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Testbericht

16. April 2007
München, 16. April 2007 – Langsam schreite ich den riesigen Parkplatz ab, habe mein Ziel fest im Blick: Durch die Seitenscheiben irgendeines Kombis kann ich sie sehen, die Silhouette meines Mercedes CL 600. Ich freue mich diebisch auf alles, was mich erwartet. Auf die Präsenz, die Entspannung, die Unterhaltung. Aufmerksamkeit in allen Formen ist mir gewiss. In den Blick geloggt Ich bin eingestiegen. Eine Frau lässt die elegante Coupéform auf sich wirken, während ihr Mann die Einkäufe in einen Golf wuchtet. Als ich vorbei bin, schießt er auch noch schnell einen verstohlenen Blick Richtung meiner Karosse ab. So verläuft jede Fahrt. An der Kreuzung steht ein CLK 240 neben mir. Das in ihm enthaltene Rentner-Ehepaar starrt geradeaus. Manchmal zuckt der Kopf der Frau ein wenig zu mir rüber um sich dann hektisch zu ihrem Gatten zu wenden und ein paar Sätze rauszupressen. Ja, heute seid ihr mal die Armen auf der Straße. Aber ich bin längst abgelenkt. Die drei Meter große Triumph-Dessous-Blondine guckt mit offenem Gesicht von der Litfasssäule zu mir herüber, bereit zum Dialog. Soweit hatte ich sie noch nie. Dieser Wagen kleidet mich besser als jeder Anzug. Hinten für Schlangenmenschen Die wohlgeformte Kabine besteht aus Leder mit einer Beimischung von 10 Prozent Pappelholz. Alles ist sehr hell und wirkt dadurch geräumig. Das Coupé bietet zwar im Vergleich zu seiner Länge von über fünf Metern einen vergleichsweise kurzen Innenraum, aber selbst hinten haben auch Erwachsene noch Platz. Kompliziert wird es allerdings beim Ein- und Aussteigen. Trotz der riesigen Türen und der elektrisch nach vorne fahrenden Sitze sind hier Athletik, Übung und Geschick gefragt. Die Bewegungen, welche man beim Aussteigen aus dem Fond vollführen muss, passen in keinster Weise zur eleganten Form des Wagens. Der Vorteil der hinteren Plätze: Kaum sonst wo genießt man einen so tollen Blick durch die panoramamäßig großen Seitenscheiben. Die üppigen Holzapplikationen sind serienmäßig mit Glanzlack überzogen, was dem Naturstoff immer eine künstliche Anmutung gibt. Ohne Aufpreis bekommt man das Dekor auch in matt, was uns schon beim S 500 4Matic deutlich besser gefiel.

Innige Beziehung Der Sitz mag mich. Beim um die Kurven fahren klammert er mich ein, die kurvenäußere Sitzwange verhärtet sich stark und gibt so perfekten Halt. Das ist anfangs gewöhnungsbedürftig, macht aber schon nach kurzer Zeit richtig Spaß. Ich bin geneigt, mal um die Kurve zu fahren, nur um meinen Sitz wieder zu spüren. Aber das ist nicht nötig, schließlich kann ich zwischen vier verschiedenen Massagestufen wählen. Dies ist vor oder nach einem anstrengenden Tag eine echte Wohltat. Sitzheizung an, Lenkradheizung an, Massage an, und ich bin so was von entspannt. Das lebende Gestühl ist Serie. Hightech muss sein So ein Coupé hält den Stress draußen und holt den Spaß rein. Dies geschieht unter anderem durch jede Menge elektronisches Spielzeug. Zu erwähnen wäre da der Abstands-Tempomat, der die Geschwindigkeit meines Autos der des vorhergehenden Verkehrs anpasst. Dabei kann ich die Distanz zwischen mir und dem Vordermann per Drehregler einstellen. Gut, dass der Wagen noch nicht von selbst lenkt, dann müsste ich gar nichts mehr machen. Außerdem kann ich an Stelle des Tachos das Bild des Nachtsichtassistenten aufrufen. Dies geht nur nachts und nur bei eingeschaltetem Licht. Es ist wirklich verblüffend, wie viel besser man mit dem Assistenten sieht, aber dass ich dafür immer zwischen die Lenkradspeichen auf den Tacho gucken muss, ist störend. Und wenn ich nur auf den Bildschirm schaue, dann habe ich nach kurzer Zeit das Gefühl, ein Auto in einem Computerspiel zu steuern – für meinen Geschmack etwas zuviel Realitätsverlust.

