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Testbericht

Stefan Grundhoff, 15. Februar 2016
Gepanzerte Fahrzeuge gibt es weit mehr als man denken mag. Den meisten sieht man ihre Panzerung jedoch nicht an. Mindestens genauso wichtig wie die schwer gepanzerten Limousinen ist das richtige Bordpersonal.

Fahrinstruktor Michael Steinmichel spricht kurze präzise Anweisungen in das blechern klingende Funkgerät. Es ist kalt und es schneit leicht in Saalfelden. "Gegenlenken, stärker, stärker - nein, das hat nicht gereicht." Die Schleuderplatte offenbart die Fehler des Piloten ohne jeden Schleier. Doch heute sitzen keine gewöhnlichen Fahrer am Steuer und die Autos sind keine normalen Alltagsmodelle wie VW Golf, BMW 3er oder Mazda 6. Das erfahrene Duo aus Michael Steinmichel und Michael Weykopf zeigt Personenschützern und Chauffeuren von Konzernen im Tiroler Schnee heute, wie man ein Schutzfahrzeug richtig im Grenzbereich bewegt. Denn der schwarze Mercedes sieht auf den ersten und zweiten Blick nur aus wie eine ganz normale S-Klasse. "Technisch ist der S 600 Guard ein völlig anderes Auto", erklärt Markus Nast, bei Daimler für die Vermarktung von gepanzerten Fahrzeugen aller Art zuständig, "dieses Modell mit der Schutzstufe VR9 wiegt über vier Tonnen. Geschützt durch eine geheime Mischung aus Stahl, Aramid und Kevlar."

Durch die zumindest von außen kaum erkennbaren Panzerungen verdoppelt die über 600 PS starke Mercedes S-Klasse, mit der sich gewöhnlich Staatsoberhäupter, Könige und Spitzen von Großkonzernen zu ihren Terminen bringen lassen, ihr Normalgewicht von zwei Tonnen. Zudem rollt der Panzerkoloss auf Spezialreifen aus dem Hause Michelin, die den Mercedes S 600 Guard auch manövrierfähig bleiben lassen, wenn die Reifen zerstört sind. Ein spezieller Gummiring sorgt dafür, dass der Pax-Reifen auf der Felge bleibt. "Die Nachfrage nach gepanzerten Fahrzeugen nimmt immer weiter zu", erzählt Markus Nast, "wer bei uns eine schwer gepanzerten S-Klasse kauft, bekommt ein entsprechendes Fahrertraining dazu." Allemal sinnvoll, denn wer selbst einmal eine Panzerlimousine gefahren ist, wird merken, dass eine Verdoppelung des Gewichts und die nennenswerte Verlagerung des Schwerpunkts das Fahren im Grenzbereich nicht leichter macht. Ganz davon zu schweigen sind die zentimeterdicken Panzerscheiben, die eine Tür mehr als 160 Kilogramm schwer werden lassen. Die zahllosen Schichten aus Glas und Folien verzerren das Bild - das merken die heutigen Fahrschüler nicht erst beim Ausweichmanöver.

Die meisten Fahrschüler machen das Fahrtraining bei Michael Weykopf nicht zum ersten Mal. "Das können Leute von der Polizei, dem BKA oder Konsulaten sein", erzählt Weykopf, der seit den frühen 70er Jahren als Fahrtrainer unterwegs ist und seit 13 Jahren mit Panzertrainings durch die Welt reist. Gerade erst hat er in der Inneren Mongolei chinesischen Sportwagenfans das driften auf Eis und Schnee nähergebracht - rund sechs Wochen. "Die Trainings mit den Panzermodellen sind natürlich etwas anderes", unterstreicht er und macht dabei einen ernsten Blick, "nahezu alles dreht sich um das hohe Gewicht. Natürlich gibt es auch Verteidigungstrainings, wenn solche Fahrzeuge angegriffen werden. Doch erst einmal müssen die Fahrer lernen, mit diesen Autos umzugehen. Das ist schwierig genug." Er spricht von gewaltigen Unterschieden, die Fahrer und Personenschützer mitbringen: "Manche kommen immer wieder und wissen sehr genau wie man ein solches Fahrzeuge sicher und schnell bewegt. Doch das ist nicht bei allen so." Er plaudert aus dem Trainingsgeschäft von im Fahrzeug einfach herumliegenden Waffen und Armeen von Mobiltelefonen, die im Falle eines Falles durch die Limousine fliegen können.

