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Testbericht

Marcel Sommer, 1. August 2013
Damit Volkswagen nach knapp 40 Jahren wieder am Rallyegeschehen teilnehmen darf, muss ein Homologationsfahrzeug her. Das Resultat ist der stärkste Polo aller Zeiten.

Sprünge von über 20 Metern, umherfliegende Grasnarben und tausende Zuschauer in oft nur wenige Zentimeter weitem Abstand zur Schotter- oder Asphaltpiste - die Rallyeweltmeisterschaft ist ein ganz besonderes Spektakel. Kein Wunder, dass es nach rund 40 Jahren Abstinenz den Herren aus dem Hause Volkswagen wieder im Rallye-Gasfuß juckt. Doch bevor in das quer über den Globus und aus 13 Rennen verteilte Geschehen eingestiegen werden darf, muss laut FIA-Reglement ein sogenanntes Homologationsfahrzeug in einer Stückzahl von mindestens 2.500 Exemplaren produziert werden. Von dieser Kleinserie des Basisautos wird der spätere Rennwagen abgeleitet. Im Falle von VW ist es der Polo R WRC. Am Preis von 33.900 Euro ist bereits zu erahnen, dass nicht nachgewiesen werden muss, ob die gebauten Fahrzeuge auch wirklich verkauft wurden. Denn schon für 4.500 Euro weniger steht ein Basis-Golf GTI in der heimischen Garage.

Die tatsächlichen Gemeinsamkeiten fallen zugegebenermaßen wesentlich geringer aus, als gedacht. Die Karosserie des VW World Rally Car basiert zwar auf der Serien-Karosserie, wurde jedoch reglementskonform verstärkt. Zudem bestehen Teile wie Kotflügel und Heckflügel nun aus Verbundwerkstoffen. Türen, Motorhaube und Heckklappe müssen vom Serienfahrzeug stammen. In der DTM sieht das zum Beispiel ganz anders aus. Da gleichen sich meist nur das Logo und das Fahrzeugdach. In der Formgebung veränderbare Karosserieteile wie Frontspoiler mit großem Lufteinlass und Heckschürze müssen eine Entsprechung in der Serie haben. Bei VW heißt das: Nur weil der 220-PS starke Serien-Polo eine andere Front- und Heck-Gestaltung aufweist, darf sein 315 PS starker Rennbruder dementsprechend gebaut werden. Motor, Antriebstrang, Fahrwerk und vieles mehr sind im Rahmen des FIA-Reglements modifiziert.

Bei den technischen Daten fällt sofort auf, dass der Serien-Polo über 0,4 Liter mehr Hubraum verfügt. Der Grund liegt ebenfalls im Reglement. In der WRC sind nur 1,6 Liter große Turbomotoren mit Direkteinspritzung erlaubt. Gleichzeitig muss ein Luftmengenbegrenzer mit einem Durchmesser von 33 Millimeter eingebaut werden und der Ladedruck auf 2,5 bar begrenzt sein. Beim Blick ins Cockpit des Serien-Polos kommt schnell die Frage auf, warum denn keine Schaltwippen verbaut und auch nicht zu ordern sind? Die Antwort findet sich ebenfalls im Regelwerk: Schaltwippen sind in der WRC verboten. Der Gangwechsel muss mechanisch mittels Schaltknüppel erfolgen. Daher auch die Nichtverwendung in der Serie. Hinzu kommt ein Mindestgewicht für die Rallyefahrzeuge von 1,2 Tonnen. Der VW Polo R WRC liegt mit seinen 1.324 Kilogramm nur geringfügig darüber. In puncto Fahrhilfen ist der Serien-Kunde klar im Vorteil, denn hier sind elektronische Fahrhilfen, anders als in der WRC, gern gesehen und natürlich nicht verboten.

Dass sich die beiden ungleichen Brüder genauso unterschiedlich fahren wie sie ausschauen ist verständlich. Allerdings bietet der Straßen-Polo mehr Fahrdynamik und vor allem auch Fahrspaß, als zu erwarten wäre. Den Sprint bis zur Tempo 100-Markierung verliert er zwar deutlich mit seinen 6,4 Sekunden im Vergleich zu den 3,9 Sekunden des Rennboliden. Doch bei freier Strecke macht er es durch seine um 43 Kilometer pro Stunde höhere Endgeschwindigkeit wieder wett - das World Rally Car fährt nur rund 200 Sachen. Und auch bezüglich des Fahrkomforts dürfte die Wahl immer auf den Serien-Kleinwagen fallen. Denn trotz seiner spürbaren Sportlichkeit und einer ab 3.500 Umdrehungen auch danach klingenden Soundkulisse sind Stadtfahrten inklusive Straßeneinbauten kein Problem. Gleichzeitig ist die Sitzposition um ein Vielfaches angenehmer für den normalen Straßenverkehr, als die tiefe und weit zurück versetzte Position von Fahrern wie VW-Star und angehendem Rallyeweltmeister Sebastien Ogier. Bei starkem Sonnenschein wird zudem die Sicht des erfolgreichen Franzosen durch aufgeklebte Sonnenschutzblenden noch weiter eingeschränkt.

Einer der größten Unterschiede ist beim starken Herausbeschleunigen aus Kurven zu spüren. Der Serien-Polo hat Front-, das World Rally Car Allradantrieb. Genauer gesagt einen permanenten Allradantrieb mit starrem Durchtrieb zwischen Vorder- und Hinterachse sowie Lamellensperrdifferenzialen an Vorder- und Hinterachse. Doch auch der VW Polo R WRC schafft es, seine bis zu 350 Newtonmeter Drehmoment über die Vorderräder auf die Straße zu bringen. Wie er sich mit den 425 Newtonmetern des Rallyeautos abmühen würde, wäre auf der einen Seite zwar spannend. Allerdings würde die Traktionskontrolle schnell für Ruhe unter der mit Rallyestreifen verzierten Motorhaube sorgen.

Der offensichtlichste Vorteil eines Straßen-Kleinwagens gegenüber einem Rallyeauto ist das Platzangebot. Passen in den ständig driftenden und unsagbar lauten Renner nur der Fahrer und sein richtungsweisender Beifahrer, nimmt es die Serienversion mit entweder fünf Personen und 204 Litern, oder zwei Personen und bis zu 882 Litern Gepäck auf. Hinzu kommt noch der finanzielle Aspekt, der, auch wenn es das World Rally Car zu kaufen gäbe, sehr wahrscheinlich bei über 99 Prozent der Kunden die Entscheidung zu Gunsten des R WRC lenken würde. Der kostet mit seinen 33.900 Euro nämlich nur gut zehn Prozent von dem, was ein echtes WRC-Auto kostet. Wen die knapp 350.000 Euro nicht abschrecken, der wird sich hingegen auch nicht vor dem rund fünffachen Spritverbrauch bange machen lassen. Der VW Polo R WRC gönnt sich auf 100 Kilometern und stark defensiv genutztem Gasfuß 7,5 Liter Benzin.

Quelle: Autoplenum, 2013-08-01

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