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Testbericht

Benjamin Bessinger/SP-X, 11. Oktober 2017

Nichts. Man hört einfach nichts. Kaum surren die Coachdoors elektrisch ins Schloss, herrscht Ruhe im Refugium der Superreichen. Fahren draußen noch Autos, läuft unter der Haube ein Motor, weht ein Wind oder bellt ein Hund? Wenn man zum ersten Mal in den neuen Rolls-Royce Phantom steigt, der in diesen Tagen zu den Händlern rollt und zum Jahreswechsel in die begüterten Hände der auserwählten Kundschaft übergeben wird, dann ist es so, als würde die Welt andächtig den Atem anhalten. Und selbst wenn der Chauffeur dieses Kunstwerk auf Rädern in Gang setzt, bleibt es so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte, wenn sie nicht unmittelbar vom knöcheltiefen Flausch im Fußraum verschluckt würde.
 
„Der Phantom ist das leiseste Auto der Welt“, sagt Chefingenieur Robert Kahlenberg und schwärmt von mehr als zwei Zentnern Dämmmaterial, von einer über sechs Millimeter starken Doppelverglasung ringsum und von Reifen, die im Kampf gegen lästige Rollgeräusche sogar mit einem schallschluckenden Schaum gefüllt sind. Der Lohn dieser Mühe ist nicht nur eine andächtige Stille, sondern vor allem das Gefühl völliger Abgeschiedenheit. Obwohl man mit diesem Auto immer und überall im Mittelpunkt steht, ist man doch in seiner eigenen Welt. Und nichts und niemand kann einen darin stören.
 
Dieses Gefühl fußt auch auf einer Karosserie, die dank der neuen Aluminium-Spaceframe-Architektur noch einmal steifer wurde und jetzt so solide und unerschütterlich ist wie die Tresore im Keller der Bank von England. Und es lebt von einem Fahrwerk, das einen wie auf Wolken bettet. Nicht umsonst sind die Balge der Luftfederung jetzt doppelt so groß und nicht ohne Grund liest dieser fliegende Teppich mit seinen Kameras förmlich die Straße und federt Unebenenheiten deshalb weg, schon bevor die 22-Zoll-Räder sie überhaupt erreicht haben.
 
Gerade wegen solcher Eigenschaften wird das Fahren selbst zur absoluten Nebensache, die man gerne einem dienstbaren Geist überlässt. Stattdessen genießt man schon in der immerhin 5,76 Meter langen „Kurz“-Version einen schier unermesslichen Luxus, der aus jeder Pore schweren Auto-Adel atmet. Die Einzelsitze sind natürlich elektrisch verstellbar, klimatisiert und massieren einem den Rücken, selbstverständlich gibt es in der Mittelkonsole nicht nur den obligatorischen Kühlschrank, sondern auch noch ein wohlig warmes Fach für Whisky oder Cognac samt passender Schwenker, und dass man bei 3,55 Metern Radstand im Fußraum beinahe tanzen kann, versteht sich von selbst. Und dann hat man noch nicht in der Extended Wheelbase gesessen, die Rolls-Royce für einen bescheidenen Aufschlag von netto 75.000 Euro um stolze 22 Zentimeter streckt und auf Wunsch auch mit Schlafsitzen wie in der First-Class eines Linienfliegers ausstattet.
 
Genau wie draußen wirkt der Phantom dabei auch drinnen ungeheuer traditionell und vertraut. Designchef Giles Taylor hat aber bei der Karosserie bis auf die Kühlerfigur kein Teil unverändert gelassen und den Phantom mit weniger Linien und mehr Licht, mit einem noch präsenteren und zugleich besser integrierten Kühler und einer Silhouette, die aufsteigt wie sich eine Yacht aus dem Wasser erhebt, ins Hier und Jetzt geholt. Auch drinnen entdeckt man hinter der antiken Fassade das Hightech von heute. Denn natürlich hat der Phantom einen Wlan-Hotspot und USB-Ladebuchsen, hinter den jetzt elektrisch ausfahrbaren Klapptischen surrt ein großer Bildschirm hervor und auch der Schminkspiegel im Dachhimmel wird – klar - mit LED-Technik beleuchtet, selbst wenn dieses aus Rücksicht auf den schönen Teint wunderbar warm schimmert.
 
