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Testbericht

Sebastian Viehmann, 6. August 2010
Weil die Autohersteller sich mit ihren Plug-In-Hybriden Zeit lassen, bauen findige Bastler sie einfach selbst. Der Prius ist das beliebteste Tuning-Objekt. Bei Toyota weiß man nicht so recht, was man davon halten soll.

„Sehen Sie, da ist schon wieder einer. Und da drüben auch“, sagt Paul Guzyk und zeigt auf die andere Straßenseite. Hier in Berkeley, Kalifornien, sieht man so viele Prius wie sonst nirgends in den USA. „Früher haben wir als Kinder auf dem Rücksitz immer dieses Spiel gespielt: Wenn man einen VW Käfer sah, musste man seinen Bruder in die Seite knuffen. Heute ist der Prius der Käfer“, sagt Guzyk. Pauls Auto fällt also nicht weiter auf, dabei hat er es faustdick hinter den Batterien: Am hinteren Stoßfänger befindet sich eine Stromanschluss, und Paul gleitet schon seit mehr als fünf Meilen lautlos und rein elektrisch durch die Universitätsstadt Berkeley, ohne dass der Benzinmotor dem Elektroantrieb unter die Arme greifen musste.

Paul Guzyk, einer der Gründer des Unternehmens 3ProngPower, hat seinen Prius zum Plug-In-Hybriden umgerüstet. Ein Lithium-Ionen-Akku unter dem Kofferraumboden ergänzt die Nickel-Metallhydridbatterie des Autos und spendet 10 kWh Zusatzenergie. Die Umrüstung kostet 12.000 Dollar, umgerechnet rund 9000 Euro. Ein 2 kWh-Pakt ist bereits für 3000 Dollar zu haben. Die rein elektrische Reichweite des umgerüsteten Prius schwankt je nach Batteriekapazität und Fahrweise. „Wer täglich nur 20 Meilen zur Arbeit fährt, muss im Idealfall gar nicht mehr tanken“, sagt Paul Guzyk. Die Zusatzbatterie soll eine Lebensdauer von 5000 Ladezyklen besitzen. Ein so genannter Step-Up-Konverter macht die 48 Volt-Zusatzbatterien für das 240 Volt-System des Prius nutzbar.

Auch Patrick L. Cadam von Green Gears aus San Francisco ist auf die Umrüstung von Hybridautos spezialisiert. Seitlich an seinem Prius prangt der Schriftzug „100 Plus MPG“. Übersetzt heißt das: Mehr als 100 Meilen pro Gallone, also weniger als 2,5 Liter Benzinverbrauch pro 100 Kilometer. Normale Hybridautos wie der Toyota Prius III oder der Ford Fusion Hybrid schaffen nach dem amerikanischen Berechnungssystem gerade einmal fünf bis sechs Liter pro 100 Kilometer. Die magische Zahl von 100 MPG ist nur durch stärkere Batterien zu erreichen, die die rein elektrische Reichweite des Hybriden erhöhen und die über Nacht an der heimischen Steckdose geladen werden – eben das Prinzip des Plug-In Hybriden. Weil die Autoindustrie erst nach und nach solche Fahrzeuge auf den Markt bringt, rüsten Firmen wie 3ProngPower oder Green Gears Fahrzeuge in Eigeninitiative zu Teilzeitstromern mit Stecker um. Bei Green Gears findet das Elektro-Tuning bereits in großem Stil statt. „Wir haben schon rund 500 Fahrzeuge umgerüstet, und die Zahl wächst von Jahr zu Jahr“, sagt Firmenchef Patrick Cadam. Um die Zusatzbatterie zu integrieren, müsse man an der Systemarchitektur des Prius nur minimale Änderungen vornehmen. Patrick betont, dass seine Umrüstung von der kalifornischen Umweltbehörde offiziell anerkannt und sogar der ehemalige CIA-Direktor James Woolsey einer seiner ersten Kunden gewesen sei. „Die Leute kommen nicht nur zu uns, um etwas für die Umwelt zu tun. Manche machen sich auch sorgen um die nationale Sicherheit, die durch unsere Abhängigkeit vom Öl bedroht ist“, sagt Patrick.

