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Testbericht

Marcel Sommer, 25. Juli 2013
Eine Fahrt im fast 30 Jahre alten Ford RS200 gleicht dem Ritt auf der Kanonenkugel. Allerdings bietet die Kugel mehr Platz.

Der mit seinen Glupschaugen so niedlich ausschauende und sowohl seine Heck- als auch seine Fronthaube weit öffnende Ford RS200 wird bei einem Dreh am Zündschluss zur Bestie. 90 Dezibel dröhnen und röcheln aus dem Heck des genau vier Meter kurzen Sportlers. Dass er schon fast 30 Jahre auf dem Buckel hat, ist ihm kaum anzusehen. Lediglich ein Blick ins Innere offenbart ein wenig die bis dato verstrichene Zeit. Hier überwiegen Plastik und grauer Teppich. Wer genau hinschaut erkennt zudem Bauteile aus einer anderen Baureihe. So stammen die Türen und die Windschutzscheibe vom Sierra. Die knallroten Schalensitze und das ähnlich bunte Lenkrad sind passgenau für den RS200 angefertigt worden. Wer es einmal geschafft hat sich in diese rote Kombination zu quetschen, der erfährt am eigenen Leib, dass die Menschen innerhalb der letzten 30 Jahre ganz schön gewachsen sind - oder die nächste Diät ist fällig.

Trotz aufkommender Hitzewallungen in mitten des 1,76 Meter breiten und 1,32 Meter hohen Exoten, ist eine lange Hose angebracht. Ansonsten könnte es zu starken Verbrennungen an den Oberseiten der Oberschenkel kommen, die bei jeder noch so kleinen Richtungsänderung mit der belederten Oberfläche des Lenkrads in Kontakt kommen. Der Gedanke den 1.315 Kilogramm leichten Ford gleich mit den Knien zu lenken kommt zwar auf, doch ist dafür die Lenkung nicht direkt genug. Beim RS200 darf noch richtig gekurbelt werden. Den Wendekreis teilt er sich gefühlt mit dem eines Schwerlastzugs. Und fällt das Einparken schon schwer, ist auf Grund der mangelnden Sicht nach hinten an ein gefahrloses Ausparken kaum zu denken. Da hilft auch der kleine Spalt im völlig verschürzten und verspoilerten Heck nichts mehr.

Bevor der auf 200 Stück limitierte RS200 überhaupt vom Fleck kommt, müssen die schmal besohlten Füße die noch schmaleren Pedale in der richtigen Reihenfolge, und nicht alle auf einmal, treffen. Die Tatsache, dass das Gaspedal etwas locker nach vorn hängt und das Kupplungspedal innerhalb weniger Millimeter über den Erfolg oder Misserfolg eines Gangwechsels entscheiden, macht die Sache nicht einfacher. Der kleine Schalthebel auf dem schnell warm werdenden Mittelschacht weigert sich zudem in gefühlt über 90 Prozent der Fälle den Gangwechsel ohne Murren zu gewähren. Ist es geschafft, greift die Kraft von 280 Newtonmetern an allen vier Rädern an - der Ford RS200 ist ein Allradler.

Sind die ersten Meter zurückgelegt kann der 1,8 Liter große Vierzylinderbenzinmotor richtig geflutet werden. Der Zeiger des mittig platzierten Drehzahlmessers bewegt sich. Anfangs noch ruhig und bedächtig, nimmt er ab der Zwölf-Uhr-Stellung richtig Fahrt auf. Allerdings befindet sich beim Ford RS200 an dieser Stelle die fünf, denn das Drehzahlband endet erst bei 10.000 Umdrehungen pro Minute. Bei 7.000 stehen dem Fahrer alle 186 kW / 253 PS zur Verfügung. Das Ganze wird akustisch von einem Röhren, Zischen und einem regelmäßigen Zwitschern untermalt, welches vom Überdruck- beziehungsweise Pop-Off-Ventil stammt. Ganz egal woher es kommt, es hört sich nach Rennsport pur an. Tunnel oder jedwede Form von Unterführungen werden zwangsläufig zum erweiterten Resonanzkörper des eh schon laut klingenden Mittelmotors. Und das ist gut so. Gesteigert wird dieses Klangerlebnis durch vom Fahrer inszenierte Zwischengasstöße während der Schaltvorgänge. Die faszinierende Ausstrahlung des kleinen Kölners geht soweit, dass Jaguar-, Mercedes- und viele andere Autofahrer sich zu spontanem Beifallklatschen hinreißen lassen. Die Anzahl der plötzlich auftauchenden Smartphone-Linsen ist ebenfalls nicht ohne.

Um das sportliche Potenzial des Mitte der Achtziger Jahre für 92.500 DM angebotenen RS200 zu erfahren, müssen kurvenreiche Landstraßen herhalten. Zudem darf der Drehzahlmesser nicht unter die 5.000er-Marke fallen. Jetzt sind also regelmäßige Schaltvorgänge und glühende Oberschenkel angesagt. Das selbsttragende und verwindungssteife Monocoque-Chassis sorgt in Verbindung mit den insgesamt acht Feder-Dämpfelementen für einen ununterbrochen guten Straßenkontakt. Dabei fällt auf, dass trotzt des sportlich abgestimmten Fahrwerks zu keinem Zeitpunkt Unebenheiten übertrieben hart ans Rückgrat weitergegeben werden. Die Federung ist komfortabler als vermutet - die Gangwechsel leider nicht. So wird es dieses Mal auch nichts mit dem Erleben eines knapp über vier Sekunden andauernden Tempo 100-Sprints. Die Spitzengeschwindigkeit von 230 Kilometern pro Stunde wird an diesem schönen Tag auch lieber dem Fahrzeugschein als dem Tachoblatt entnommen. Macht aber gar nichts, denn bei nicht ganz so schnellen Geschwindigkeiten können die Fenster offen bleiben. Eine Klimaanlage gibt es nicht.

Warum es die nicht gibt, liegt in seiner Daseinsberechtigung begründet. Der RS200 sollte den Wiedereinstieg in den Rallye-Sport ermöglichen, daher RS. Für die Homologation musste Ford bis Februar 1986 mindestens 200 Exemplare bauen, daher die 200. Dass im Leben nicht immer alles so kommt, wie es geplant wird, erfuhr Ford gut ein Jahr später. Denn die Rennklasse Gruppe B mit bis zu 650 PS starken RS200-Versionen wurde abgeschafft. Es gab seitens der Fahrer und auch der Zuschauer einfach zu viele Todesopfer. Heute existieren noch geschätzte 140 Ford RS200 - weltweit. In Deutschland sollen es nur noch neun sein. Die teuersten Serienautos, die Ford jemals auf die Straße gelassen hat, sind heute in gutem Zustand zu Preisen ab 150.000 Euro erhältlich.

Quelle: Autoplenum, 2013-07-25

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