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Testbericht

Stefan Grundhoff, 10. Juni 2010
Begehrt ist die R-Klasse allenfalls in China. Dabei ist das ungeliebte Kind im Stuttgarter Portfolio eines der komplettesten Mercedes-Modelle.

Einen echten Flop im Mercedes-Programm muss man seit dem pseudo- familiären Vaneo mit der Lupe suchen. Allein die R-Klasse blieb seit ihrer Markteinführung vor fünf Jahren weit hinter den Erwartungen zurück. Dabei kam der Crossover im Jahre 2005 an sich zur rechten Zeit. Die Automobilwelt schrie nach einer Mischung aus Geländewagen, SUV und Edelkombi. So wurde die R-Klasse über Nacht zum Segmentbegründer, einem neuen Modell, das Platz im Überfluss, luxuriöse Ausstattungen und einen Allradantrieb bot. Doch nicht nur in Europa, sondern auch in den USA rümpften die meisten potentiellen Kunden die Nase. In Europa waren die schickeren SUV-Geländegänger ML und GL für viele Interessenten die bessere Alternative; andere träumten sich in das geräumige T-Modell der E-Klasse. In den USA herrschte das gleiche Bild. Da der Kombi im amerikanischen Programm fehlte, kauften die Kunden aus Überzeugung Mercedes ML und GL; machten jedoch einen Bogen um die R-Klasse.

Vielleicht war es auch der Name, der dem Luxus-Crossover das Leben schwer machte. Ein Vorgängermodell gab es nicht, SUV und Geländewagen waren noch jung und so fehlten die Bezugspunkte für eine Fahrzeugklasse, die es zumindest in Europa seinerzeit nicht gab. „Unter dem Strich wurden seit 2005 weltweit 100.000 Fahrzeuge abgesetzt“, räumt Dr. Alfons Hirrhammer, Projektleiter der neuen Mercedes R-Klasse ein. Doch beerdigen möchte das R-Klasse-Projekt im Hause Mercedes-Benz niemand – zumindest zunächst nicht. Eine gründliche Modellpflege soll neue Kunden bringen und das bisherige Klientel zum Umstieg auf das überarbeitete Fahrzeug bewegen. Zukünftig soll die R-Klasse, die seit dem Verkaufsstart wohl besser die Bezeichnung GLT hätte tragen sollen, nicht nur den Händlern in China ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Dr. Alfons Hirrhammer: „Mittlerweile wird hier jede dritte R-Klasse abgesetzt. Der Wagen ist hier bevorzugt eine Chauffeurlimousine als Alternative zur S-Klasse.“ In den USA ist die R-Klasse selbst mit langem Radstand ein reiner Zweitwagen für die Frau, während in Deutschland bevorzugt Selbstständige von den Qualitäten des Crossovers ohne Offroad-Ambitionen überzeugt sind.

An sich kann man Mercedes kaum einen Vorwurf machen. Gut, die Bezeichnung R-Klasse half vielleicht nicht und das organisch gezeichnete Fahrzeuggesicht mit den traurigen Scheinwerferaugen war ebenfalls kein Verkaufsturbo. Ein Grund, weshalb die Modellpflege besonders von vorn deutlicher umfangreicher als vergleichbare Instandsetzungsmaßnahmen ausfiel. Das Gesicht der R-Klasse mit großen Leuchten trägt nun den aktuellen Mercedes-Look. Doch Xenonlicht und LED-Module sind nur optional zu bekommen. Von Kleinigkeiten an Heck und im Innenraum abgesehen blieb das meiste jedoch beim Alten. Kein Wunder, denn die R- Klasse war schon immer ein gutes und variables Auto, bei dem jedoch das rechte Image fehlte. Es gibt die verkappte Kombiversion der elitären S- Klasse mit langem und kurzem Radstand, Heck- und Allradantrieb sowie verschiedene Sitzkonfigurationen, bei denen sonst allenfalls ein Van oder ein VW T5 mithalten kann.

