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Testbericht

Benjamin Bessinger/SP-X, 1. Februar 2013

Er ist die Flaniermeile der amerikanischen Auto-Elite: Wer sich im Glanz seiner Karosse sonnen will, der cruist über den Ocean Drive von Miami Beach. Doch in diesen Tagen haben es die gepimten Camaros, die gestretchten Hummer, die polierten Corvettes und die Phantoms auf ihren schillernden 24-Zoll-Felgen nicht leicht. Denn ausgerechnet hier präsentiert Lamborghini gerade den neuen  Aventador Roadster und stielt damit allen PS-Posern die Schau: Egal ob auf der Kneipen-Straße an der Uferpromenade, auf der Collins-Avenue oder in den millionenschweren Wohnstraßen zwischen Hauptinsel und Festland: Wo der Roadster auftaucht, fängt er alle Blicke und zieht magisch die Handykameras an.

Kein Wunder: Mit einem Design wie ein Kampfjet, breit wie ein Lastwagen und flach wie ein Formel1-Renner ist der Tiefflieger so präsent, dass man die Autos um ihn herum gar nicht mehr wahr nimmt. Und dann erst sein Sound: Der 6,5 Liter große Zwölfzylinder im Nacken quittiert jeden Gasstoß mit einer derart lauten und lustvollen Fanfare, dass sie am Straßenrand immer wieder „Zugabe“ rufen, wenn man ganz sachte von der Ampel wegrollt. Die neue, rasend schnelle Start-Stopp-Automatik, mit der die Italiener den Durst ihres Zwölfzylinders künftig ein bisschen zügeln wollen, lässt man dabei allerdings lieber aus – sonst wird es ziemlich peinlich, weil jeder denkt, man habe das Auto abgewürgt. Und ob man nun die versprochenen 16 oder mehr als 30 Liter verbraucht, ist irgendwie auch egal.

Klar schmeichelt einem die Begeisterung, die einem hier entgegen schlägt, und viel zu oft grinst man gönnerhaft in eine der tausend Kameras. Schüchtern darf man nicht sein am Steuer des Aventador, denn dieses Auto macht einen unweigerlich zum Star. Und der hat gewisse Pflichten: So schwer es einem fällt, lässt man es deshalb zwischen den vielen Ampeln betont langsam angehen, selbst wenn die eigentlich auf Rundenrekorde ausgelegte Sieben-Gang-Automatik damit ihre liebe Mühe hat. So pubertär es wirkt, schaltet man beim Ampelstopp immer mal wieder in den Leerlauf und jagt die Miami Sound Machine in einem Wimpernschlag auf über 8.000 Touren, bis ringsum der Putz von den Art-Deco-Fassaden bröckelt. Und natürlich gönnt man den Passanten manchen Kavalierstart, auch wenn die Pirellis auf den 20-Zöllern dafür jede Menge Gummi lassen und einem bei dieser explosionsartigen Beschleunigung der Rücken schmerzt wie nach dem Tritt eines Büffels. Doch irgendwie fühlt man sich mit dem Lamborghini in der Stadt ein bisschen fehl am Platz.

Unübersichtlich wie ein Holzlaster und bockhart gefedert, braucht dieses Auto Auslauf, viel, viel Auslauf. Und immer die gleichen Känguru-Sprints beim Kavalierstart werden ja auch irgendwann einmal langweilig. Deshalb führt der Weg aus der Stadt auf den Highway, wo der Roadster tatsächlich zu einem halbwegs gemütlichen Cruiser wird. Natürlich kann man sich in einem Lamborghini nicht zurücklehnen, eine Hand vom Lenker nehmen und gelassen dahin gondeln. Dafür ist der Lockruf der Leistung viel zu groß und der Wagen viel zu scharf. Ein Kampfjet taugt schließlich auch nicht als Urlaubsbomber. Doch wenn die beiden Karbonplatten der Dachkonstruktion – anders als beim Murcielago diesmal wasserdicht und vollgasfest - vorn unter der Haube verstaut sind, der Fahrtwind so langsam Orkanstärke erreicht man sich drinnen trotzdem noch bequem unterhalten kann, kommt tatsächlich so etwas wie Ferienstimmung auf und der Pulsschlag beginnt sich zu normalisieren. Auch das Herz des Lamborghinis schlägt dabei einen ruhigeren Takt. Denn neuerdings hat der V12-Motor, der unter einem spektakulären Skelett aus Glas und Karbon drapiert ist, eine Zylinderabschaltung und fährt bis 130 km/h nur auf sechs Töpfen.

