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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 31. Dezember 2020
Anfang der 1990er wollte VW in den Rallyesport einsteigen und baute daher 5.000 Golf II Rallye G60. Zwölf davon mit einem 16 Ventil-Vierzylinder und 210 PS: Wir durften das Geschoss fahren und sind begeistert.

Vor 30 Jahren war die Welt noch eine andere. Deutschland hatte gerade in Italien die Fußballweltmeisterschaft gewonnen und die Kick-Profis hatten gerade die 1980er Standard-Bundesliga-Frisur \"Vokuhila\" (vorne kurz, hinten lang) abgelegt. Bei den Autos durfte man sich ähnlich wie in der Formel 1 noch austoben, ohne dass einer mit erhobenem Zeigefinger um die Ecke kommt. Als VW den VW Golf II Rallye G60 ankündigte, runzelten viele die Stirn. Damit würde doch dem GTI das Wasser abgegraben. Aber dann lüftete der niedersächsische Autobauer den Schleier und erklärte, dass der VW Golf II Rallye G60 als Homologationsmodell für die Rallye-Einsätze in der Gruppe A diente und daher lediglich 5.000 Stück gebaut wurden. Aufgrund der Regeln verkleinerten die VW-Ingenieure den Hubraum des-G60-Motors von 1.781 auf 1.760 Kubikzentimeter.

Durch den größeren Ladeluftkühler kam der Rallye Golf auf 160 PS. Schon ganz ordentlich, aber noch nicht die Spitze des Eisbergs. Nur zwölf Exemplare dieser Baureihe bekamen das eigens von Volkswagen Motorsport entwickelte Motorsport-Performance Kit samt dem Vierventil-Zylinderkopf, das die Leistung des 1,8 Liter Triebwerks von auf 210 PS schraubte. Um die Power des Über Golf II auch auf den Boden zu bekommen, verpassten die Ingenieure dem Rallye Golf den Allradantrieb des Golf syncro mit der Visco-Kupplung, die erst dann die Hinterachse mit in die Verlosung nahm, wenn es den vorderen Rädern an Traktion mangelte. Dazu passte das knackige Sportfahrwerk.

Also war der VW Golf II Rallye G60 ein feines Stück Technik, mit dem VW die Rallye-Welt aufmischen wollte. Dementsprechend ambitioniert war auch der Preis. Zu den Basiskosten von 44.500,00 DM kamen noch etwa 13.000 DM für den Zylinderkopf und die anderen Feinheiten dazu. Also ein schöner Batzen Geld für einen Golf. Aber wir sollten bald herausfinden, dass dieses Auto mit dem klassischen 50 PS-Schnauferl der Hutträgerfraktion so gut wie nichts gemein hat. Aber zunächst mustern wir einen der zwölf Golfe, wie der Safari-Besucher einen sich faul in der Sonne rekelnden Löwen anstarrt. Gebannt von der Erscheinung und wissend, dass sich die Raubkatze in Sekundenbruchteilen vom dösenden Faulpelz in eine Jagdmaschine verwandeln kann.

Uns fallen sofort die dicken Backen auf. Anders als beim Zubehörhandel sind das keine Plastikaufsätze, sondern Teil des Blechkleides, um die breitere Spur und die breiten 205er Pneus auf 15 Zoll Felgen unterzubringen. Dazu passen die wuchtigen Schweller, die eckigen Doppelscheinwerfer, der kleine Heckspoiler und natürlich auch der obligatorische Doppelauspuff.

Im Inneren erwartet uns der typische Hartplastikcharme der damaligen Zeit, aber auch Recaro-Klammern, die uns mit ausgebreiteten großen Seitenwangen empfangen und bald klarmachen: \"Wir geben Dich nicht mehr her\". Die ideale Sitzposition ist schnell gefunden, auch ohne tausend Verstellmöglichkeiten. Mit einem Schlüsseldreh erwacht der aufgepumpte Vierzylinder zum Leben. Beim Einrollen und Warmfahren zeigt sich der Rallye-Golf von seiner zivilisierten Seite. Doch eines fällt sofort auf. Das Getriebe ist herrlich knorpelig, hat kurze Wege und der Ganghebel lässt sich präzise führen. Heißa! Nichts von der weichgespülten Automatik-Attitüde aktueller Fahrzeuge. Hier ist der Pilot noch Herr im Haus und hält sein Geschick in seinen eigenen Händen.

Die obligatorischen 30 Kilometer sind absolviert, der Motor und vor allem das Öl sollten eine vernünftige Betriebstemperatur haben. Jetzt geht es zur Sache. Der Golf wartet nur darauf, von der Leine gelassen zu werden. Jede kleine Bewegung des Gaspedals erwidert der Kompaktsportler mit einem gierigen Zucken. Feuer frei! Rauf auf den Stempel. Der Rallye-Athlet springt angriffslustig nach vorne. Jetzt schlägt die Stunde des Allradantriebs, der das Scharen der vorderen Tatzen unterbindet. Nun meldet sich auch der mechanische Spirallader mit einem singenden Sägen. Die kompressorähnliche Zwangsbeatmung erfüllt ihren Zweck, schon aus dem Drehzahlkeller liegt Kraft an.

Klack. Dritter Gang. Wir reißen die Gänge gnadenlos durch. Jetzt zahlt sich die straffe und kurze Führung des Getriebes aus. Die Fahrstufenwechsel gehen flink von der Hand. Schnell strebt die Nadel des Drehzahlmessers der 6.200 U/min Marke entgegen, wo der rote Bereich beginnt. Wir schalten bei 6.000 Touren. Der 1040 Kilogramm schwere Golf ist für das 210 PS-Kraftwerk eher eine spielerische Pflichtaufgabe, denn physikalischer Hemmschuh. Die Beschleunigung ist auch heute noch beeindruckend. Das straffe Sportfahrwerk minimiert nervöse Bewegungen der Karosserie und vermittelt das viel zitierte und nur selten erreichte Gokart-Feeling. Wir sagen: ballern wie auf Schienen. In den Kurven hilft der Allradantrieb immens, der Frontkratzer des Golf GTI wäre mit diesem Geschoss hoffnungslos überfordert und würde die Kraft dieses speziellen VW Golf II Rallye G60 nur verpulvern.

Damals kannte dieser Golf nur wenige Gegner und ließ so manchen Sportwagen alt aussehen. Die Antwort von Ford ließ nicht lange auf sich warten. Ein Jahr nach Erscheinen des Rallye Golfs konterten die Kölner mit dem Ford Escort RS Cosworth mit 220 PS. Doch der sportliche Ruhm gehörte erst einmal dem Wolfsburger Geschoss, mit dem Erwin Weber 1991 Deutscher Rallye Meister wurde.

Quelle: Autoplenum, 2020-12-31

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