Aktiver Typ Die Dämpfung des CL 600 lässt sich in zwei Stufen regeln. Die Stufe „Komfort“ sorgt für ein eher weiches Gefühl, die Einstellung „Sport“ legt naturgemäß eine etwas härtere Gangart an den Tag. Aber insgesamt kommt das Fahrwerk etwas härter daher, als man es von Mercedes gewöhnt ist. Mir gefällt dieser sportliche Touch, andere werden es nicht so mögen. Fakt ist, dass ein Bahnübergang auch in der Komfort-Stellung noch zu spüren ist. Aber Wanken und Nicken kommt dank des aktiven Fahrwerks kaum vor, sehr beachtlich bei so einem schweren Wagen. Dabei werden die Lenkbewegungen des großen Steuerrades präzise umgesetzt. Im Falle eines Bremseingriffs schnüren die Zangen die vorne und hinten innen belüfteten Scheiben unerbittlich ein und bringen den Wagen zum Stehen, als wäre er ein Fliegengewicht. Der Durchmesser der vorderen Scheiben: 36 Zentimeter. Zwölf Berliner Spaßmacher Was hat der CL 600 nun unter seiner nicht enden wollenden Haube? Noch eine Haube. Ja, die Abdeckung des Zwölf-Zylinder-Motors ist fast so groß, wie bei kleineren Autos der gesamte Frontdeckel. Kann diese optisch beeindruckende Größe auch in Bewegung überzeugen? Ich bummle mich mit 60 km/h aus der Stadt, bis die Straße endlich zur Autobahn wird. Ich trete voll aufs Gas. Der Blitz schlägt ein. Ich lande ganz tief im Sitz und habe das Gefühl, dass der Vortrieb einfach nicht enden will. BMW X5, Audi A8 und wer sonst noch bis vor ein paar Sekunden meine Mitstreiter im Stadtverkehr waren, sind längst mit dem Grau des Horizonts hinter mir verschmolzen. Ohne es zu merken, habe ich 250 km/h erreicht. Daten folgen Taten Die mir jetzt jederzeit zur Verfügung stehende Gewalt kommt vom V12-Aggregat, welches in Berlin hergestellt wird. 517 PS und, noch viel besser, ein Drehmoment von 830 Newtonmetern hämmern mir das Lächeln fest ins Gesicht. Das besonders Coole an dem Motor: Die 5.513 Kubikzentimeter Hubraum werden nicht für ein nervöses Hochdrehzahlkonzept verbraten. Das Drehmoment liegt bereits ab 1.900 Umdrehungen an. Dies tut der Dreiventiler auch nach außen kund: Unendlich ruhig und souverän verbreitet er seinen Schall. Wird der Gashahn freigegeben, klingt das ein wenig so, als würde man einen Eimer Nadeln in eine Blechschüssel kippen. Die niedertourige Kraftentfaltung ist extrem beruhigend, wie Wellen, die an einen Strand schwappen. Das komplette Gegenteil zum noch mehr auf Sport getrimmten CL63 AMG, der ausdrücklich nach hohen Drehzahlen verlangt. Ich kann nicht warten bis der Motor hochdreht, ich will alles, sofort.

Bisse ins Gewissen? 16,3 Liter Super Plus. Die Menge teuren Sprits grast mein edles Gefährt auf 100 Kilometern von der Spritwiese. 340 Gramm Kohlendioxid werden pro Kilometer aus dem urzeitlichen Brennstoff freigesetzt. Ist der CL 600 jetzt ein unhygienischer Klimafolterer? Schwere Frage. Solange jede Woche in Indien und China Kohlekraftwerke ohne Filter ans Netz gehen und in Indonesien der Regenwald brandgerodet wird, um Palmölplantagen für Biosprit Platz zu machen, könnte man die CO2-Disskussion hierzulande als überflüssig abtun. Aber braucht man soviel Kraft? Klare Antwort: Jein. Die Zahl der CL 600 auf unseren Straßen wird sich in Grenzen halten, und wer sich die Fähigkeit bewahrt hat zu genießen, wird gerne von dieser verbotsumwehten Frucht kosten. Umweltmäßig sinnvoll ist diese Art sich fortzubewegen nicht. Auch hier geht es, wie so oft, um eine ganz persönliche Gewichtung. Fünf Gänge reichen Während sich CL 500 und CL 63 AMG von der siebengängigen 7G-Tronic beschalten lassen, kümmert sich beim CL 600 eine auf dem Papier angestaubt wirkende Fünfgang-Automatik um die Krafteinteilung. Mercedes sagt dazu, dass das enorme Drehmoment derart für Zug sorgt, dass jeder Gang mehr Verschwendung wäre. Und Mercedes hat Recht. Seidig weich fließen die Stufen dahin, kein Verschlucken, kein Suchen nach dem richtigen Gang, keinerlei Rucken am Berg: Die Automatik mit fünf Gängen passt perfekt zum Triebwerk. Ich vermisse hier keine Siebengang-Schaltung.
Technische Daten
Antrieb:Heckantrieb
Anzahl Gänge:5
Getriebe:Automatik
Motor Bauart:V-Motor
Hubraum:5.513
Anzahl Ventile:3
Anzahl Zylinder:12
Leistung:380 kW (517 PS) bei UPM
Drehmoment:830 Nm bei 1.900 - 3.500 UPM
Preis
Neupreis: 153.510 € (Stand: April 2007)
Fazit
Während andere in ihren dröhnenden Autos schwitzen und bei 200 km/h angestrengt ihre Konzentration aufreiben, herrscht im CL 600 entspannte Souveränität. Alles säuselt vor sich hin, das Äußere ist wirklich schön und der V12-Sticker auf der Mittelkonsole verheißt Gutes. Das Triebwerk bleibt ganz cool, bis der Startbefehl erteilt wird. Dann schlägt es mit unverminderter Härte zu, was mich immer wieder zum unvernünftigen Gasgeben animiert.

Unvernünftig? Quatsch, der CL 600 ist dafür gemacht, denjenigen Spaß zu bringen, die es sich leisten können. Das sind wiederum jene Leute, denen es wichtig ist, das ein Auto schön teuer ist. So geht der Grundpreis von 153.510 Euro gerade noch in Ordnung. Es könnten eigentlich ruhig noch ein paar 10.000 Euro mehr sein.
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: auto-news, 2007-04-16

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