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Testbericht

Patrick Broich/SP-X, 27. September 2018

SP-X/Köln. Wenn sich Geschichte tatsächlich wiederholen sollte, müsste der Mercedes SL vielleicht bald wieder bei seinen Wurzeln ankommen mit wenig Gewicht auf den Rippen und Stoffverdeck. Als die Baureihe Mitte der Fünfzigerjahre startete, brachte Mercedes mit dem 300 SL einen für Normalverdiener und selbst gutbetuchte Kunden einen nahezu unerschwinglichen Supersportwagen auf den Markt, der einerseits irrwitzige 29.000 Mark bei Einführung kostete, mit rund 250 km/h Topspeed (je nach Übersetzung) allerdings auch ebenso irrwitzig schnell war und die Fahrleistungen zumindest der zeitgenössischen Straßen-Ferrari übertrumpfte. Die Modellbezeichnung SL soll für „Sport Leicht“ oder „Super Leicht“ stehen – zugegeben, davon ist beim aktuellen Modell nicht mehr viel übrig. Was die Modell-Typologie angeht, so müsste man den W113 (besser bekannt als Pagode) als Urvater des heutigen SL gelten lassen – dabei handelte es sich tatsächlich um einen leichten Roadster mit den Motoren der größeren Limousinen-Baureihen – ganz nach dem aktuellen Schema. Doch wir gehen hier und heute eine Epoche weiter, betrachten den R107, der immerhin fast zwei Jahrzehnte – nämlich von 1971 bis 1989 – für feste SL-Werte stand. Mit einer Außenlänge von 4,39 Metern war er jedenfalls kompakt genug, um als knackiger Roadster durchzugehen, wenn auch schon nicht mehr wirklich leicht. Man könnte unserem 87er 500 SL jetzt seine 1,6 Tonnen Leergewicht ankreiden und feststellen, dass er doch gar nicht sportlich sei. Doch wenn man erst einmal platzgenommen hat und den fünf Liter großen Achtender aus der zeitgenössischen S-Klasse anwirft, kommt das Grinsen automatisch. Vor dem Losfahren muss das Verdeck natürlich herunter. Während die Amis ihren gut situierten Cabrio-Kunden bereits in den Sechzigern nicht mehr zumuten wollten als Knöpfchen betätigen, muss beim R107 diesbezüglich selbst in den modernen Spätachtzigern noch ganze Arbeit geleistet werden: Verdeckkasten bitte händisch öffnen, dann die schwere Stoffkapuze nach dem Entriegeln am besten zu zweit zurücklegen, Kasten wieder schließen. Leicht bollernd legt der 500 SL los mit seiner obligatorischen Viergang-Wandlerautomatik, die fast noch so ruckfrei schaltet wie am ersten Tag. Das gut 30 Jahre alte Cabriolet mit der steil stehenden Frontscheibe lässt schon bei geringem Tempo ordentlich Frischluft in den Innenraum wirbeln. Ein Windschott ist abgelehnt, und die Seitenscheiben gehören im Sinne der schönen Cabrio-Linie natürlich hinter die Türverkleidungen. Ein bisschen Holzzierrat und das Kombiinstrument aus der gegen Ende der R107-Zeit bereits längst vergangenen S-Klasse der Baureihe W116 verströmen Luxusflair, in das sich allerdings die Gewöhnlichkeit à la W123 mischt. Bodenständig nobel eben. Der 500 SL macht Laune. Beschleunigt je nach Gasfuß lässig oder auch mal nachdrücklich, wenn man dem drehfreudigen Zweiventiler mit dem Werkscode M117 auf seine alten Tage auch mal Leistung abverlangt. Aber bitte nur bei Betriebstemperatur. Umstieg in den R231 der Neuzeit. Der aktuelle SL, das Cabrio mit dem elektrisch bedienbaren Metalldach, steht, wenn man so will, für die neue Ära dieser hochtraditionellen Baureihe. Sie begann mit dem 2001 eingeführten Vorgänger R230. Überbordend grazil schien seitdem out, zierlicher Wetterschutz aus Stoff sowieso. Jetzt musste ein festes Blechverdeck her, das dem Roadster Stabilität verleiht – alleine schon optisch. Geschlossen wird