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Testbericht

Holger Holzer/SP-X, 30. März 2017

Wenn die Edelmarke Mercedes ihre Modellpalette nach unten ausbaut, sorgt das immer für Aufsehen und ein wenig Misstrauen. Das war 1982 beim Baby-Benz so. Und auch vor 20 Jahren bei der A-Klasse. Während sich der 190er aber schnell zum Volltreffer entwickelte, holperte es bei dem vanartigen Kompaktmodell zunächst ganz schön.

Mercedes wollte durchaus etwas wagen mit dem 1997 auf dem Genfer Salon vorgestellten neuen Einsteiger. Hatte die Marke bis dahin vor allem prestigeträchtige Limousinen und Sportwagen im Programm, strahlte die kurze und hohe A-Klasse mit ihrer Stupsnasenfront und dem bis dato verpönten Frontantrieb so gar kein Premium-Flair aus. Mercedes jedoch wollte weniger mit Äußerlichkeiten als mit inneren Werten überzeugen: Trotz ihrer geringen Abmessungen war erste A-Klasse innen großzügig wie eine Mittelklasselimousine. Und im doppelten Boden war sogar Platz für die Zukunft; die sogenannte Sandwich-Bauweise sollte perspektivisch den Einbau von Brennstoffzelle oder Batterien erlauben und den kleinen Mercedes so zum Elektromobil machen.

Ein derart radikaler Schritt schien Anfang der 90er-Jahre nicht nur aus Mercedes-Perspektive nötig. Der US-Bundesstaat Kalifornien hatte beinharte Umweltschutzregeln aufgestellt, um die Industrie schrittweise zum Bau emissionsfreier Fahrzeuge zu zwingen. Die kompakte A-Klasse sollte die Verbrauchsbilanz der dicken Mercedes-Flotte dank gewichtsbeding geringeren Verbrauchs zunächst leicht aufpolieren und später als E-Auto noch weiter verbessern. Als Kalifornien die harschen Regeln abmilderte, verschwanden die Elektrifizierungspläne genauso schnell wieder wie das zeitgleich bei General Motors entwickelte E-Auto EV1.

Da stand man jetzt also in Stuttgart mit dem eher unförmigen Mini-Mercedes, dessen Zukunftsfähigkeit vom Bonus zum Malus geworden war. Und die Doppelboden-Bauweise sollte sich nicht nur optisch, sondern auch technisch als Problem erweisen. Denn der bauartbedingt hohe Schwerpunkt machte die Fahrt zu einer wackeligen Angelegenheit. Ohne die schweren Akkus war die kurios hochbauende A-Klasse nämlich alles andere als kippsicher, was sich bei dem in Schweden obligatorischen Elchtest offenbarte. Der kleine Sternträger landete beim Ausweichen mit hoher Geschwindigkeit nicht nur auf dem Außenspiegel, sondern auch riesengroß in den Schlagzeilen. Ein Mercedes als Lachnummer. Letztlich ging die Sache für die Stuttgarter aber glücklich aus, denn der kurzerhand fertig entwickelte Schleuderschutz ESP brachte die A-Klasse nach drei Monaten Produktionsstopp wieder auf Kurs und hat durch seine massenhafte Verbreitung seither vielen tausend Autofahrern das Leben gerettet.

Auch die A-Klasse etablierte sich langsam als feste Größe im Mercedes-Portfolio. Allerdings bei den falschen Kunden. Eigentlich sollte das kompakte Stadtauto die Verjüngung der überalterten Mercedes-Kundschaft einläuten. Bei der Markteinführung legte man in Stuttgart daher Wert auf bunte Cockpit-Designs, knallige Lackfarben und ein frisches Image. Der Plan ging nicht auf: Im Gegenteil, wurde die A-Klasse doch zum prototypischen Rentner-Auto. Denn vor allem Ältere schätzten die hohe Sitzposition, die knappen Abmessungen und die gute Rundumsicht. Bei der Modellpflege 2001 änderte Mercedes daher die Positionierung des Autos und führte wieder das gewohnte Wurzelholz für den Innenraum, gediegene Lackfarben und beigere Sitze ein. Auch der Preis wurde nach oben angepasst.

Trotz aller Widrigkeiten wurde die A-Klasse zum Erfolg, rund 1,1 Millionen Fahrzeuge fanden weltweit einen Käufer. Beim 2004 präsentierten Nachfolger gab es also keinen Grund für große Änderungen. Selbst der zunächst mehr oder weniger obsolet gewordene Sandwichboden blieb erhalten und feierte eine zweite Karriere als Sicherheitsfeature. Bei einem Frontalaufprall bot er dank neuer Konstruktionstricks Platz für den verrutschenden Motorblock. Ähnlich positive Effekte gab es bei einer seitlichen Kollision. So schaffte es auch Generation zwei zum Millionenseller – allerdings wiederum vor allem bei Senioren.

Ältere Autokäufer haben zwar viel Geld und sind in Deutschland zahlreich vorhanden, weltweit aber klar in der Unterzahl. Vor allem in Asien sind es die Jungen, die neue, teure Autos haben wollen. Für Generation drei wagte Mercedes 2012 daher den kompletten Umschwung. Aus dem geräumigen Van mit Sandwichboden wurde ein architektonisch konventioneller fünftüriger Kompaktwagen, den man optisch und bei der Fahrwerksabstimmung jedoch dezidiert auf juvenile Dynamik trimmte. Dabei hat Mercedes vielleicht eine Spur überdreht: Die angestammte Kundschaft verschreckte der harte Kompaktsportler offenbar sehr. Und zwar nicht nur die alten A-Klasse-Rentner (für die gibt es ja die B-Klasse), sondern auch die downsizing-willigen Umsteiger aus C- und E-Klasse, die einen Großteil der Zielgruppe stellten. Bei der Modellpflege 2015 wurde die Sport-Schraube daher wieder etwas zurückgedreht. Seitdem fährt der kleinste Mercedes fast so sanft wie seine größeren Geschwister.

Fast 20 Jahre nach ihrer Erfindung scheint die A-Klasse endlich am Ziel angekommen.

Nur wenige Autos der jüngeren Vergangenheit haben so eine bewegte Geschichte die wie Mercedes A-Klasse. In zwei Jahrzehnten war sie Öko-Mobil, Lachnummer, Rentner-Shuttle und Möchtegern-Sportler. Immer war sie aber auch ein Erfolgsmodell.

Fazit
Nur wenige Autos der jüngeren Vergangenheit haben so eine bewegte Geschichte die wie Mercedes A-Klasse. In zwei Jahrzehnten war sie Öko-Mobil, Lachnummer, Rentner-Shuttle und Möchtegern-Sportler. Immer war sie aber auch ein Erfolgsmodell.

Quelle: Autoplenum, 2017-03-30

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