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Testbericht

Patrick Broich/SP-X, 5. Juli 2017

Unterstellen wir einmal, die automobilen Grundbedürfnisse hätten sich im Zuge des letzten halben Jahrhunderts nicht geändert. Dann würde heute jeder Passat-Besitzer im absoluten Luxus schwelgen. Aber die Bedürfnisse haben sich nun einmal verändert, umso mehr ein Grund, sich daran zu erinnern, wie es früher einmal war, Mittelklasse zu fahren. Wir beginnen unsere Geschichte daher im VW Passat der ersten Generation. Dabei handelt es sich um einen frühen Variant, der im typischen 70er-Knallfarben-Outfit daherkommt. Quietschgelb – oder „Marinogelb“, wie es im zeitgenössischen Volkswagen-Marketingjargon hieß, nennt sich der Ton, mit dem der Passat I definitiv die Blicke der Passanten auf sich zieht.

Er gehört zu den Autos, die früher massenhaft auf unseren Straßen rollten, dann als „Verbrauchtwagen“ aufgefahren wurden und jetzt ähnlich exotisch sind wie rare italienische Supersportler. Der zierliche Wolfsburger mit seinen rund 900 kg Einstandsgewicht und bodenständigen 55 kW/75 PS macht heute so richtig Spaß. Der einstige Spießbürger ist cool geworden und stiehlt den E-Type, Pagoden und Elfern die Show auf einer Oldtimer-Ausfahrt, weil er als verschollener Sohn gefeiert wird: „Stimmt, den ollen Passat gab es ja auch mal.“

Das Fahren im Passat bedeutet natürlich Arbeit. Dass die Lenkung ohne Servounterstützung auskommen muss, ist bei dem Leichtgewicht allerdings kein Problem. Der Motor dreht hoch, die Geräuschkulisse ist entsprechend. Man sitzt recht ordentlich in der Wolfsburger Mittelklasse, aber für ein Alltagsauto des 21. Jahrhunderts würde der Komfort bei weitem nicht mehr reichen.

Erfrischend dagegen, wenn sich Infotainment auf den Tacho reduziert. Selbst ein Drehzahlmesser war noch Luxus, den haben sich manche Besitzer einfach als Zubehör gegönnt. Sommers fährt man lässig mit heruntergelassenen Seitenscheiben, das nannte man damals Klimatisierung.

Eigentlich lässt es sich mit den 75 Pferdchen des Fünfzehnhunderters leben, denn er wiegt ja nichts und beschleunigt demnach recht quirlig auf ebenen Abschnitten. Doch wie es ist, Autobahn-Steigungen noch real erfahren zu können, dürften viele Autofahrer von heute vergessen haben. Der über vierzig Jahre alte Passat ruft es in Erinnerung: Zurückschalten in den Dritten bitte, wenn das Tempo auf der optisch fast waagerecht wirkenden Bahn zu sehr abfällt. Sich automobil steigern können, bedeutete Anfang der Siebziger auch ein echtes Plus an Lebensqualität. Der Aufstieg in die obere Mittelklasse oder gar Oberklasse war tatsächlich eine nützliche Sache und nicht bloß ein „Nice-to-Have“, wie man im Neudeutschen sagt – komfortabler, leiser und auch antriebsseitig einfach viel souveräner.

Das ist heute anders. Ein ordentlich ausgestatteter Top-Passat der aktuellen Generation kann alles. Er ist mit knapp unter 50.000 Euro Grundpreis natürlich auch nicht ganz günstig – aber dafür reicht er nicht nur aus, nein, mit ihm schwingt schon der Hauch des Überflusses mit. Zwei Liter Hubraum im Vergleich zu 1,5 Litern von früher – das klingt ja nicht so wild, aber dank Turbo beziffert Volkswagen das Ende der Fahnenstange beim Passat heute nicht wie früher mit 85 PS, sondern quetscht eigentlich irrwitzige 280 Pferdchen aus dem Vierzylinder und stattet ihn zur Sicherheit gleich mal mit Allradantrieb aus, damit der Wolfsburger nicht hilflos mit den Pneus scharrt beim beherzten Gas geben.

So wird der unscheinbare Familienkombi vielleicht nicht zum Porsche-Killer, aber zum emotionalen Allrounder, der dem Diesel-7er vom Nachbarn locker die Rücklichter zeigt. Das hätte es früher nicht gegeben. Da haben wir wieder den Oberklasse-Vergleich. Der Siebener ist auch heute sicherlich leiser als der Passat, aber der Passat ist leise genug, um als ausgewiesen komfortabel durchzugehen – als komfortabler, als er sein müsste, um die Passagiere zufriedenzustellen.

