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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 24. September 2015
Martin Winterkorn hat bei Volkswagen vieles richtig gemacht und auch manches falsch. Er führte den Konzern mit eiserner Hand und machte ihn so zu einem Global Player. Allerdings war in diesem Zentralismus der Keim für das Scheitern des Konzernlenkers gelegt.

Der letzte Akt war 141 Wörter lang. In wenigen kurzen Zeilen übernahm der mittlerweile 68jährige Martin Winterkorn die Verantwortung für den Dieselmotor-Betrug und zugleich seinen Hut. Dass der allmächtige Konzernchef nach dem Ausmaß des "Dieselgate" und den immer noch nicht abzusehenden verheerenden Folgen für den VW-Konzern nicht mehr weitermachen konnte, war klar. Der Aktienkurs rutschte ins Bodenlose, Milliarden wurden verbrannt, die UNO bezeichnete die VW-Abgasaffäre als "äußerst beunruhigend" und zum Schluss nahm auch noch die New Yorker Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf.

Denn, das ist auch klar, letztendlich ist Martin Winterkorn verantwortlich für das Agieren seiner Mitarbeiter und wenn elf Millionen Autos manipuliert werden, ist das wohl kaum ohne das Placet der Konzernspitze möglich. Martin Winterkorn beharrt darauf nichts von dem Betrug gewusst zu haben. So lange nicht das Gegenteil bewiesen ist, besteht kein Grund an seinen Worten zu zweifeln. Dennoch gingen alle wichtigen Entscheidungen über "Wikos" Schreibtisch. Allerdings war es für den Herrscher über zwölf Marken zunehmend schwer, sein Riesenreich alleine zu regieren. Doch Winterkorn kümmerte sich um viele Details und verzettelte sich bisweilen darin. Ein Top-Manager erzählte einmal, wie Winterkorn ihn zu sich zitierte und sagte: "Dieses Problem habt ihr immer noch nicht gelöst." "Chef, Sie haben recht", war die Antwort. Denn der promovierte Metallkundler war ein Auto-Fachmann ersten Grades. Seine Mitarbeiter wussten dies und hatten einen riesigen Respekt vor dem Know how des Konzernoberen.

Winterkorn war ein echter Car-Guy, der es sich nicht nehmen ließ, auf Messen die Autos der Konkurrenz selbst unter die Lupe zu nehmen und wenn nötig mit dem Lack-Messgerät die Qualität der Farbe nachzuprüfen. Legendär ist sein Auftritt bei der IAA 2011, als er am Steuer eines Hyundai i30 trocken anmerkte. "Da scheppert nichts" und im selben Atemzug seine Entourage fragte: "Warum kriegen wir das nicht hin?". Bei dieser Frage dürfte einigen der anwesenden Top-Manager das Herz in die Hose gerutscht sein. Denn für den temperamentvollen Schwaben waren Fehler unverzeihlich. Und wer nicht in sein perfektionistisches Autobauer-Bild passte, hatte es schwer. Die Temperamentsausbrüche des Konzernlenkers sind legendär. Sobald Winterkorn das Gesicht verzog, wurden die Mitarbeiter nervös. Einmal musste der Chef beim GTI-Treffen am Wörthersee auf den Gewinner eines Golfs GTI warten. "Oh, warten, das mag er gar nicht", entfuhr es einem hochrangigen VW-Mann.

Der ehemalige VW-Designer Murat Günak war das erste Opfer der harten Wiko-Linie. Als Winterkorn im Januar 2007 von Audi kommend zum neuen VW-Chef befördert wurde, sah er sich die Design-Entwürfe des neuen Golf VI an und entschied kurzerhand: "so nicht". Und das, obwohl der Wagen im Grund schon fertig war. Winterkorns neuer Chef-Designer Walter de Silva gab dem wichtigsten Auto des VW-Konzern innerhalb eines halben Jahres ein neues Aussehen. Der Golf VI knüpfte an die Erfolge der Vorgänger an und Murat Günak mutierte zum automobilen Nebendarsteller, ehe er das Unternehmen verließ.

