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Testbericht

Peter Eck/SP-X, 4. März 2018

Die haben schon Mut, die Koreaner. Bauen einen Gran Turismo, fahren damit einfach mal frech in die Domäne der deutschen Hersteller und machen dabei auch noch eine richtig gute Figur.

Der Stinger (dt. „Stachel“) ist ein echter Kracher geworden, hat wenig Schwächen und ziemlich viele Stärken – und die liegen nicht nur beim Preis und in der langen Garantie. Aber mal langsam, auch wenn das angesichts der Dynamik des Stinger schwerfällt. Der Koreaner sieht schon im Stand richtig gut aus, erinnert vor allem am Heck, aber auch vorne, ein wenig an einen Porsche (Panamera). Was ja per se nicht schlecht sein muss. Die vom deutschen Designer Peter Schreyer gezeichnete Linie überzeugt aber auch aus jeder anderen Perspektive, wer unbedingt etwas zu kritteln finden will, könnte die prominent platzierten „Kiemen“ an den Vordertüren etwas zu aufdringlich finden. Aber ach was, die passen irgendwie auch zum insgesamt sehr selbstbewussten Auftritt des Stinger.

Optik aus deutscher Hand
Dass die Koreaner dank Schreyer Design können, ist allerdings keine Überraschung. Eher schon, dass das viertürige Coupé auch fahrdynamisch überzeugt. Und auch hier ist ein Deutscher maßgeblich beteiligt. Albert Biermann ist trotz seines gemütlichen Namens ein Mann mit Sportsgeist, hat unter anderem mal für die M´s bei BMW gearbeitet und weiß daher, wie man einen Sportwagen zu bauen und abzustimmen hat. Nämlich so: Ein V6-Benziner, der aus 3,3 Litern Hubraum 272 kW/370 PS abgibt und sein maximales Drehmoment von 510 Newtonmetern im gesamten Alltags-Drehzahlbereich zwischen 1.300 und 4.500 Umdrehungen stets ungeschmälert zur Verfügung stellt. Dazu kommen eine exakte Lenkung, eine aufmerksame Achtgang-Automatik und ein Allradantrieb. Das hört sich gut an und fährt sich auch so.

Keine Abregeling bei 250 - einfach nur geil
Der von zwei Twin-Turboladern unterstützte Benziner legt los wie der Teufel und zieht gnadenlos über die acht Gänge durch. Da gibt es auch keine verschämte Abregelung bei 250 km/h, der Koreaner läuft einfach weiter bis 270. Kurven? Ja, immer gerne. Mit den Schaltwippen kurz zwei Gänge runtergeknallt, der Stinger krallt sich in den Asphalt und bewältigt auch engste Radien so souverän, dass es eine wahre Freude ist. Wo da eigentlich noch den Unterschied sagen wir zu einem Audi S5 Sportback findet? Ja, wo eigentlich? Vielleicht beim Verbrauch, denn derart viel Fahrspaß kostet im Alltag schon locker das Geld für 13 Liter Sprit - ja 100 Kilometer. Andererseits hat man ja beim Kauf vermutlich so um die 20.000 Euro gespart. Wir haben allerdings nicht nachgerechnet. Aber der Fünftürer kann ja auch kommoder und damit sparsamer.

Innen ist alles drin, was das Herz begehrt
Wurde schon erwähnt, dass bis auf Schiebedach und Metallic-Lack im fairen Grundpreis von 54.900 Euro wirklich alles an Ausstattung enthalten ist: Navi, Leder, Head-up-Display, 19-Zöller und auch verstellbare Dämpfer? Zudem bietet der Stinger durchaus viel Platz, hinten wird es für Erwachsene allerdings überm Kopf etwas eng und die Füße passen kaum unter die Vordersitze. Dafür passen über 400 Liter an Gepäck unter die Heckklappe, für die Urlaubsfahrt zu zweit können es nach Umlegen der Rücksitze sogar über 1.100 Liter sein.

Auch eine lange, stetige Fahrt im Stinger macht übrigens Spaß. Das liegt am liebevoll eingerichteten, penibel verarbeiteten Innenraum. Hier gibt es nichts zu meckern. Halt doch, der 8-Zoll-Touchscreen ist zwar schön hoch angebracht, aber nur durch Vorbeugen zu erreichen. Ist umständlich und kann gefährlich werden. Zudem sind vor allem im Dunklen und in der Dämmerung die eigentlich schönen, silbernen Tasten in der Mittelkonsole schlecht ablesbar. Ach ja und dann erlauben sich die Koreaner, be- und gerühmt für ihre großzügige 7-Jahres-Garantie (bis 150.000 km) am Ende doch noch einen Bock.

Ein Blick in die Unterlagen zeigt: Der Stinger muss einmal jährlich oder alle 10.000 Kilometer zum Ölwechsel. Wo gibt´s denn heute noch sowas? So ganz scheinen die Koreaner vielleicht den erwarteten (jungen?) Käufern des Stinger, genauer gesagt deren Umgang mit dem bildschönen Coupé nicht zu trauen.

Zu guter Letzt noch ein Hinweis: Ja, den Stinger gibt es auch mit zwei anderen Motorisierungen, einem 2,0-Liter-Benziner mit immerhin auch 188 kW/250 PS für knapp 44.000 Euro (kein Allrad) und einen 2,2-Liter-Diesel (147 kW/200 PS) mit oder ohne Allradantrieb (45.000/47.000 Euro). Aber wissen Sie was? Wenn es denn der Stinger werden soll, sind die rund 10.000 Euro extra in das Spitzenmodell gut investiertes Geld. Also noch mal mit dem Bankberater reden oder dem Haushaltsvorstand. Oder noch besser: Den einen, oder die andere gleich zu einer Probefahrt im Korea-Kracher einladen. Sie verstehen?

Kia Stinger – Technische Daten 

Fünftüriges, fünfsitziges Coupé
Länge: 4,83 Meter, Breite: 1,87 Meter, Höhe: 1,40 Meter
Radstand: 2,91 Meter
Kofferraumvolumen: 406 – 1.114 Liter

3,3-Liter-V6-Twinturbo-Benziner: 272 kW/370 PS, maximales Drehmoment: 510 Newtonmeter bei 1.300 - 4.500 U/min, Achtgang-Automatik, Allradantrieb, 0-100 km/h: 4,9 s, Vmax: 270 km/h, Normverbrauch: 10,6 Liter/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 244 g/km, Abgasnorm: Euro 6b, Emissionsklasse: F,

Testverbrauch: 12,8 Liter
Preis: ab 54.900 Euro (Grundpreis für Variante mit 2,0-Liter-Benzinmotor, 188 kW/255 PS: 43.990 Euro)

Kurzcharakteristik Kia Stinger

Warum: der heißeste Kia ever, toller Motor, komplette Ausstattung, super Preis
Warum nicht: nichts zum Angeben – ist halt „nur“ ein Kia
Was sonst: Audi S5 Sportback, Jaguar XE S, BMW Grand Coupé 440i X-Drive.

Fazit

Angesichts der Entwicklung von Marken wie Hyundai oder Kia in den letzten Jahren würde man meinen, die Koreaner könnten einen nicht mehr überraschen. Dachten wir auch. Bis der Stinger vor unserer Redaktionstüre auftauchte.

Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2018-03-04

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