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Testbericht

Holger Holzer/SP-X, 29. Juni 2016

Ein Kompaktwagen ist heutzutage wie der andere! Das ist natürlich leicht übertrieben – trotzdem haben sich wohl in keinem Fahrzeugsegment die einzelnen Modelle über die Zeit so sehr angeglichen wie in Deutschlands beliebtester Pkw-Klasse. Das kann man nun langweilig finden. Oder es als Zeichen für die Ausgereiftheit des Konzepts sehen. In jedem Fall ist es erfrischend, wenn mal jemand etwas anders macht. Wie etwa der Honda Civic Tourer.
 
Schon als 2005 die damals achte Generation des japanischen Kompaktmodells auf den deutschen Markt kam, fuhr sie wie ein Ufo unter die Konkurrenz. Extreme Keilform statt Two-Box-Design, gepaart mit futuristischer Glasbaustein-Front und Spaceship-Cockpit. Der auffällige Stil wurde zwar schon drei Jahre später im Zuge eines Faceliftings geglättet, viele Elemente der schrillen Optik finden sich aber auch noch bei der 2011 erschienene Generation neun. Selbst die Europäisierung der Karosserieform durch die in Japan und den USA gar nicht angebotene Kombiversion hat dem Civic nichts von seinem extrovertierten Auftritt genommen. Das kann man mögen. Oder eben nicht.
 
Geschmackliche Indifferenz dem Honda Civic Tourer gegenüber ist schwer, denn übersehen und ignorieren lässt sich der spezielle Stil nicht. Das gilt insbesondere für das Cockpit. Der mittlerweile ganz leicht angestaubt wirkende Nippon-Futurismus mit seinen raumschiffhaften Formen und den großen Kunststoffflächen ist sicher nicht jedermanns Sache, steht der hierzulande beliebten nüchternen Klarheit nach Muster eines VW Golf diametral entgegen. Dazu kommt, dass man sich tatsächlich auf der Brücke eines Raumschiffs wähnt. Unzählige Knöpfchen erschlagen der Fahrer, die Bedienung ist nicht immer intuitiv, zahlreiche Bildschirme, Skalen und Leuchten heischen nach Aufmerksamkeit. Dazu kommen aber auch ein paar ganz irdische Schwächen: Ablagen etwa sind Mangelware und auch bei der Verarbeitung ist noch viel Luft bis zur Stratosphäre.
 
Viel Luft im positiven Sinne findet sich hingegen im Heck. Allein die Klassenstandards sprengenden 624 Liter Kofferraumvolumen bei voller Bestuhlung sind enorm. Wer noch die Rückbank umlegt, vergrößert das Hohlmaß auf 1.668 Liter – mehr als in mach einem Mittelklasse-Kombi. Auch wenn sich ein Teil des Platzes in einem mittelgroßen Fach unter dem Ladeboden versteckt: Viel mehr Raum kann man auf knapp 4,40 Metern Länge nicht bieten.
 
Wirklich einzigartig in der Kompaktklasse macht den Honda jedoch etwas Anderes: das Kinositzsystem im Fond. Dank ihm lassen sich nicht nur die Lehnen vollkommen flach umklappen, alternativ können auch die Sitzflächen aufgerichtet werden. Dann hat im großen Fondfußraum selbst ein Fahrrad Platz. Das geht, weil der Tank nicht wie bei anderen Autos unter der Rücksitzbank, sondern unter Fahrer und Beifahrer platziert ist. Das clevere Konzept hat aber auch seine Nachteile. Zum einen können die Fondpassagiere ihre Füße nicht wie gewohnt unter dem Vordersitz platzieren, wodurch sich das ansonsten gute Platzangebot in Reihe zwei nicht optimal nutzen lässt. Fahrer- und Beifahrersitz hingegen mangelt es durch den Tank an Verstellweite in der Senkrechten; schon in der niedrigsten Sitzflächen-Einstellung droht nicht nur Großgewachsenen der Kontakt mit dem Dach.
 
