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Testbericht

Benjamin Bessinger/SP-X, 12. Oktober 2012

Vor dem geistigen Auge laufen schwarz-weiße Episoden von „Den „Tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“, unweigerlich sucht man nach dem Tower, die lange Gerade da vorne könnte auch eine Startbahn sein, und eigentlich müsste jetzt ein freundlicher Mechaniker nach vorne laufen, und einen riesigen hölzernen Propeller anwerfen. Doch das Kino im Kopf spielt den falschen Film. Wir sind nicht auf einem Flugplatz und haben keinen Termin mit dem Roten Baron. Wir stehen vielmehr mitten in Hamburg und sind bereit zur Testfahrt mit einem Morgan Threewheeler, der zu den skurrilsten Neuwagen auf Deutschlands Straßen zählt.

Den Gedankensprung zur historischen Luftfahrt beflügelt der rustikale Brite natürlich nicht von ungefähr. Man fühlt sich tatsächlich wie ein Kampfpilot, wenn man sich in die schmale Aluröhre zwängt, die nur mit Mühe Platz für zwei Personen bietet. Statt einer Tür gibt es lediglich einen tieferen Ausschnitt in der Brüstung, statt Scheiben zwei ebenso winzige wie nutzlose Windabweiser und wie ein einer alter Jagdbomber hat auch der Morgan seinen Motor vorn. Selbst das Starten hat etwas vom Fliegen, auch wenn natürlich der Propeller fehlt. Denn der Anlasser sitzt unter einer Klappe im Cockpit.

Wenn man diesen Schalter drückt, ertönt ein gemütliches Tuckern, das verdächtig nach Harley Davidson klingt. Kein Wunder: Der zwei Liter große V2-Motor, den der Morgan stolz vor sich her trägt wie eine Oktoberfest-Bedienung die Maßkrüge, kommt ja auch aus Milwaukee und wird von Harley für Morgan gebaut. Jetzt noch irgendwie die viel zu großen Füße im viel zu engen Tunnel über den viel zu kleinen Pedalen sortieren, das vom Mazda MX-5 entlehnte Getriebe in den ersten Gang knüppeln und tapfer Gas geben – dann beginnt eine Fahrt, die ihres gleichen sucht.

Denn als Dreirad mit zwei frei liegenden Speichenrädern vorn und einem fetten, mit einem Riemen angetriebenen Reifen hinten wuselt der Threewheeler durch die Stadt wie ein Flieger durch die Luft. Zwar hat man am Steuer anfangs bei jeder Kurve Angst vorm Umfallen. Doch der Wagen hält sich tapfer aufrecht und macht nicht im Geringsten einen instabilen Eindruck. Im Gegenteil: Schlank, leicht und ungeheuer flach, geht er so flink um die Ecken, dass man mit jeder Kurve mehr Mut fasst und es noch ein bisschen schneller probiert – selbst wenn sich jenseits von Tempo 50 die Mücken im Gesicht anfühlen wie verirrte Schrotkugeln.

Auf dem Papier ist der Threewheeler ziemlich schwachbrüstig, und im Autoquartett würde er unter den Sportwagen keinen Stich machen. Denn für die  82 PS des Harley-Motors haben ernsthafte Schnellfahrer nur ein Lachen übrig. Doch bleibt ihnen das beim Blick auf das Gewicht im Halse stecken: Weil der Morgan kaum mehr als 500 Kilo auf die Waage bringt, hat der V2-Motor mit ihm nämlich verdammt leichtes Spiel. Wenn aus dem ruhigen Tuckern ein wütendes Kreischen wird und aus den beiden armdicken, frei verlegten Endrohren am liebsten Flammen schlagen würden, fährt man beim Ampelspurt so manchem Sportwagen locker davon. Nicht umsonst schafft es der Threewheeler in 6 Sekunden von 0 auf 100 und fährt in der Theorie sogar knapp 200 Sachen – nur auszuprobieren hat sich das bislang angeblich noch niemand getraut.

Warum auch? Wirklich Spaß macht der Neuwagen mit der Oldtimer-Technik in der Stadt und auf der Landstraße, nicht auf der Autobahn oder der Rennstrecke. Denn dort fährt im jeder bessere Golf davon. Aber in der Stadt ist der schrille Engländer unschlagbar und in der Publikumswertung haben andere Autos ohnehin keine Chance: Wo man mit dem Threewheeler auch auftaucht, stehen selbst Ferrari-Fahrer plötzlich im Abseits.

Natürlich ist der nostalgische Zweisitzer kaum mehr als ein eiliger Exot für reiche Raser. Doch in der Frühzeit der Massenmobilisierung sah das anders aus: Weil die Dreiräder von der Steuer begünstigt waren, hat allein Morgan davon zwischen 1909 und 1953 über 30.000 Exemplare gebaut.

Ganz so viele werden es wohl diesmal nicht werden. Zumal Morgan ursprünglich nur ein luxuriöses Spielzeug für Kinder geplant hatte, das als Tretauto zum 100. Geburtstag aufgelegt wurde. Doch die Reaktionen waren derart positiv, dass es den Threewheeler seit ein, zwei Jahren auch mit Motor gibt. Allerdings kostet der Wagen mindestens 40.900 Euro. Verdammt viel für ein Auto, in dem man kaum Sitzen kann, permanent Fliegen im Gesicht hat und bei Regen sofort pitschnass ist. „Schon möglich“, räumt Lutz Leberfinder ein, der in Hamburg einen der wenigen deutschen Morgan-Vertriebsstationen betreibt. „Doch man kann es auch anders sehen. Das ist verdammt billig für ein Auto, das jedem Lamborghini die Schau stiehlt.“

Nein, der erste Eindruck täuscht: Der Morgan Threewheeler ist keine Seifenkiste, die ein paar technikbegabte Jungs ein bisschen zu weit aufgerüstet haben. Was da in Handarbeit in England gebaut wird und so ganz langsam auch die kontinentaleuropäischen Straßen bevölkert, ist vielleicht das rustikalste Cabrio und zugleich der wahnwitzigste Sportwagen unserer Zeit – selbst wenn das Gefährt eigentlich von gestern ist.

Fazit
Nein, der erste Eindruck täuscht: Der Morgan Threewheeler ist keine Seifenkiste, die ein paar technikbegabte Jungs ein bisschen zu weit aufgerüstet haben. Was da in Handarbeit in England gebaut wird und so ganz langsam auch die kontinentaleuropäischen Straßen bevölkert, ist vielleicht das rustikalste Cabrio und zugleich der wahnwitzigste Sportwagen unserer Zeit – selbst wenn das Gefährt eigentlich von gestern ist.

Quelle: Autoplenum, 2012-10-12

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