Schon lange warten viele Mercedes-Fahrer auf einen neuen Sechszylinder-Diesel. Das bekannte Dreiliter-Commonrail-Triebwerk mit drei Litern Hubraum ist gut, wurde jedoch von Herstellern wie BMW, Jaguar oder Audi mittlerweile überholt. Bis ein neuer Selbstzünder mit sechs Brennkammern kommt, wurde der ehemalige Commonrail-Diesel des R 320 CDI nachgeschärft. Hinter der Bezeichnung R 350 CDI verbirgt sich der gleiche Basismotor, jedoch gab es eine Leistungssteigerung von 224 auf 265 PS und einen deutlichen Drehmomentanstieg von 510 auf 620 Nm. Alles in allem ist der rund 2,2 Tonnen schwere Allradler mit dem 195 KW / 265 PS starken Diesel souverän motorisiert. Der Motor gerade im unteren Drehzahlbereich akustisch allzu präsent und kraftvoll, wenngleich der Fahrer nie das Gefühl hat, nunmehr 40 PS mehr unter der steil abfallenden Motorhaube zu haben. Wem weniger reicht, der gibt sich mit dem R 300 CDI zufrieden, der 140 KW / 190 PS leistet. Ebenso wie der R 300 Benziner ist auch der R 300 CDI mit Heckantrieb zu bekommen. Alle anderen Modelle, so auch der in Europa wenig beachtete Achtzylinder mit 5,5 Litern Hubraum und 388 PS verfügen serienmäßig über Allradantrieb.

Kauftipp ist jedoch der Mercedes R 350 CDI 4matic als 5,16-Meter- Langversion, die den Spurt 0 auf 100 km/h in 7,6 Sekunden absolviert und eine Höchstgeschwindigkeit von 235 km/h erreicht. Dabei soll sich die Mischung auf Luxuslimousine und Van durchschnittlich mit 8,5 Litern Diesel auf 100 Kilometern zufrieden geben. Produziert wird die R-Klasse unverändert im Mercedes-Werk in Tuscaloosa / Alabama. „Hier nimmt die R-Klasse im Vergleich zu den Volumenmodellen der ML- und GL-Klasse einen Produktionsanteil von gut zehn Prozent ein“, erläutert Dr. Alfons Hirrhammer. Insgesamt laufen in Alabama pro Jahr 200.000 Fahrzeuge vom Band.

Die große Stärke der neuen R-Klasse ist jedoch nicht der aufgefrischte Dreiliter-Diesel, sondern nach wie vor Platzangebot und Variabilität. So ist der R 350 CDI 4matic ebenso wie seine Brüder mit bis zu sieben Einzelsitzen ausgestattet. Besonders komfortabel ist die Stuhlkonfiguration 2+2, wobei ein üppig dimensionierter Kofferraum mit 633 Litern die Urlaubsfahrt ebenso zum Vergnügen werden lässt, wie belederte Komfortsessel vorne und hinten sowie DVD-Entertainment und eine getrennte Klimatisierung für die zweite Reihe. Das alles hat seinen Preis. Der Mercedes R 300 CDI mit kurzem Radstand kostet in Sparausstattung mindestens 50.932 Euro. Deutlich interessanter ist der R 350 CDI 4matic als Langversion ab 60.809 Euro.

Dünn ist bei allen Versionen die Basisausstattung, sodass für klassenübliche Annehmlichkeiten wie vollelektrische Ledersitze, Festplatten-Navigation, Xenonlicht, elektrische Heckklappe, Luftfederung und Einparkhilfe nochmals mindestens 10.000 Euro dazukommen. Auch nach der durchweg gelungenen Modellpflege wird es die Mercedes R-Klasse gerade in Europa weiterhin schwer haben. Die gefährlichste Konkurrenz sind nicht BMW 5er GT oder Audi Q7, sondern die hauseigene Konkurrenz von ML-Klasse und das E-Klasse T-Modell. Marktstart in Deutschland ist am 18. September.

Quelle: Autoplenum, 2010-06-10

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