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Testbericht

Stefan Grundhoff, 18. April 2016
David Bernado hat seinen Kreativjob im Silicon Valley aufgegeben und verpflanzt seit ein paar Jahren Elektromotoren in historische Käfer- und Bullymodelle. Klassik-Puristen mögen die Nasen rümpfen, doch die Nachfrage wird immer größer.

Der grauhaarige David Bernado liebt große Auftritte. Mit einem weiß-mintgrünen VW Bully kommt er lässig um die Ecke gefahren und winkt aus dem Seitenfenster heraus. In dem schicken Ocean Ranch Businesspark von Oceanside nördlich von San Diego scheinen die Gartenanlagen mit der Kantenschere getrimmt und die Blumen strahlen mit der Sonne um die Wette. Doch irgendetwas fehlt; irgendetwas mag nicht in dieses automobile Idyll passen. Als David vorbeifährt und sich einen Parkplatz sucht, fällt die weit geöffnete Motorraumklappe am Heck des 60er-Jahre-Bullys auf. Statt des erwarteten Boxermotors glänzt hier ein Elektrotriebwerk mit der Aufschrift Zelectric Motors. Erst jetzt fällt auf, was beim bühnenreifen Auftritt fehlte: der knatternde Motorenklang des Bullys.

David Bernado hat seinen Job als Kreativ Direktor ein paar hundert Kilometer weiter nördlich im Silicon Valley hingeschmissen, weil er an eine wirre Idee glaubte. Historische Volkswagen-Modelle, die in Kalifornien seit Jahrzehnten Kultcharakter haben, wollte er mit modernen Elektromotoren ausrüsten. "Hauptsächlich modifizieren wir seither Boxermodelle der Baujahre 1958 bis 1967. Die Technik dieser Modelle ist denkbar einfach. Boxermotor raus - Elektromotor rein. Vorne zwölf Akkus, 25 unter die Rückbank und dann noch die neue Bordelektrik. Das ist es schon", erzählt David Bernado locker. Wenn alle Teile vorhanden sind, dauert der Umbau zwei bis drei Wochen. Als der Kalifornier, der sich selbstbewusst als Retrofuturist bezeichnet, vor ein paar Jahren erstmals Freunden und Bekannten seine Idee präsentierte, schauten viele irritiert. Doch mittlerweile wächst das Interesse, das Geschäft läuft bestens und David Bernado macht seinem Cheftechniker Matthew Hauber täglich mehr Druck, damit die nächsten Modelle aus der Halle surren. "Viele fahren hier im Süden Kaliforniens ein Tesla Model S oder einen Toyota Prius. Der BMW i3 ist den meisten schlicht zu hässlich", wird David Bernando auf einmal ernster, "doch es geht uns nicht darum, ein Ökoauto zu machen. Ich mag Muscle Cars oder träume von einem Mercedes SL 65 AMG mit seinem V12-Motor. Wir wollen einfach etwas kreieren, das anders ist. Dafür sind ein Bully oder ein Käfer mit Elektromotor genau das richtige. Unsere Fahrzeuge sind in erster Linie ein Ausdruck von Individualität. Mit öko hat das nichts zu tun."

Wer statt Knattergeräusch des Boxermotors flüsterleise durch die USA zuckeln will, muss bei der Automanufaktur Zelectric rund 50.000 Dollar auf den Beratungstresen legen und zudem noch das entsprechende Fahrzeug mitbringen. Umgebaut wird alles, was einen Boxermotor im Heck hat - bevorzugt aber die Volkswagen-Modelle der späten 50er und 60er Jahre. In der Werkstatthalle ist Chefschrauber Matthew Hauber gerade dabei, einen gelben VW Kübel umzubauen. "Es ist nicht einfach, den VW 181 auf Elektro umzurüsten", stöhnt Hauber mit dem Lötkolben in der rechten Hand, "die Batterien kommen nach vorne. Doch die gesamte Verkabelung ist das Problem. Nirgendwo gibt es bei dem Cabrio ausreichend Platz." Gleich nebenan wartet ein Porsche 914 darauf, ebenfalls den finalen Stromstoß zu bekommen. Das Kennzeichen "EVSmile" gibt weithin sichtbar darüber Aufschluss, dass hier längst kein Verbrenner mehr schnattert.

"In den nächsten Tagen bringt einer unserer Kunden seinen Porsche 911 S von 1973 vorbei", so Bernado, "der bekommt ebenfalls einen Elektromotor." Mehr als das Triebwerk und die Achsen werden beim Zelectric-Umbau nicht angetastet. Bremsen, Lenkung und Handschaltung bleiben vom Original erhalten. Nebenaggregate wie Servolenkung oder eine Klimaanlage haben die alten VW- und Porsche-Fahrzeuge sowieso nicht. Im Innenraum zeigen sich die umgebauten Elektromobile im historischen Originalzustand. Einzig ein kleines LCD-Display informiert über den Ladestand der Batterie. Mit sportlichen Fahrleistungen ist es nach der Implantation von Zelectric jedoch vorbei. Beim Umbau wird ein Standard-Elektromotor im Heck der ehemaligen Boxermodelle verbaut, das gerade einmal 65 Kilowatt - knapp 90 PS - leistet. Das 22 kWh-Akkupaket ermöglicht 80 Meilen Spitzentempo und eine Reichweite von 80 bis 100 Meilen. Danach geht es wieder an die hauseigene Steckdose, wo sich das Retromobil in zähen 13 Stunden wieder genügend Energie holt.

Derzeit produziert Zelectric in überschaubaren Dimensionen - zwischen acht und zwölf Autos pro Jahr. Doch die Ideen von David Bernado gehen längst weiter: "Man muss sich hier den Automarkt nur anschauen. Überall gibt es Pick Ups und insbesondere Lastwagen, die täglich nur kurze Strecken fahren. Da passt so ein Elektromotor doch perfekt. Wir bereiten gerade mit den Hafenbehörden in San Diego und Los Angeles etwas vor. Mal schauen, ob das klappt." Er ist eben doch das, was auf seiner Visitenkarte steht: ein Retrofuturist.

Quelle: Autoplenum, 2016-04-18

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