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Testbericht

Stefan Grundhoff, 11. September 2014
So einen wie den Mercedes GL hätten viele Hersteller gerne im Angebot. Der große Bruder der M-Klasse ist nicht nur in den USA ein Erfolg. Grenzenloser Luxus für bis sieben Personen.

Land Rover bringt sein Aushängeschild Range Rover seit kurzem auch mit langem Radstand auf den Markt, BMW verkündete jüngst die Entwicklung des großen X7 und Cadillac legt sein Luxusmodell Escalade zum Jahreswechsel erstmals auch in Europa, während Audi-Fans vom Q9 träumen. Ebenfalls neu im Frühjahr 2015: der große Audi Q7. Während kompakte SUV und die Crossover-Mittelklasse längst in aller Munde sind, entwickelt sich auch die Oberklasse mehr und mehr zu einem Geländewagenmarkt. Mercedes erkannte den Trend zur schieren Größe bereits vor Jahren und hat seine GL-Klasse schmerzhaft für die Konkurrenz bereits in der zweiten Generation auf den wichtigsten Märkten etabliert. Da vielen Mercedes-Kunden die aktuelle M-Klasse mehr stelziger Kombi denn ein echter Gelände-SUV ist, erfreut sich der 5,12 Meter lange GL einer zunehmend großen Beliebtheit. Der Luxusallradler ist die ideale Mischung aus internationalem Straßenkreuzer, Geländewagen, Luxuslimousine und Familienmobil.

Die dieselgeneigten Kunden aus Europa haben derzeit jedoch keine Wahlmöglichkeiten. Denn wer sich keinen trinkfreudigen Benziner mit standesgemäßen 333 bis 557 PS in die Garage holen will, muss sich für den Mercedes GL 350 Bluetec entscheiden. Mit einer Leistung von 190 kW / 258 PS kein lahmer Esel, aber auch alles andere als ein schnelles Rennpferd. Schon angesichts des Leergewichts von fast 2,5 Tonnen würde man sich die Diesel-Alternativen wünschen, die einem Range Rover, Porsche, Audi oder BMW mit über 350 PS bieten. Einen bulligen Topdiesel vermisst man im Mercedes GL schon nach wenigen dynamischen Kilometern auf Landstraße oder Autobahn. Der Grund liegt auf der Hand: nachdem Mercedes den großen Achtzylinderdieseln 400 CDI und 420 CDI in allen Baureihen abgeschworen hat, wurde der alte Dreiliter-V6 immer nur behutsam weiterentwickelt.

Ein Doppelturbo ist baulich nicht zu realisieren und so warten viele Kunden von S-, M-, GL- und G-Klasse auf ein neues Dieseltriebwerk. Und keiner bräuchte dies mehr als der mächtige GL. Dabei ist es nicht so, als wäre der mindestens 73.661 Euro teure GL 350 Bluetec durchweg untermotorisiert. Doch gerade auf langen Strecken und mit entsprechender Besatzung von Mensch und Gepäck kommt der drei Liter große Commonrail-Diesel schnell an seine Grenzen. 258 PS und 620 Nm maximales Drehmoment zwischen 1.600 und 2.400 U/min sind derzeit allenfalls am unteren Ende der zweiten Liga. Die Beschleunigung 0 auf Tempo 100 in knapp acht Sekunden interessiert in der Elefantenliga weit weniger als das souveräne Cruisen bei höheren Tempi. Hier tut sich der Koloss aus Tuscaloosa ab Tempo 150 zunehmend schwer, ehe er sich bis an seine Höchstgeschwindigkeit von 220 km/h herantastet. Dampf und kraftvoller Durchzug - da fehlt es dem GL.

Erfreulich zurückhaltend zeigt sich der Realverbrauch, denn es bereitet keine Mühe, das Schlachtschiff für bis zu sieben Personen mit neun bis elf Litern zu bewegen. Ihren Anteil daran hat die obligatorische Siebenstufenautomatik, die gerade bei Berg- und Talfahrten zwar einen nervösen Eindruck macht, sich jedoch gekonnt engagiert, die Gangwahl hoch und die Drehzahl möglichst niedrig zu halten. Immerhin: der Mercedes GL 350 Bluetec kann bis zu 3,5 Tonnen an die Haken nehmen und mutiert so zum idealen Zugpferd. Das Luftfederfahrwerk mit Doppelquerlenkern vorn und Mehrlenkerachse hinten ist entsprechend des Kundenkreises auf maximalen Komfort ausgelegt. Die leichtgängige Servolenkung gibt nur wenig Rückmeldung von der Fahrbahn und die gewaltigen Abmessungen sorgen für spürbare Wankbewegungen im flotten Galopp. Dafür ist der Reisekomfort in Kombination mit dem geringen Geräuschniveau und den schmeichelnden Materialien im Innenraum beeindruckend. Das gilt auch für den Laderaum, der 680 bis 2.300 Liter fasst.

So lang die Fahrt auch ist: den klimatisierten Fahrersitz mit dem entsprechenden Massageprogramm geimpft, Lieblingsmusik aus dem Mediaplayer und die nächsten 600 Kilometer werden zu einem wahren Vergnügen. 1.000 Kilometer ohne Tankstopp: Dank 100 Liter Volumen - durchaus machbar. Getränke werden auf Wunsch im Becherhalter erwärmt oder gekühlt während die Kilometer im Dutzendpaket nur so vorbeirauschen. Der exzellente Sitzkomfort der ersten Reihe fällt in Reihe zwei ab. Die Kopfstützen im Fond haben wenig Reisekomfort und eine Sitzklimatisierung wie bei der Konkurrenz sucht man hier vergeblich. Auch könnten die Sitze besser konturiert sein, denn auch in einem Mercedes GL sitzen nicht obligatorisch drei Personen in Reihe zwei. Auf Knopfdruck klappt der äußere Sitz nach vorn, um einen Einstieg in die Reihe drei zu ermöglichen. Aufstellen muss man den Fondsitz jedoch mechanisch - nicht nur für klein gewachsene Personen alles andere als komfortabel. Immerhin öffnet und schließt die Heckklappe serienmäßig auf Knopfdruck. Den mächtigen SUV auch auf kleinem Raum sauber rangieren können? Dank Kameras rundum kein Problem.

Das größte Manko beim Mercedes GL 350 Bluetec ist die schwache Serienausstattung. In dieser Liga sollten Navigationssystem, Xenon- oder LED-Scheinwerfer sowie Lederausstattung und das komplette Sicherheitspaket längst ohne Aufpreis an Bord sein. Doch der Basis-GL bietet nichts von alledem ohne einen tiefen Griff in die Geldbörse. So schraubt sich der Realpreis einer sinnvoll ausstaffierten GL selbst mit dem Basisdiesel 350 Bluetec spielend in Richtung 100.000 Euro und mehr.

Quelle: Autoplenum, 2014-09-11

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