das Cabrio zum Gran Turismo, offen ist es immer noch ein schwerer Brocken, wenngleich es den Designern spätestens seit dem aktuellen Modell gelungen ist, die Heckpartie angenehm schlank aussehen zu lassen. Das ist bei so viel klappbarem Material, das da in den Kofferraum muss, eine anspruchsvolle Aufgabe. Mercedes hat sich verschlankt, in allen Belangen. Gab es die beiden SL-Baureihen R129 und R230 noch als zivile Zwölfzylinder, ist nun wieder bei acht Töpfen Schluss. Der bis dato immerhin verbliebene, sündhaft teure SL 65 AMG ist aus der jüngsten Preisliste verschwunden. Beim Hubraum des Fünfhunderters stehen die Fans großer Triebwerke indes noch auf der Gewinnerseite – hier schenken die Schwaben mit 4,7 Litern bislang üppig ein. Der moderne Kraftspender mit angeschlossener Neungang-Automatik startet heiser-grollend auf Knopfdruck und hinterlässt ein bassiges V8-Timbre selbst beim moderaten Beschleunigen. Die stabile Hülle fällt natürlich per E-Motor – los geht das Frischluftvergnügen. Man sitzt im Vergleich zur R107-Anmutung selbst offen entkoppelt von der Außenwelt, und die Sitze sind nicht einfach nur Sitze, nein, es sind mächtige Fauteuils, wie geschaffen für weite Reisen, vollgestopft mit Technik. In Erinnerung bleibt vor allem der „Airscarf“, der warme Luft in Richtung Nacken fächelt und dessen Raumbedarf für die Ventilatoren der Sitzdimension äußerlich anzusehen ist. Das ist recht witzig, aber wenn man bei kühler Außentemperatur die Heizung auf die stärkste Stufe bringt, wird es auch warm. Dank flacher Windschutzscheibe kommt es innen nicht mehr zum ganz großen Sturm, ob das Fluch oder Segen ist, mag jeder selbst entscheiden. Aber Halt, ein bisschen Sturm geht schon – wenn auch im Antriebsstrang. Bei der Performance spricht der Zeitgeist dann doch gegen den R107 und wieder für den R231. Der vom zierlichen Roadster zum verhältnismäßig großen (4,63 Meter Außenlänge) Tourer verwandelte SL tritt auf Gaspedalbefehl derartig ins Kreuz – die Extraportion Supersportwagen ist also im Grundpreis von 123.498 Euro inklusive. Kommod cruisen geht jedoch ebenfalls mit dem 455 PS-Boliden und seinem seidigen Antritt. Das hydropneumatische Hightech-Fahrwerk (3.510 Euro extra) unterstützt nach Kräften beim jeweils gewünschten Fahrstil. Wer bitte sagt, der SL sei ein Altherren-Fahrzeug? Mitnichten! Zugegeben, für einen puristischen Roadster mit starkem Antrieb ist er im Laufe der Zeit zu sehr in Richtung Gran Turismo mit zwei Sitzen abgedriftet. Aber mit einer peppigen Farbe beispielsweise wird er zum coolen und zugleich exklusiven fahrbaren Untersatz. Der 500 SL als R107 hat die Hingucker selbst in gedeckten Farben auf seiner Seite. Er ist der Typ Oldtimer, den viele Altblech-Fans in ihrer Garage sehen möchten. Einfach unverwüstlich, lässig und V8.Der Mercedes SL hat sich gewandelt – einst unerreichbarer Supersportler, dann leichter Roadster mit schwerem Motor, schließlich Allround-Gran Turismo mit Frischluftfaktor. Wo mag die Reise hingehen? Anhand von 500 SL der Baureihe R107 und einem aktuellen SL 500 begleiten wir zwei lange Stationen der ewigen Legende.

Fazit

Der Mercedes SL hat sich gewandelt – einst unerreichbarer Supersportler, dann leichter Roadster mit schwerem Motor, schließlich Allround-Gran Turismo mit Frischluftfaktor. Wo mag die Reise hingehen? Anhand von 500 SL der Baureihe R107 und einem aktuellen SL 500 begleiten wir zwei lange Stationen der ewigen Legende.

Testwertung
4.0 von 5

Quelle: Autoplenum, 2018-09-27

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