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Testbericht

Stefan Grundhoff, 11. Dezember 2016
Auf dem Pariser Autosalon machte die Konkurrenz große Augen vor dem Blitz. Opel stellte an der Seine sein Elektroauto Ampera-e mit einer Reichweite von 500 Kilometern vor. Wir sind zumindest schon einmal mitgefahren.

Volkswagen und BMW lobten auf dem Pariser Autosalon verlängerte Reichweiten von jeweils 300 Kilometern für E-Golf und i3 aus und auch bei Nissan und Renault gerieten die avisierten 250 bzw. 400 Kilometer elektrischer Reichweite für Leaf und Zoe zur Nebensache. Derweil hatte Opel-CEO Karl-Thomas Neumann in der französischen Hauptstadt seinen großen Auftritt und ließ sich für den allemal gefälligen Opel Ampera-e mit seinen 500 Kilometern bis zum nächsten Tankstopp feiern. Im späten Frühjahr 2017 kommt der Zwillingsbruder des Chevrolet Bolt zu den europäischen Händlern. An seiner Produktionsstätte Orion, eine halbe Stunde nordwestlich von Detroit, konnte wir uns auf dem Beifahrersitz einen ersten Überblick verschaffen.

Nein, ans Steuer geht es erst einmal noch nicht. Die GM-Verantwortlichen bestehen auf ihre Salamitaktik und so geht es erst im kommenden Jahr hinter das Steuer. Heute wird nur die Beifahrertür geöffnet. Der blaue Opel Ampera-e ist eines von sechs Modellen, die in dieser Woche mit dem Schiff Richtung Europa aufbrechen. Vorher gibt es auf dem Testgelände von Warren zumindest ein paar hundert Meter Schnupperkurs, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen. Zunächst einmal präsentiert sich der 4,17 Meter lange Opel Ampera-e so gefällig, wie er im hellen Bühnenlicht auf dem Pariser Autosalon erstrahlte. Keine Designverfehlungen wie die dünnen Reifchen des BMW i3 oder eine verschrobene Türkonstruktion im Fond, sondern ein ganz normales Auto, dem man seinen Elektroantrieb nicht einmal auf den zweiten Blick ansieht.

Der Innenraum ist gefällig und das Platzangebot ist vorne wie hinten überaus erfreulich. Verstellmöglichkeiten und Seitenhalt der Sitze könnten jedoch etwas größer sein und die Hartplastikoberflächen an Armaturenbrett und Türverkleidungen sind Zeugnis der engen Verwandtschaft zu Chevrolet Bolt, der abgesehen von ein paar Designdetails ein paar hundert Meter weiter identisch ebenfalls produziert wird. "Vom gleichen Band laufen die beiden Hybriden Chevrolet Sonic, Sonic Stufenheck sowie die Elektroautos Chevy Bolt und Opel Ampera", erklärt Werksleiter Jim Quick, "im Einschichtbetrieb haben wir derzeit einen Output von 45 Fahrzeugen pro Stunde. Doch wir sind anpassungsfähig und können jederzeit hochfahren - bis zu drei Schichten." Die Erwartungen an die beiden neuen Elektromodelle Bolt und Ampera sind jen- und diesseits des Atlantiks groß. Um den Standort fit für die Fertigung der batteriebetriebenen Modelle Ampera-e und Bolt EV zu machen, investierte General Motors 160 Millionen US-Dollar in das Werk.

Auf dem groß angelegten Firmenareal geht es munter los. Ein Tritt aufs Gas und der 1,5 Tonnen schwere Opel Ampera stürmt hungrig und lautlos von dannen. Kalte Temperaturen, Streusalz auf den Straßen und 360 Nm maximales Drehmoment, das aus dem Stand zur Verfügung steht, sorgen für durchdrehende Pneus. Die 150 kW / 204 PS zerren ordentlich hörbar am Lenkrad des Fronttrieblers, der munter nach vorne zischt. 0 auf Tempo 50 schafft der Deutsch-Amerikaner in 3,2 Sekunden. Das reicht für einen stimmungsvollen Ampelstart in der City und auch die 0 auf Tempo 100 in kaum mehr als sieben Sekunden sehen alles andere als langweilig aus. Elektronisch wird die Höchstgeschwindigkeit bei 150 km/h abgeregelt. Imposanter liest sich der Zwischenspurt 80 auf 120 km/h in 4,5 Sekunden.