Unterm Strich ist der Civic aber das größte Raumwunder der Kompaktklasse, jenseits des kompakten SUV und des Kompakt-Vans. Und auch beim Antrieb kann der Japaner überzeugen. Der als einziger Diesel angebotene 1,6-Liter-Vierzylinder mit 88 kW/120 PS ist zwar kein Temperaments-Bolzen, passt mit seinen kultivierten Manieren, dem verbindlichen Durchzug und dem geringen Verbrauch aber gut zu einem vernunftorientierten Auto wie dem Nippon-Kombi. Knapp fünf Liter je 100 Kilometer sind ohne weiteres machbar. Gelungen ist auch die präzise geführte Sechsgang-Schaltbox, die beim Diesel allerdings auch alternativlos ist (für den Benziner gibt es eine Fünfgangautomatik). Ein ausgeglichen federndes Fahrwerk und eine leichtgängige Lenkung runden das auf entspanntes, nicht allzu zackiges Fortkommen abgestimmte Civic-Gesamtpaket ab.
 
Wer mit dem etwas spitzen Design klarkommt, erhält also einen ausgereiften Kompaktkombi ohne große Schwächen, dafür mit gigantischem Laderaum. Allerdings hat das Ganze seinen Preis. Zwar wirkt das Diesel-Basismodell („S“) mit einem Grundpreis von 22.260 Euro auf den ersten Blick geradezu wie ein Schnäppchen – allerdings ist die Ausstattung für ein Fahrzeug dieser Klasse extrem lückenhaft. Als Käufer greift man daher mindestens zum zweithöchsten Niveau („Comfort“), das dann auch Unverzichtbares wie Klimatisierung oder Audioanlage bietet. Zudem ist dann der im Notfall nützliche City-Notbremsassistent an Bord, dazu gibt es jede Menge Schickes und Praktisches, so dass man für 25.260 Euro ein vernünftig ausgestattetes Auto erhält.
 

Die Mischung aus exotischer Schrulligkeit und handfesten Platzvorteilen hat dem Civic in Deutschland allerdings keinen überragenden Erfolg beschert. Keine 7.000 Kunden schlugen im vergangenen Jahr bei Limousine oder Kombi zu – der VW Golf verkauft sich jeden Monat mehr als doppelt so häufig. Die für das kommende Jahr erwartete Neuauflage des Civic wird daher dem Vernehmen nach äußerlich weniger extrem gestaltet sein als das aktuelle Modell und mehr dem europäischen Massengeschmack entsprechen. Wer also noch ein leicht exotisches Kompaktauto mit inneren Stärken sucht, sollte bald zuschlagen.

Honda Civic Tourer 1.6 i-DTEC - Technische Daten
Fünfsitziger Kombi der Kompaktklasse, Länge: 4,54 Meter, Breite: 1,77 Meter (2,01 Meter mit Außenspiegeln), Höhe: 1,44 Meter, Radstand: 2,60 Meter, Kofferraumvolumen: 624 bis 1.668 Liter.

1,6-Liter-Diesel, 88 kW/120 PS, maximales Drehmoment: 300 Nm bei 2.000 U/min, Vmax: 195 km/h, 0-100 km/h: 10,1 s, Normverbrauch: 3,8 l/100 km, CO2-Ausstoß: 99 g/km Effizienzklasse: A+, Testverbrauch: 4,5 Liter; Preis ab 22.260 Euro.

Kurzcharakteristik – Honda Civic Tourer 1.6 i-DTEC:
Warum: weil es mehr Kofferraum selten gibt
Warum nicht: weil der viele Raum speziell verpackt ist
Was sonst: Ford Focus Turnier, Opel Astra Sport Tourer, Toyota Auris Touring Sports, VW Golf Variant

Der Honda Civic Tourer sieht etwas schräg aus. Wer sich trotzdem hinter das Steuer traut, wird aber belohnt.

Fazit
Der Honda Civic Tourer sieht etwas schräg aus. Wer sich trotzdem hinter das Steuer traut, wird aber belohnt.
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2016-06-29

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