Erfahrungsbericht Audi 100 1.8 LS (100 PS) von Dr.W.Greiner, Dezember 2016
Der hier beschriebens Audi war ein sogenannter Ur-Audi Baujahr 1966, mit 1700 ccm und 72 PS, dessen Karosserie noch auf dem DKW F 102 basierte. Also KEIN Audi 100, NICHT mit 100 PS, und auch das obige Bild ist falsch - bitte DRINGEND Eingabemaske überarbeiten, damit man man auch solche ältere Typen korrekt deklarieren kann!
Den Audi kaufte ich als letztes meiner billigen Studentenautos 1976 vom katholischen Pfarrer des Nachbarorts, der mit dem Verkauf seine gute Beziehung zu den höheren Mächten bewies: bereits am ersten Tag nach Übernahme durch mich gottlosen Menschen ging die Kupplung kaputt, drei Tage später das Getriebe und nach vier Wochen dann auch noch die Lichtmaschine. Zum Glück zeigte sich der vermittelnde Audi-Händler kulant und reparierte mir das alles gratis; danach glänzte das Auto mit problemloser Zuverlässigkeit.
Dieser erste Nachkriegs-Audi hieß anfangs einfach nur "Audi", ohne nähere Typenbezeichnung - es gab nur diesen einen Typ. Die Karosserie war im Wesentlichen dieselbe wie beim alten Dreizylinder-Zweitakter DKW F 102, mit nur wenigen Retuschen. DKW gehörte damals - wirtschaftlich in Schwierigkeiten geraten - kurzzeitig zu Daimler Benz, bevor die Marke an den VW-Konzern weitergereicht wurde. Mercedes hatte fürs Militär einen ursprünglich als Vielstoffmotor gedachten Vierzylinder-Viertakter entwickelt, der aber nicht in Serie gegangen war. Diesen Motor mit 1700 ccm adaptierte man für den F 102, um damit den aus der Zeit gefallenen Zweitaktmotor zu ersetzen. Wegen seiner besonders hohen Verdichtung vermarktete man diesen Motor im Audi als "Mitteldruckmotor": er sollte angeblich ähnlich effizient sein wie die höher verdichtenden Dieselmotoren. Der immer etwas ruppige, aber durchzugskräftige und langlebige Motor machte bei Audi anschließend auch unter VW-Fittichen Karriere: er befeuerte zunächst eine aufgefächerte Modellpalette mit 60, 75 und 90 PS, dann im ersten Audi 100 Varianten bis 112 PS. Seine höchsten Entwicklungsstufen erreichte er schließlich im Porsche 924 mit 125 PS, im 924 Turbo mit 170/177 PS und im 924 Carrera GT gar bis 210 PS. Erst der Porsche 944 erhielt dann einen Porsche-eigenen, vom 8-Zylinder des 928 abgeleiteten Motor.
Wie schon gesagt: etwas brummig war er, und nicht besonders drehfreudig. Aber er lief zuverlässig, hatte ordentlich "Bums von unten raus" und war sparsam: 8 bis 9 Liter Super brauchte er, was für eine doch schon etwas schwerere Limousine der gehobenen Mittelklasse mit immerhin ca. 150 km/h Höchstgeschwindigkeit Anerkennung verdiente. Zu dieser Zeit gehörte man damit auf der Autobahn schon zu den Schnelleren. Die 1300er und 1500er VWs aus derselben Zeit soffen deutlich mehr Benzin, bei viel schlechteren Fahrleistungen. Das Fahrwerk war relativ stark untersteuernd ausgelegt, aber dabei gutmütig und halbwegs komfortabel. Die Lenkung war für die doch recht erhebliche Vorderachslast sogar überraschend leichtgängig, wenn auch ziemlich indirekt. Servolenkung gab's damals nur in der Luxusklasse.
Das Vierganggetriebe konnte bei diesem Auto wahlweise mit Mittel- oder Lenkradschaltung bestellt werden. Mein Exemplar hatte letztere. Ich fand sie angenehm: sie schaltete sich butterweich, mit etwas langen Schaltwegen zwar, aber gänzlich ohne Hakeleien. Der Audi war mein erstes Frontantriebsauto, gleichzeitig mein erstes Auto mit anständigen Bremsen (Scheibenbremsen vorne, die innen am Differential angeflanscht waren - wie übrigens auch beim VW K70), mein erster Viertürer - und mein erstes Auto mit 12- statt 6-Volt-Elektrik. Die Verbesserung gegenüber meinen vorherigen Autos (Käfer, Kadett A, NSU 1200C) waren also gravierend - eine ganz andere Wagenklasse.
Insgesamt fuhr ich den Audi in ca. anderthalb Jahren knapp 40.000 km. Der nächste TÜV-Termin war dann angesichts des doch deutlich nagenden Rostes Anlass genug zur Trennung: ich war nun im Beruf und konnte mir endlich ein neueres, noch nicht verrostetes Auto leisten - ein VW K70 wurde der Nachfolger.