Hier auf dem Firmengelände des Orion-Werkes sind keine 120 km/h drin und doch zeigt der Fünfsitzer immer wieder aus niederen Tempi heraus seine Dynamik. Durch das Akkupaket im Unterboden zwischen den beiden Achsen ist der Schwerpunkt niedrig. Wird es bei engen Keren sehr flott, machen sich der hohe Aufbau und die schmale Spurweite bemerkbar. Auf dem großen Multifunktionsbildschirm lassen sich nicht nur Navigationsgerät, Soundsystem oder die Sitzheizung bedienen, sondern auch der Energiefluss ablesen. Eine nahezu identische Anzeige gibt es hinter dem Lenkrad - ebenfalls komplett animiert und gut abzulesen. Von der Batterie ist im Innern nichts zu sehen. Das rund 460 Kilogramm schwere Akkupaket ist komplett im Unterboden versteckt. Die 288 Lithium-Ionenzellen liefert LG Chem ins Werk nach Michigan, wo es einer automobilen Hochzeit gleich mit der Karosserie vermählt wird. Auch dem Kofferraum ist das üppige 60-kWh-Akkupaket des Ampera nicht anzusehen. Er schluckt konkurrenzfähige 381 Liter - mehr als ausreichend für ein Auto der 4,20-Meter-Klasse.

Das Akkupaket soll im Idealfall für bis zu 500 Kilometer ohne Nachtanken reichen. Dem kommt man im Fahrmodus "L" am nächsten, mit dem sich der Ampera-e nahezu komplett mit dem Gaspedal fahren lässt. Geht der Fuß vom Gas, wird stark rekuperiert, sodass der Elektro-Blitz innerhalb weniger Meter zum Stehen kommt; insbesondere wenn man mit den Lenkradpedalen manuell noch weiter verzögert. Die Fußbremse ist dann nahezu arbeitslos und muss nur betätigt werden, wenn eine starke Bremsung vonnöten ist. An das aktive Fahren mit dem Gaspedal gewöhnt man sich schnell. Wer sein Elektroauto eher wie mit einer Getriebeautomatik rollen lassen möchte, wählt die Fahrstufe "D". Dann fährt der Opel Ampera so, wie man es von anderen Autos kennt. Wenn der Fünftürer seine Akkuleistung doch einmal verliert, lässt er sich an der Steckdose entsprechend aufladen. An einer der spärlichen 50-kW-Gleichstromschnellladestationen genügen 30 Minuten für die nächsten 150 Kilometer.

Pamela Fletcher, Chefingenieurin des Opel Ampera-e: "Ich durfte unseren Elektro-Revolutionär über einige Monate hinweg testen. Im Alltagsbetrieb werden kaum mehr als eine oder zwei Ladungen pro Woche fällig." Genauso wie an den Gleichstrom-Schnellladestationen kann das 60 kWh-Batteriepaket auch zuhause an die Wallbox mit 4,6 kW gekoppelt werden. Darüber hinaus lässt sich der Ampera-e an öffentlichen Wechselstrom-Stationen in ganz Europa aufladen. Mit dem Einphasen-Onboard-Ladegerät fließen dort entweder 3,6 kW oder 7,2 kW. Über den genauen Preis für den Ampera-e schweigt sich Opel noch aus. Der amerikanische Zwilling Chevrolet Bolt EV kostet in der Basisversion mindestens 37.475 US-Dollar. Das Topmodell LT mit Ledersitzen, LED-Leuchten, Soundsystem und weiteren Annehmlichkeiten startet bei 41.780 US-Dollar. In Anbetracht, dass der BMW i3 mit seinem 94-kWh-Akku mindestens 36.000 Euro und der Renault Zoe Z.E. 40 rund 33.000 Euro kostet, ist davon auszugehen, dass der Opel Ampera-e zumindest bei deutlich unter 35.000 Euro beginnen wird.
Testwertung
4.0 von 5

Quelle: Autoplenum, 2016-12-11

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