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Testbericht

Sebastian Viehmann, 25. Februar 2009
Citroën zeigt wieder eine DS - Jahrzehnte nach dem Ende der legendären Modellreihe. Mit dem Original hat der Lifestyler leider wenig zu tun. Warum die Göttin so fasziniert – und jedes Retro-Mobil nur ein Abklatsch sein kann.

Als übernatürliches Wesen ist man manchmal ganz schön einsam. "Auf Oldtimer-Treffen fühlt sich meine Göttin nicht wohl", sagt Markus Zanner. Denn kein Auto hat sich so sehr das Prädikat "Zeitlos" verdient wie Citroëns DS. Zanners bordeauxrote Déesse altert nicht, allenfalls verändert sich die Welt um sie herum. Die weichen Polster ganz ohne Kopfstützen und der riesige Innenraum schaffen Salon-Atmosphäre. Das spindeldürre Volant ist nur über eine einzige Speiche mit der Lenksäule verbunden, die wie ein Arm nach dem Lenkradkranz greift. Rechts daneben ragt der Stock der Lenkradschaltung hervor. Die Knöpfe und Schalter erinnern an alte Küchengeräte, und unter dem Handschuhfach macht es sich ein Becker Monza Radio bequem.

Markus Zanner hebt seine Göttin ein wenig an, damit sie besser über den schneebedeckten Bordstein rollt. Die hydropneumatische Federung verändert in wenigen Sekunden den Charakter des Autos – vom eleganten tiefen Luxus-Gleiter zum hochbeinigen Stakser, dessen Bodenfreiheit manches SUV neidisch machen würde. 1962 rettet die Technik gar dem französischen Präsidenten Charles de Gaulle das Leben. Obwohl bei einem Attentat zwei Reifen zerschossen wurden, raste die Déesse unbeirrt weiter und brachte den Präsidenten nebst Gattin in Sicherheit. Eine göttliche Fügung sozusagen, dank säkulärer Technik. Vor ein paar Jahren war auch Markus Zanners DS Retterin in der Not: Dank Hydropneumatik konnte er einen festgefahrenen Audi 80 aus dem Straßengraben ziehen.

"Alles an diesem Auto funktioniert mechanisch und hydraulisch, ohne ein Heer von Elektromotoren zu benötigen", ist Zanner fasziniert. Etwa die Scheinwerfer, die sich in der Kurve mitdrehen. Manchmal springen die Seilzüge aus der Verankerung. Zanner verzeiht seiner Göttin diese Allüre, genau wie die manchmal bockige Elektrik oder die "erbärmliche" Heizung.

Dabei ist die DS-Technik, die schon beim ersten Modell von 1955 ihrer Zeit weit voraus war, zuverlässiger als oft behauptet wird. Sicher gibt es reparaturfreundlichere Motorräume als das Technik-Kompartement des 84 PS starken Vierzylinders unter der lang gestreckten DS-Haube, wo der Reservekanister LHM-Hydraulikflüssigkeit genauso wenig fehlen darf wie der Ersatzreifen. Und die Hydropneumatik bereitete den Mechanikern erst deutlich weniger Kopfzerbrechen, als Citroën der Göttin eine neue Hydraulikflüssigkeit gönnte. Aber wo steht geschrieben, dass Gottesdienst Spaß machen muss?

Von den alptraumhaften Zicken eines Citroën SM jedenfalls, dessen kapriziöse Technik mit Maserati-Motor selbst gestandene Mechaniker an den Rand des Wahnsinns trieb, ist die DS weit entfernt. Die Hydropneumatik bereite keine großen Probleme, sagt Markus Zanner: "Öl nachfüllen und ab und zu die Federkugeln checken, mehr ist eigentlich nicht nötig" ergänzt der Münchner, der Geschäftsführer eines wissenschaftlichen Instituts an der Technischen Universität München ist. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Zanners Göttin im Jahr 1967 vom Band lief. Nicht, dass das Alter eine Rolle spielen würde. Auch der derzeitige Marktwert interessiert Zanner nicht die Bohne. Gekauft hat er den Wagen 1991 für 8500 D-Mark, verkaufen würde er ihn nie. "Sie ist ein Familienmitglied geworden", sagt Zanner.

Sie wird nicht täglich bewegt, aber regelmäßig. Gern denkt Zanner an eine Tour durch die Bourgogne zurück, bei dem ihm zahllose Franzosen erzählten, "dass der Vater oder Großvater auch mal eine DS hatte". Zanners Göttin ist ein seltenes Zwischenmodell: Die Front mit den Doppelscheinwerfern hinter Glas zeigt den Modellwechsel vom September 1967, das Armaturenbrett stammt noch von der Vorgänger-DS. Als Zanner den Wagen Anfang der 90er kaufte, wollten eigentlich alle DS-Fans ein schwarzes oder silbernes Modell haben. Doch ihm gefiel das kräftige Bordeauxrot auf Anhieb.

Dass Citroën jetzt mit einer neuen Modellreihe aufgepeppter Kleinwagen à la Mini oder Alfa Mito den Namen DS wieder aufleben lässt, quittieren viele Fans mit einem ratlosen Achselzucken. Wie soll ein auf edel getrimmter City-Zwerg in die Fußstapfen der Luxus-Legende treten? "Das ist nur wieder eines dieser Retro-Autos", sagt Markus Zanner. Auch DS-Pilot Wolfgang Geisler, der eine schwarze Göttin sein Eigen nennt, kann dem Retro-Modell wenig abgewinnen. Das sei zwar "ein netter gut gestylter Wagen", doch mit der Göttin habe das nichts zu tun. "Eine neue DS müsste ein leiser und bequemer, außergewöhnlicher Luxusliner mit einer zeitlosen fließenden Form sein. Hätte man beim C6 etwas weiter gedacht, wäre man schon nahe dran gewesen", findet Geisler.

So dürfte die DS ihren Status als echte und einzige Göttin wohl auch in Zukunft behalten. Markus Zanner hat von NSU über Volvo bis zum Käfer schon viele Oldies besessen. „Doch bei der DS bleibt man hängen“ sagt er.

Quelle: Autoplenum, 2009-02-25

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