Bei der nächsten Übung geht es auf einen vereisten Rundkurs. ESP aus - gute Laune an - die tonnenschweren Kolosse werden zum grazilen Eiswalzer gebeten. Das Heck mit dem Gasstoß leicht auskeilen lassen und dann mit einer gekonnten Symbiose aus Lenkgefühl und Gasfuß halten. Das klappt bei vielen auf Anhieb besser als mit einem normalen Auto, weil die Schwerpanzer deutlich träger sind. Als sich die erste dunkle Limousine in einen Schneehaufen verabschiedet, zeigen sich jedoch auch die Tücken von vier Tonnen Gewicht, Eis und 600 PS. Leichte Übungen gibt es hier nicht. Immer wieder drehen die Fahrschüler ihre Runden und als es zum Mittagessen geht, pustet der oder andere erst einmal durch.

Mercedes kommt ebenso wie die anderen Hersteller von Panzerfahrzeugen mit der Produktion von tonnenschweren Limousinen und Geländewagen kaum nach. Bei den unzähligen Nachpanzerfirmen sieht es kaum anders aus. Die zahllosen Gefahrenherde in den Krisenregionen lassen die Nachfrage immer weiter ansteigen. "Die Waffentechnologie entwickelt sich immer weiter", sagt Markus Nast, verantwortlich für den Vertrieb der Panzerfahrzeuge im Hause Daimler, "daher haben wir nachgelegt und bieten mit dem S 600 Maybach Guard nun erstmals die Schutzklasse VR10 an." Diese höchste zivile Beschussklasse schützt die gefährdeten Insassen bis zum Kaliber 7,62 x 54 mm mit Stahlmantel. Die bisherige Topklasse VR9 schützt Angela Merkel, Vladimir Putin oder die europäischen Königshäuser vor dem unwesentlich kleineren Geschoss 7,62x 51 mm. Doch der kleine Unterschied, den zu Beispiel das Dragunov Scharfschützengewehr macht, kann einen das eigene Leben kosten.

"Bevor ein Panzerfahrzeug das so wichtige Sicherheitszertifikat vom Beschussamt Ulm bekomme, wird bis zu 500 Mal beschossen", erklärt Markus Nast, "zwei Autos werden bei den Prüfungen komplett zerstört." Kein günstiges Vergnügen, kostet die neue Hochsicherheitslimousine Mercedes S 600 Maybach Guard der Schutzklasse VR10 doch mindestens 560.000 Euro. Doch so hoch gesichert die Schwerpanzer auch sind - als festes Ziel steigt das Risiko für Leib und Leben. "Daher geht es darum, immer in Bewegung zu bleiben", sagt Fahrinstruktor Michael Steinbichel, ""es geht um die ersten drei oder vier Minuten und das Auto aus der Gefahrenzone zu bringen." Deutlich gestiegen ist die Gefahr durch Bombenangriffe. "Von der Entwicklung ist das nicht einfach. Für den Beschuss mit einem Gewehr braucht man harte Materialien für die Panzerungen", unterstreicht Mercedes-Mann Nast, "für die Bomben braucht man jedoch hochflexible Materialien." Selbst für Gasangriffe sind Schwerpanzer entsprechend vorbereitet. Unter dem Kofferraumboden befindet sich eine eigene Luftversorgung, die die Insassen autark von der Außenwelt sein lässt. Und die kleine versteckte Schalterbatterie im Becherhalter hat viel mehr zu bieten, als eine Gegensprechanlage, lauten Alarm und Bedienungen für die oftmals versteckten Flasher. Einige Fahrzeuge sind mit Details wie Störsendern und Funkanlagen ausgestattet. Alles im Dienste der Sicherheit.

Quelle: Autoplenum, 2016-02-15

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