Sein wahres Gesicht zeigt der Aventador erst auf einer Rennstrecke. Da fehlen zwar diesmal die Zuschauer, weil hier und heute ja nur Amateure fahren. Doch außerhalb der Reichweite jeder Radarpistole und befreit von den Risiken des fließenden Verkehrs, kann der Roadster seien radikalen Kräfte hier zum ersten Mal voll ausspielen. So beißt sich der Allradler sich förmlich in den Asphalt, klebt in der Kurve und hält mit seiner messerscharfen Lenkung unbeirrbar seine Spur. Dabei lässt sich das Auto überraschend einfach und zahm fahren, als wäre es ein Kleinwagen mit etwas größerem Motor – zumindest, solange man im „Strada“-Modus unterwegs ist.

Wechselt man allerdings auf „Sport“ oder „Corsa“, wird der Aventador mit jedem Tastendruck böser und brutaler: Die Drehzahlen schnellen nach oben. Die Gänge schlagen im Getriebe ein wie die Faust eines Preisboxers in sein Opfer. Der Allradantrieb neigt zum Übersteuern und lässt fein dosiert das Heck kommen. Eben noch protziger Boulevard-Bolide für superreiche Selbstdarsteller wird der Aventador so zum Präzisionssportwagen für PS-Profis. Mit entspanntem Fahren ist dann aber nichts mehr: Drei Runden reichen, damit das Hemd am Rücken klebt, die Knie zittern und die Hände feucht werden und man den Glauben an die Physik verliert: Denn 0 auf 100 in 3,0 Sekunden sind mindestens so spektakulär wie der Höllenritt bei 350 km/h – und erst recht die anschließende Vollbremsung: Gerade mal 31 Meter reichen dem trotz Karbonkarosse noch immer 1,7 Tonnen schweren Aventador aus 100 km/h zum Stillstand. Da bleibt einem am Steuer gerne mal die Puste weg.

Aber das sind Lamborghini-Fahrer gewöhnt. Über einen Alltagsverbrauch weit jenseits von 20 Litern regt man sich zwar bei so einem Auto genauso wenig auf wie über Tankrechnungen von 200 Euro und mehr. Doch schon bevor man überhaupt einen Aventador sein eigen nennt, könnte es spätestens dann zu gefährlicher Schnappatmung kommen, wenn man in die Preisliste schaut. Nicht umsonst rufen die Italiener für die wildeste Windmaschine der Saison 357.000 Euro auf. Andererseits: Wer da zu lange überlegt, bezahlt das mit einer langen Wartezeit. Schließlich ist der Roadster schon jetzt bis weit in den Sommer 2014 ausverkauft.

Lamborghini Aventador LP 700-4 Roadster – Technische Daten:
Supersportwagen, V12-Benziner, 6.498 ccm Hubraum, 515 kW/700 PS, max. Drehmoment: 690 Nm, 0-100 km/h: 2,9 s, Vmax: 350 km/h, Verbrauch: 16,0 Liter, CO2-Ausstoß: 370 g/km
Preis: 357.000 Euro

Kurzcharakteristik Lamborghini Aventador Roadster
Alternative zu: einem offenen F12, den Ferrari aber erst noch bauen muss
Passt zu: erfolgreichen Investmentbankern und eiligen Selbstdarstellern
Sieht gut aus: auf der Rennstrecke und einem nächtlichen Prachtboulevard
Wann kommt er: er ist seit November bestellbar, wer sich beeilt, wird 2014 belohnt
Was kommt noch: Erst einmal nur der kleine Bruder Gallardo, der in rund einem Jahr seinen Nachfolger erhält

Er ist der ungekrönte König auf dem Ocean Drive: Wer mit dem neuen Lamborghini Aventador Roadster durch Miami Beach fährt, sonnt sich in der Bewunderung tausender Passanten und lässt es bewusst langsam angehen. Doch vor den Toren der Stadt zeigt die schärfte Windmaschine der Saison ihr wahres Gesicht.

Fazit
Er ist der ungekrönte König auf dem Ocean Drive: Wer mit dem neuen Lamborghini Aventador Roadster durch Miami Beach fährt, sonnt sich in der Bewunderung tausender Passanten und lässt es bewusst langsam angehen. Doch vor den Toren der Stadt zeigt die schärfte Windmaschine der Saison ihr wahres Gesicht.

Quelle: Autoplenum, 2013-02-01

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