Das Hybrid-Tuning ist so populär geworden, dass es bereits von einigen Toyota-Händlern angeboten wird. „Wir schätzen, dass mehr als 1000 umgerüstete Hybride auf den Straßen unterwegs sind“, sagt Felix Kramer von der Organisation CalCars aus Palo Alto. CalCars brachte die Umrüst-Welle vor einigen Jahren ins Rollen. Die technischen Instruktionen kursieren wie eine Open-Source-Software im Internet. Die meisten Fahrzeuge fahren in Kalifornien, doch gerade entwickelt sich ein anderer US-Bundesstaat zum Plug-In-Paradies: Colorado fördert die Umrüstung mit maximal 6000 Dollar.

Von Toyota gibt es für die Umrüster offiziell keine Unterstützung, aber offenbar auch keine Versuche, ihre Aktivitäten zu unterbinden. „Auf Unternehmensebene werden wir ignoriert“, berichtet Paul Guzyk. Er rechnet sogar damit, dass sein Geschäft einen zusätzlichen Schub bekommt, wenn Toyota den bereits existierenden Prius Plug-In nicht nur in Testflotten, sondern frei verkäuflich anbietet. Denn dann werde das Thema noch viel stärker ins Gespräch kommen. Auch Patrick Cadam sieht dem offiziellen Plug-In entspannt entgegen. „Wir haben ja quasi die Vorarbeit für Toyota geleistet, indem wir die Leute auf das Thema aufmerksam gemacht haben“, meint der Unternehmer. Ihm werde der Nachschub an Umrüstobjekten so schnell nicht ausgehen.

Tim Fronzek, Technik-Experte bei Toyota Deutschland, steht den selbstgemachten Plug-Ins eher skeptisch gegenüber. „Die Umbauten kommen nicht aus der Entwicklung des Herstellers und offensichtlich nicht von offiziellen Zulieferern. Da die Umbauten aber massive Eingriffe in die Architektur des Systems beinhalten, können sie ohne eingehende Prüfung nicht freigegeben und zertifiziert sein“, so Fronzek. Ob das Hybridsystem durch die Umrüstung Schaden nehme, könne man nur in einer langfristigen Überprüfung herausfinden. In den USA jedenfalls erlischt die Gewährleistung des Herstellers auch für einen umgerüsteten Hybriden nicht: Ein 35 Jahre altes Bundesgesetz legt fest, dass bei Umbauten am Fahrzeug die Gewährleistung nicht verweigert werden darf – es sei denn, dass die Umbauten die Ursache für einen Schaden waren. Die Beweislast liegt dann aber beim Händler. Unabhängig davon übernehmen Umrüster wie GreenGear eine Gewährleistung auf die Umbauten.

Wie begehrt die Umrüstung in Zukunft ist, wird vor allem von den Benzinpreisen abhängen. Die Amerikaner reagieren äußerst sensibel auf die Entwicklung an der Zapfsäule. So steigt die Nachfrage nach Hybridautos mit schöner Regelmäßigkeit immer dann an, wenn auch die Benzinpreise in die Höhe klettern. Sobald die Preise wieder fallen, sackt aber auch die Nachfrage nach sparsamen Autos wieder ab. Es ist daher keineswegs sicher, dass neue Modelle wie der Plug-In Hybrid Chevrolet Volt wirklich von Beginn an Verkaufsschlager werden. Nach einer Prognose des US-Energieministeriums wird sich der Preis pro Gallone Benzin zwar von derzeit 2,77 Dollar im Schnitt auf 2,90 Dollar im Jahr 2011 erhöhen, aber nicht das Rekordniveau des Jahres 2008 (durchschnittlich 3,26 Dollar pro Gallone) erreichen. Mit anderen Worten: Vielleicht ist der Leidensdruck an der Zapfsäule noch nicht groß genug.

Quelle: Autoplenum, 2010-08-06

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