Und luxuriös. Es gibt üppige Fauteuils mit elektrischer Sitzverstellung inklusive justierbarer Oberschenkel-Auflage. Die Dämpfer sind elektronisch beeinflussbar und verändern die Fahrwerkscharakteristik je nach Einstellung oder Straßenzustand. Und – eigentlich ganz banal – es gibt Platz ohne Ende, während man im Ur-Passat manchmal an die Grenzen stößt in Form dicht an den Knien reibender Lehnen, falls man auf der Rückbank platzgenommen hat.

Der langsame, analoge Passat trifft auf den rasanten Passat von heute, der im Grunde ein rollender Computer ist. Dank eines aktiven Tempomats darf der Fahrer eine Geschwindigkeit wählen, die entweder gehalten wird bei freier Fahrt oder sich an das Tempo des Vordermanns anpasst. Kurz die Hände vom Lenkrad nehmen geht, die aktive Lenkung hält dann die Spur und kann sogar selbsttätig durch zarte Autobahnkurven führen ­– alles möglich durch Kameras und Radarsensorik. Herunterbremsen bis zum Stillstand geht auch – das ist in der Stadt oder bei zähem Verkehrs auf der Autobahn denkbar bequem. Der Blick auf das Kombiinstrument zeigt den Fortschritt der Zeit nicht minder eindrucksvoll. Statt mechanischer Zeiger gibt es einfach nur ein Display, das analoge Skalen simulieren kann. Oder die Straßenkarte je nach Einstellung.

Fast 45 Jahre nach Einführung des ersten Volkswagen Passat hat sich das mittelklassige Autofahrerleben ziemlich verändert. Heute ist die gefühlte Oberklasse fast demokratisiert. Einen Aufregerfaktor allerdings hatten die jeweils aktuellen Passat-Baureihen bis heute kaum, das gilt auch für die fünfte, neuentwickelte Generation, deren Mitglieder trotz aller Luxus- und Technikmerkmale gewöhnliche Alltagsautos sind – aber dennoch perfekt für lange Strecken. Der Passat I hingegen war einmal langweilig und ist wieder Blickfänger, nachdem die Modellgeneration fast komplett ausgestorben ist. Schön, beide Modelle in der Garage stehen zu haben.

Volkswagen Passat LS Variant – technische Daten:
Mittelklasse-Kombi (Bauzeit 1973 bis 1980), Länge: 4,22 Meter, Breite: 1,60 Meter, Höhe: 1,37 Meter, Radstand: 2,47 Meter
1,5-l-Reihenvierzylinder-Otto-Saugmotor, 55 kW/75 PS, maximales Drehmoment: 114 Nm bei 3.500 Umdrehungen pro Minute, 0-100 km/h: 15 s, Vmax: 160 km/h, Viergang-Schaltgetriebe

Ehemaliger Neupreis (1973):  ab 9.605 DM
Heutiger Marktpreis nach Classic Data
Note 1:  10.700 Euro
Note 2:  5.900 Euro
Note 3:  3.000 Euro
 
 
 
Volkswagen Passat Variant 2,0 TSI 4Motion – technische Daten
Mittelklasse-Kombi, Länge: 4,77 Meter, Breite: 1,83 Meter, Höhe: 1,52 Meter, Radstand: 2,79 Meter
2,0-l-Reihenvierzylinder-Otto-Turbomotor, 206 kW/280 PS, maximales Drehmoment: 350 Nm bei 1.700 bis 5.600 U/Min,0-100 km/h: 5,7 s, Vmax: 250 km/h, Sechsgang-Automatikgetriebe (Doppelkupplung), Durchschnittsverbrauch: 7,3 l/100 km, CO2-Ausstoß: 167 g/km, Schadstoffklasse: C, Grundpreis ab 47.600 Euro

Den Fortschritt im Automobilbau kann man so richtig nachfühlen, wenn man von einem Oldtimer in einen Neuwagen umsteigt. Wir waren mit der zierlich anmutenden ersten Generation des VW Passat unterwegs und haben im wahren Sinne des Wortes erfahren können, wie der Mittelklässler erwachsen wurde.

Fazit
Den Fortschritt im Automobilbau kann man so richtig nachfühlen, wenn man von einem Oldtimer in einen Neuwagen umsteigt. Wir waren mit der zierlich anmutenden ersten Generation des VW Passat unterwegs und haben im wahren Sinne des Wortes erfahren können, wie der Mittelklässler erwachsen wurde.
Testwertung
4.0 von 5

Quelle: Autoplenum, 2017-07-05

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