Von da an war die Richtung klar. Nämlich die, die der glühende Fußball- und FC-Bayern-Fan Martin Winterkorn zusammen mit seinem Führungszirkel vorgab. "Wiko" bestimmte und die Vasallen sollten tunlichst gehorchen, wenn ihnen ihr Job lieb war. Alle wichtigen Entscheidungen wurden in Wolfsburg und in Salzburg gefällt. Das Sagen hatten Winterkorn und sein Vorgänger und Mentor Ferdinand Piëch. Zum engen Kreis gehörte auch noch Konzern-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg, der vor zwei Jahren zurück nach Ingolstadt entsandt wurde, um bei Audi aufzuräumen. Denn unter dem neuen Audi-Entwicklungschef Wolfgang Dürheimer lief es nicht rund. Vor allem die Weiterentwicklung des wichtigen Modularen Längsbaukasten (MLB Evo) hakte es. Also schickte Martin Winterkorn seinen besten Mann und den Produktions-Experten Hubert Waltl nach Bayern, um die Premium-Tochter wieder auf Kurs zu bringen.

Der geschasste Dürheimer wurde wieder Bentley-Chef. Denn Winterkorn schätze vor allem eines: automobile Fachkompetenz und wenn einer sein Vertrauen gewonnen hatte, stärkte Winterkorn ihm den Rücken. Viele seiner Entscheidungen waren richtig und haben VW den Aufstieg zu einem der größten weltweiten Autobauer erst ermöglicht. Die Detailversessenheit und der hohe Qualitätsanspruch brachten dem niedersächsischen Autobauer viele Kunden ein. Winterkorn hatte den Mut neue Modelle anzustoßen, um Segmente zu beherrschen. Dabei musste der VW nicht als erstes Auto auf dem Markt sein, sondern das Beste. Allerdings versäumten es die Wolfsburger auch, rechtzeitig die richtigen Modelle - unter anderem größere SUVs - auf den amerikanischen Markt zu bringen. Das Resultat war ein empfindlicher Rückgang der Verkäufe. Winterkorn und seinen Getreuen die alleinige Schuld für diese Fehleinschätzung zu geben, greift zu kurz. Denn die Gemengelage bei VW ist komplex: die Arbeitnehmer und das Land Niedersachsen sprechen ein gewichtiges Wort mit. Einfach die Produktion eines neuen Modells über den Atlantik zu verlagern, ist es nicht. Schließlich geht es auch um deutsche Arbeitsplätze.

Der Mahner und Patriarch Ferdinand Piëch erkannte die schlechte Marktentwicklung in den USA und in China. Zum Schluss war Piëch mit seinem Ziehsohn Martin Winterkorn nicht mehr zufrieden und ging öffentlich auf Distanz. Das muss einen, wie Winterkorn, für den Loyalität über alles geht, hart getroffen haben. Schließlich haben er und Ferdinand Piëch gemeinsam die härteste Schlacht in der VW-Geschichte geschlagen und gewonnen. Als Porsche den großen Bruder übernehmen wollte, wehrte das Duo den Handstreich aus Zuffenhausen ab und übernahm im Gegenzug selbst den Sportwagen-Hersteller. Auch den Kampf gegen den Über-Vater Piëch gewann Winterkorn unlängst. Dass er den Dieselgate-Skandal nicht unbeschadet überstehen würde, war klar, als das Ausmaß der Manipulation deutlich wurde. Selbst wenn Martin Winterkorn beteuert, nichts von dem Großbetrug gewusst zu haben, ist er verantwortlich. Der Rücktritt, zu dem ihn der Aufsichtsrat drängte, war die logische Folge, um weiteren Schaden vom VW-Konzern abzuwenden - wenn dies nach den Betrügereien überhaupt noch möglich sein sollte. Bei aller Autoexpertise und Detailverliebtheit hat Martin Winterkorn eines vergessen: einen oder mehrere Thronfolger aufzubauen. Das könnte sich jetzt rächen.

Quelle: Autoplenum, 2015-09-24

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