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Testbericht

Stefan Grundhoff, 22. April 2014
Nur eine Handvoll Autos sind ein wahres Zeugnis ihrer Zeit. Der Testarossa, unehelicher Nachfahre von Ferrari 365/4 und BB 512, zeigt noch heute auf, wie die Mittachtziger waren: wild und ungehemmt, neon und pastell, schamlos und spektakulär.

Richard von Weizsäcker wird Bundespräsident, Apple stellt seinen ersten Mac vor und in Los Angeles finden die spektakulärsten Olympischen Spiele aller Zeiten statt. Nicht nur im Land der unbegrenzten Möglichkeiten fahren die Reichen und Schönen bevorzugt Mercedes S-Klasse oder Porsche 911 und so recht fehlte der automobile Kick. Nicht nur die Investmentbanker verlangen nach einem neuen Spielzeug und Ferrari ist nach den Wirren der 70er Jahre wieder einmal auf der Suche nach sich selbst. Da kam eine automobile fliegende Untertasse wie der Ferrari Testarossa gerade Recht. Pininfarina hat die polarisierende Karosse des Testarossa kreiert, besser verbrochen. Denn eine Schönheit ist die Zukunftsflunder aus Maranello in seinen drei Bauphasen nie gewesen. So viel Designmut hatte zuvor allenfalls Erzfeind und Dauerrivale Lamborghini bewiesen. Bei Ferrari ging es normalerweise schlichter, ja dezenter, zu. Doch dieser Testarossa sollte eben gerade auch in den USA punkten, wo Aerobic, Schulterpolster und Neonfarben das Straßenbild bestimmten. Da war eine Lamellenorgie als Unabhängigkeitserklärung auf vier Rädern genau das Richtige.

So spektakulär der 84er-Testarossa der Generation I optisch auch war, so überschaubar waren dessen technische Innovationen. "Er basiert auf dem Vorgänger Ferrari BB 512i bzw. sogar noch auf dem alten 365/4", erläutert Michael Kunz, Historien- und Werkstattmeister bei Ferrari Eberlein in Kassel, "technisch gab es an dem Testarossa an sich wirklich nicht viel außergewöhnliches". Die achtziger hatten gerade begonnen und da machte die Optik die Musik. Nicht nur eingefleischten Ferraristi fielen beim visuellen Erstkontakt mit dem Norditaliener die abgetönten Gläser aus der Sonnenbrille. Modern ja, aber so hatte man sich den Prunkstück der automobilen Pferdekoppel nun doch nicht vorgestellt. Bis heute rümpfen viele Ferrari-Anhänger beim Namen und noch mehr beim Anblick des galoppierenden Testarossa-Hengstes die Nase.

Da überrascht es nicht weiter, dass es für den 1984 erstmals vorgestellten Testarossa bis zum Ende seiner Produktion im Jahre 1994 in zehn Jahren zwei gründliche Überarbeitungen gab. Testarossa hieß nur das Urmodell mit dem besonders lieblosen Interieur und dem einzeln aus der A-Säule herausragenden Spiegel auf der Fahrerseite. Seine beiden Nachfolger firmierten unter den Bezeichnungen 512 TR und 512 M, der mit seinen rundlichen Designelementen an Front und Heck kaum mehr viel mit dem 200.000 D-Mark teuren Urmodell gemein hatte. "Heute starten Fahrzeuge aus der ersten Generation in mäßigem Zustand bei 60.000 Euro. Drunter gibt es nichts", erklärt Michael Kunz, "ein TR kostet mindestens 80.000 und ein 512 M über 100.000 Euro - mindestens."

Allen drei Generationen gegeben war der gewaltige Vortrieb. Der Testarossa gab seinem Piloten mit 291 kW / 390 PS schon im Verkaufsraum das sicherere Gefühl, kaum überholt werden zu können. Auf der Straße sah das kaum anders aus. Denn jeder noch so kleine Druck auf das ungünstig zu weit rechts positionierte Gaspedal wurde mit bissigem Meterfresser beantwortet. Dabei hält sich Klang für einen fünf Liter großen Zwölfzylinder vergleichsweise deutlich zurück. Der Testarossa hat in jedem Drehzahlbereich echten Dampf und der lässt in den oberen Gängen mit entsprechend üppiger Drehzahl kaum nach. Doch 0 auf Tempo 100 in kaum mehr Sekunden boten in den viel zu bunten 80ern auch andere. Mit den von den Ferrari-Verantwortlichen zunächst gewohnt selbstbewusst kommunizierten 300 km/h wurde es jedoch nichts. Denn mehr als 290 km/h waren aus der ersten Generation schlicht nicht herauszukitzeln. Bei der allzu spitz verzahnten Lenkung ohne jede Servounterstützung kein Nachteil, denn auch bei hohen Geschwindigkeiten wird jede noch so kleine Drehung des Momo-Dreispeichen-Steuers mit einer spürbaren Richtungsänderung belohnt. Überhaupt. Das Fahrwerk ist für sein Alter fein abgestimmt. Nicht ruppig oder auf Krawall gebürstet, sondern allemal sportlich-straff mit so viel Restkomfort, wie man es in dieser Klasse erwarten kann.

Mit der 300er-Marke setzten sich erst die Nachfolgegenerationen 512 TR und insbesondere der deutlich überarbeitete 512 M mit 428 bzw. 440 PS auseinander. Mehr Sound gab es hier jedoch auch nicht. "Nein, der Testarossa ist eher leise", sagt Michael Kunz, "wir haben daher gerade beim Testarossa damals besonders viele Sportauspuffe verbaut. Jetzt geht der Trend bei den Klassikern wieder in eine andere Richtung. Originalität ist eben alles." Das gilt auch für den Radsatz. Für die erste Generation ist die schlichte Fünfstern-Felge mit Zentralschließe obligatorisch. Vorne gibt es vergleichsweise kleine Pneus im Format 240/45 VR 15; hinten verzahnte sich immerhin schwarzes Gold mit 280er Breite mit dem Untergrund.

Mindestens genauso polarisierend wie die Lamellenorgie an Seiten und Heck sowie die Klappscheinwerfer eröffnete sich der Innenraum. Wenig hochwertiges Leder, Kopfstützen groß wie Mutters Bratpfannen und eine Orgie an unansehnlichen Drucktastern lassen einen heute ebenso noch erschaudern wie winselige Lenkstockhebelchen und Billiginstrumente. Doch was störte das, wenn man in ein pastellfarbenes T-Shirt oder ein Spencerjäckchen gehüllt war? Mit etwas Gewöhnungszeit lassen sich die wohl konturierten Sportstühle auf nahezu jede Körpergröße mit 1,90 Metern einstellen. Das boten selbst viele seiner Nachfolger nicht. Und so wurde der Ferrari Testarossa nicht nur durch seine Nebenrolle in der US-Krimiserie Miami Vice zur Legende.

Quelle: Autoplenum, 2014-04-22

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