Zwar ist und bleibt der beste Platz auch in der achten Generation des Phantom hinten links bzw. je nach Verkehrsausrichtung hinten rechts. Doch weil sich manche Milliardäre das Steuer einfach nicht gerne aus der Hand nehmen lassen oder auch der treueste Chauffeur mal Ferien braucht, ist auch das Fahren selbst ein erhebendes Erlebnis, das Rolls-Royce behutsam aber wirkungsvoll modernisiert hat. Nicht umsonst haben die Briten den traditionell 6,75 Liter großen V12 jetzt auf Turbo-Technik umgestellt, so dass erstens die Leistung auf 420 kW/571 PS steigt, zweitens das maximale Drehmoment auf 900 Nm klettert und drittens vor allem schon kurz nach dem Leerlauf abgerufen werden kann. Und aus gutem Grund bauen die Briten in jeden Phantom, egal ob kurz oder lang, eine Hinterachslenkung ein, mit der selbst ein Schiff von bis zu 5,98 Metern halbwegs handlich werden soll.
 
Doch so stolz Projektleiter Kahlenberg auf einen für ein Auto dieses Formats wirklich eindrucksvollen Sprintwert von bestenfalls 5,3 Sekunden ist, so sehr es ihn befriedigt, dass jetzt auch der Phantom die obligatorischen 250 Sachen schafft und so leidenschaftlich er von Abstimmungsfahrten auf engen Alpenpässen schwärmt, so sehr wiederstrebt einem die Vorstellung, das spindeldürre Lenkrad mit mehr als den Fingerspitzen zu berühren und das Gaspedal anders als mit einem sanften Streicheln zu bedienen: Wer es in einen Rolls-Royce geschafft hat, der ist Herr seiner Zeit und lässt sich nicht hetzen.  
 
Stattdessen genießt man die vornehmste Art der Entschleunigung und wundert sich viel eher darüber, dass es jetzt selbst in einem so traditionellen Auto wie einem Rolls-Royce digitale Instrumente aber noch immer keine Touchscreens gibt, spielt mit der faszinierenden Panorama-Kamera auf dem versenkbaren Monitor und staunt über die vielen elektronischen Helfer, die es mittlerweile in den automobilen Adelsstand geschafft haben. Wenigstens haben die Briten auf Assistenten mit einem Hang zur Autonomie verzichtet. Der Phantom hält weder selbst die Spur, noch parkt er automatisch ein oder überholt ohne Hilfe des Fahrers:  „Wer einen Rolls-Royce fährt, braucht keinen Autopiloten“, sagt Kahlenberg. „Dafür hat man schließlich einen Chauffeur.“
 
Was die Briten an Intelligenz gespart haben, investierten sie stattdessen in Individualität. Denn selbst wenn ein Phantom bei einer Jahresproduktion von im Schnitt nicht mehr als 500 Fahrzeugen schon ein ziemlich seltenes Auto ist, wollen es die Kunden gerne noch ein bisschen einzigartiger – und haben dabei jetzt noch mehr Spielraum. Denn künftig können sie bei der Bespoke-Abteilung nicht nur aus hunderten Lacken, Hölzern und Ledern wählen, Prägungen, Steppungen, Intarsien und andere Pretiosen des Kunsthandwerks bestellen oder mit etwas Mühe die knapp 1.200 Lichtpunkte des LED-Himmels zum Beispiel wie das Sternbild am eigenen Geburtstag programmieren. Sie können sich auch in der „Gallery“ austoben. So nennt Rolls-Royce die Freifläche in der Armaturentafel, auf der die bevorzugte Künstler der Kundschaft fast völlig ungehindert schalten und walten können, bevor das Dekor im Reinraum hinter Glas versiegelt wird, beschreibt Designchef Giles Taylor und erzählt von Pfauenfedern oder Porzellanrosen, Goldprägungen oder Edelsteinen, die dort künftig ihren prominenten Platz finden werden.

