Alb.

Für mehr Spaß auf kurvigen Straßen sorgt nicht nur ein neuer V8 mit Doppelturbo und Direkteinspritzung, mit dem die Leistung des SL 500 von 387 auf 435 PS steigt. Auch die Rückkehr zur Aluminium-Karosserie, mit der vor 60 Jahren die SL-Geschichte begonnen hat, trägt dazu bei: „So sparen wir deutlich mehr als 100 Kilogramm“, sagt Weissinger und zeigt in zwei, drei schnellen Kurvenkombinationen, wie buchstäblich leicht sich der Roadster jetzt beim Rasen tut. Schnell auf der Geraden und flott in den Kurven, hält er sich beharrlich an die Ideallinie und wirkt dabei so leichtfüßig, als hätte er in der neuen Generation an Format verloren – dabei ist er genauso groß wie früher, sagt Weissiger, „und hinten sogar etwas breiter.“ Enge Kehren mag der Entwickler besonders gerne. Denn dort lässt die Elektronik das Heck erst ein ganz kleines bisschen kommen, bevor das ESP den Wagen wieder einfängt. „So muss sich ein Sportwagen anfühlen“, lacht der Ingenieur zufrieden.

So sportlich wie der SL fährt, so klingt er auch: Es gibt Schallklappen im Auspuff, mit denen die Ingenieure dem V8 beim Cruisen ein tiefes Brabbeln und beim Beschleunigen ein wütendes Brüllen entlocken. Beim Zurückschalten spielt die Elektronik mit dem Zwischengas, und gelegentlich knallt eine künstliche Fehlzündung wie ein Peitschenhieb. Das ist Musik in den Ohren der Motorgemeinde.

Doch bei allen Muskelspielen will die Kundschaft mit dem SL auch weiterhin bequem über den Boulevard bummeln. Allzu stramm und sportlich darf der Roadster deshalb auch nicht sein. „Keine Sorge“, sagt Weissinger, lupft kurz den Tarnvorhang über der Mittelkonsole, drückt im Verborgenen ein Knöpfchen neben dem ungewöhnlich kurzen Schaltstummel und lässt es danach deutlich gelassener angehen. Jetzt arbeitet die weiter verfeinerte „Active Body Control“ im Komfort-Modus, gleicht die Seitenneigung deutlich aus, reduziert das Wanken des Wagens und verhindert das Nicken, das sonst beim Bremsen oder Beschleunigen die Nackenwirbel belastet.

Die Alu-Karosse und der neue Motor helfen dem SL aber nicht nur beim Sporteln. Auch beim Sparen zahlt sich die neue Technik aus, zu der auch eine überarbeitete Siebengang-Automatik samt Start-Stopp-System zählt: „So haben wir den Verbrauch um deutlich mehr als 20 Prozent reduziert“, sagt Weissinger. Damit müsste der Achtzylinder einen Normwert von deutlich unter zehn Litern erreichen.

Ein halbes Jahr vor der Markteinführung hält sich der Baureihenleiter mit allen anderen Details zum neuen SL noch vornehm zurück. Nur dass es natürlich auch wieder einen Zwölf- und einen Sechszylinder geben wird, ist ihm zu entlocken. Außerdem spricht er bereitwillig von den zwei AMG-Varianten SL 63 und SL 65 und schließt diesmal sogar einen Diesel nicht vollends aus. „Seit es den auch im SLK gibt, ist bei uns ein Tabu gebrochen.“

Was man sonst bei der Mitfahrt schon erkennen kann, sind die Lüfterdüsen aus SLK und SLS, viel blankes Metall und edles Leder im Cockpit sowie ein Bordmonitor zwischen den Instrumenten, über den die Pictogramme von einem Dutzend Assistenzsystemen flimmern. „Fast alles, was es in E- oder S-Klasse gibt, haben wir jetzt auch im SL“, sagt Weissinger und rattert eine lange Liste von der Verkehrszeichenerkennung bis zum Müdigkeitswarner herunter. Natürlich gibt es außerdem wieder Sitze mit dem Nackenföhn „Airscarf“ und das vom SLK bekannte Glasdach mit „Magic Sky Control“ – ein Knopfdruck genügt, dann wird diese Scheibe dunkel und sperrt die Sonne aus. Das Dach selbst ist leider nicht ganz so schnell, und dummerweise muss man auch bei der neuen SL-Generation stehen bleiben, wenn man es bewegen will.

Nur wie der Wagen einmal aussehen wird, ist unter dem Tarnkappe kaum zu erahnen. Ingenieur Weissinger ist das egal. Erstens kennt er natürlich längst das finale Design, und zweitens sitzt er als einer von ganz wenigen bereits am Steuer und genießt die neue Sportlichkeit. Da kann man über das runzelige Plastik auch mal hinwegsehen.

Leichtfüßiger und handlicher: Der kommende neue Mercedes SL will sein Renter-Image abstreifen und wieder mehr Sport-Wagen sein. Gleichzeitig muss und wird er aber auch deutlich sparsamer werden. Wir durften mit auf eine erste Ausfahrt im noch getarnten Prototypen.

Fazit
Leichtfüßiger und handlicher: Der kommende neue Mercedes SL will sein Renter-Image abstreifen und wieder mehr Sport-Wagen sein. Gleichzeitig muss und wird er aber auch deutlich sparsamer werden. Wir durften mit auf eine erste Ausfahrt im noch getarnten Prototypen.

Quelle: Autoplenum, 2011-10-16

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