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Testbericht

Holger Holzer/SP-X, 7. September 2018

SP-X/Köln. Zehn Jahre hat der Tata Nano mit Ach und Krach überlebt. Nun endet die Produktion des „billigsten Autos der Welt“.

Statt den Start einer nie gesehenen Massenmobilisierung zu markieren, geriet der indische Kleinstwagen zum gigantischen Flop. Es wirkte wie eine geniale Idee: Anfang 2008 stellte der indische Autobauer Tata Motors auf der New Delhi Auto Expo ein Fahrzeug vor, das das Potenzial zum Weltrevolutionär zu haben schien: den Tata Nano. Gerade einmal drei Meter lang und umgerechnet keine 1.500 Euro teuer, aber sicher, trocken und viel komfortabler als die ansonsten in Indien genutzten Motorräder und Roller. Gerade deren Fahrer hatte der Chef des Mutterkonzerns, Ratan Tata, im Blick – für sie sollte der Kleinstwagen der Einstieg in die Welt des Autos sein und gleichzeitig den gesellschaftlichen Aufstieg markieren.

Auch hierzulande sorgte der Nano für Aufsehen. Auch, weil Tata zumindest den Eindruck erweckte, den Nano später auch nach Europa bringen zu wollen. In einer deutlich aufgewerteten Variante zu einem etwas höheren Preis zwar, aber immer noch um Welten billiger als alle hierzulande angebotenen Pkw. Gerade der Boulevard feierte das Billigmobil daraufhin als Beispiel für clevere Autobaukunst jenseits des teuren westlichen Perfektionismus. Unterschwellig verbunden mit der leicht hämischen Frage, warum VW und Co. vergleichbares nicht fertig brächten. Tatsächlich war das seinerzeit ein wunder Punkt bei den Wolfsburgern, die unbedingt ein Billigauto für Asien bauen wollten, aber nicht den passenden technischen Ansatz oder den richtigen Partner vor Ort fanden. Tatas Ansatz zur Kostensenkung war einer der radikalen Reduktion. Auf Komfortextras wie Klimaanlage und Servolenkung wurde verzichtet, große Teile des Fahrzeugs wurden aus geklebten Plastik- statt aus geschweißten Blechteilen gefertigt, Sicherheit war zweitrangig, Airbags und ABS nicht zu haben. Zudem fehlte in der Basisvariante die Kofferraumklappe, der Gepäckraum war nur über die umgeklappte Rücksitzbank erreichbar.

Und auch beim Antrieb herrschte Minimalismus: Ein 0,62 Liter kleiner Zweizylinder mit 28 kW/38 PS benötigte volle 30 Sekunden, den Kleinstwagen auf Tempo 100 zu beschleunigen. Trotz der Vorschusslorbeeren und des weltweiten Hypes stand die Markteinführung des Nano unter keinem guten Stern. Zuerst kam es zu heftigen Protesten von Farmern und Politikern gegen das geplante Nano-Werk in Westbengalen, so dass Tata die Fertigung schließlich nach Guajarat, ans andere Ende des Subkontinents, verlegen musste. Dann stimmte zwar bei Verkaufsstart der angekündigte Preis. Allerdings nur, weil Tata kräftig draufzahlte. „Ein Versprechen ist ein Versprechen“, kommentierte das der Konzern-Patriarch damals. Der wohl schwerste Schlag für das kleine Auto waren jedoch die Qualitätsprobleme, die im Herbst 2009, kurz nach Marktstart, auftraten. Offenbar war die Elektrik fehlerhaft, so dass es bei zahlreichen Autos zu verschmorten Plastikteilen und starker Rauchentwicklung kam. Möglicherweise sind einige Fahrzeuge auch ganz ausgebrannt. Öffentlich bestätigt hat Tata das jedoch nie.

Dass das Minimobil auch in Crashtests nicht unbedingt glänzte, half gleichsam wenig bei der Kundensuche. Anlaufschwierigkeiten hin oder her: Der eigentliche Kern des Scheiterns liegt aber wohl tiefer - in der Grundidee. Denn die stolzen aufstrebenden Autokäufer Indiens wollten gar kein Billigauto. Wer sich einen Wagen leistet, will auf dem Subkontinent – so wie hierzulande in der Regel auch – seinen sozialen Status präsentieren und seine finanziellen Möglichkeiten zeigen. Ein Niedrigpreis-Pkw wie der Nano macht aber nicht einmal den ärmlichsten Nachbarn neidisch. Auch Konzernlenker Ratan Tata hat mittlerweile erklärt, die Bewerbung als „billigstes Auto“ sei wohl ein Fehler gewesen. Der Nano verkaufte sich in Indien von Anfang an schleppend. In zehn Jahren wurden gerade einmal 300.000 Fahrzeuge verkauft – so viele, wie es eigentlich in einem Jahr hätten sein sollen.

Zuletzt sind nur noch gut 200 Autos pro Monat gebaut worden, im Juni war es nur noch ein einziger. Für den Konzern ist das einstige Lieblingskind längst zum Verlustbringer geworden. Gebaut wird er nur noch aus emotionalen Gründen, wie Tata-Motors-Präsident Cyrus Mistry unlängst gegenüber der „Economic Times India“ eingestand. Die zwischenzeitlichen Versuche, den Nano wieder auf die Siegesstraße zu bringen, scheiterten. Komfortextras wie Klimaanlage und Servolenkung kamen erst, als der Kleine schon als Flop verschrien war, der Relaunch als GenX Nano  mit Automatik und stärkerem Motor verpuffte im Jahr 2015. Und dem Plan, den Nano zum Billig-Elektroauto für Firmenflotten umzuwidmen, traute man offenbar selbst so wenig, dass er nie umgesetzt wurde. Für Tata Motors war der Nano-Flop durchaus schmerzhaft. Das Scheitern der Pläne gilt unter Analysten als einer der Gründe für die bis heute anhaltende Schieflage des Unternehmens, dessen Autoproduktion sich in den vergangenen sieben Jahren fast halbiert hat. Durch das Produktionsende des Nano fehlt der Marke nun auch noch der Titel des billigsten Autos weltweit.Ein Auto für den Preis eines guten Motorrollers: Vor zehn Jahren trat der Tata Nano an, den Pkw-Kauf für jedermann erschwinglich zu machen. Nun ist der Versuch endgültig gescheitert.

Fazit

Ein Auto für den Preis eines guten Motorrollers: Vor zehn Jahren trat der Tata Nano an, den Pkw-Kauf für jedermann erschwinglich zu machen. Nun ist der Versuch endgültig gescheitert.

Testwertung
2.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2018-09-07

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