Schon die Standardmuster von Rolls-Royce haben fünfstellige Preise und wer etwas ganz Eigenes will, bewegt sich schnell in ganz anderen Dimensionen. Doch erstens sind das bei einem Grundpreis von 446.250 Euro trotzdem nur die vielzitierten Peanuts, und zweitens kann man kaum schöner ausdrücken, was Rolls-Royce-Chef Torsten Müller-Ötvös meint, wenn er vom Auto als Gesamtkunstwerk spricht.
 
Zwar ist der Phantom bei aller Moderne so traditionell wie ein Auto nur sein kann. Schließlich blickt er auf eine 92jähirge Historie zurück und muss auch ein bisschen länger halten als andere Autos. Denn wenn sie bei Siebener & Co schon über den Generationswechsel nachdenken, gibt es bei den Briten frühestens ein dezentes Facelift. Doch so sehr sich die vornehmste der BMW-Töchter im Glanz der alten Tage sonnt, soll zumindest die Plattform des Phantom die Marke in die Zukunft führen. Nicht nur, weil sie auch für einen Elektroantrieb vorgesehen ist, den es für Phantom & Co in der nächsten Dekade geben wird. Und auch nicht, weil sie die nächste Generation von Ghost, Wraith und Dawn tragen soll. Sondern weil vorher auf dieser Architektur noch ein Auto entsteht, das zwar nicht zur traditionellen Vorstellung von einem Rolls-Royce passt, dafür aber mehr denn je dem Zeitgeist huldigt: dem ersten SUV unter den Schwingen der Spirtit of Ecstasy.

Rolls-Royce Phantom R – Technische Daten:
Viersitzige Luxuslimousine (Werte in Klammern für Langversion „Extended Wheelbase“), Länge: 5,76 (5,98) Meter, Breite: 2,18 Meter, Höhe: 1,65 (1,66) Meter, Radstand: 3,55 (3,77) Meter, Kofferraumvolumen: 548 Liter
6,75-Liter-V12-Benziner, 420 kW/571 PS, maximales Drehmoment: 900 Nm bei 1.700 U/min, 0-100 km/h: 5,3  (5,4) s, Vmax: 250 km/h, Durchschnittsverbrauch: 13,9 Liter, CO2-Ausstoß: 318 (319) g/km, Abgasnorm: Euro 6, Effizienzklasse: k.A.
Preis: ab 446.250 (535 500) Euro

Kurzcharakteristik:
Warum: weil man sich vornehmer auf der Straße kaum bewegen kann
Warum nicht: weil man mit diesem Auto immer und überall im Mittelpunkt steht
Was sonst: nichts – außer vielleicht einem Privatjet, einem Helikopter oder gleich einer neuen Vorstadtvilla
Wann kommt er: zum Jahreswechsel. Aber nur, wenn man schon Anfang 2017 bestellt hat. Sonst ist man erst Weihnachten 2018 dran.

My Car is my Castle? Darüber können sie bei Rolls-Royce nur lachen. Denn der Phantom ist keine Burg, sondern ein Schloss, das prunkvoller kaum sein könnte. Das war in den letzten sieben Generationen so, und das wird auch in der achten so sein. Denn eine Palastrevolution haben sich die Briten bei der Neuauflage verkniffen.

Fazit
My Car is my Castle? Darüber können sie bei Rolls-Royce nur lachen. Denn der Phantom ist keine Burg, sondern ein Schloss, das prunkvoller kaum sein könnte. Das war in den letzten sieben Generationen so, und das wird auch in der achten so sein. Denn eine Palastrevolution haben sich die Briten bei der Neuauflage verkniffen.

Quelle: Autoplenum, 2017-10-11

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