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Testbericht

Sebastian Viehmann, 14. Februar 2010
Autos wie der Volvo C30 sind Lifestyle-Accessoires: Solange das Golf-Bag hineinpasst, kommt es auf den Platz nicht an. Die Idee kam den Schweden schon vor vier Jahrzehnten. Eine Ausfahrt im P1800 ES, dem schönsten Edel-Kombi aller Zeiten.

Platz? Nein, davon gibt es im Volvo C30 wirklich nicht viel. Vorn sitzt man ja noch sehr bequem, auf der Rückbank wird es aber schon etwas eng, und der Kofferraum treibt einen zum Wahnsinn. Über eine 80 Zentimeter hohe Ladekante muss man das Gepäck wuchten, nur um dann festzustellen, dass es kaum hinein passt. Aber bei welchem Auto ist die Kehrseite der Medaille derart attraktiv? Der C30, der 2006 auf den Markt kam und dem Volvo gerade ein Facelift verpasst hat, hebt sich mit seinem hübschen Hinterteil samt Glaskläppchen immer noch wohltuend von der Masse ab.

Das galt 1971 auch für den P1800 ES. Kombis war man von Volvo ja schon gewohnt, aber sie sahen sehr konventionell aus, so wie der Duett oder der 145. Solide und praktische Autos eben, mit viel Platz und gutbürgerlichem Auftreten. Der P1800 ES jedoch war weder als Transporter noch als Pampers-Bomber gedacht, sondern als elegante Möglichkeit für den gut verdienenden Gentleman, seine Flinten für die Fasanenjagd oder seine Golf-Ausrüstung unterzubringen. Ganze Generationen von Werbefotografen setzten Automobile auf Golfplätzen in Szene, wahrscheinlich um die unterschwellige Botschaft zu vermitteln: Keine Angst, mein Junge, dieses Auto ist groß genug für dich und dein Golf-Bag.

Shooting Brake hießen solche Fahrzeuge im Englischen, wobei der Begriff „Shooting“ tatsächlich an die Jagd angelehnt war und „Brake“ an „Break“, die französische Bezeichnung für einen Kombi. In England war diese Fahrzeuggattung Ende der 60er Jahre recht populär, es gab Shooting Brakes wie den Reliant Scimitar und sogar einen in Kleinserie gebauten Aston Martin DB5 mit Kombiheck. Auf solche Autos dürfte Volvo-Designer Jan Wilsgaard geschielt haben, als er das Sportcoupé P1800 zum Edelkombi aufpeppen sollte. Den P1800 gab es schon seit 1961, und auch wenn er vielen Fans heute als schönster Volvo aller Zeiten gilt, hatte der Wagen um 1970 doch eine Auffrischung dringend nötig. Sie erfolgte in Form eines Kombi-Hecks mit pfostenlosen Seitenscheiben und einer riesigen gläsernen Heckklappe.

Volvos Pressemitteilung für den P1800 ES – der übrigens als „Fastback Coupé“ und nur unter der Bezeichnung 1800 ES angepriesen wurde - versprach das „Styling eines Sportwagens, kombiniert mit dem Nutzwert eines Kombis“. Die Reaktionen waren nicht immer so positiv, und im Volksmund wurde der Wagen wegen seines gläsernen Hecks bald nur noch Schneewittchensarg genannt. Doch der ES holte sich schnell seinen Status als Klassiker, und wenn es einen Preis für den schönste Kombi aller Zeiten gäbe, wäre der Schwede ein ganz heißer Kandidat.

Das hellblaue Exemplar, das bei Volvo Deutschland gehegt und gepflegt wird, ist also längst eine gesuchte Rarität. Beim Einsteigen gleitet man in bequeme schwarze Ledersitze – die gab es damals serienmäßig und verwöhnten sogar mit einer Lordosestütze. Wer die Gurtschnalle nicht in das beleuchtete Schloss führt, wird mit der Schweden-typischen Sicherheitsanweisung konfrontiert, wenn das rote „Bitte anschnallen“-Lämpchen am Armaturenbrett aufleuchtet. Das Gepäckabteil ist mit Teppich ausgekleidet, und zum Öffnen der grün getönten Glasklappe muss man sich mit einem eigenwilligen Drehknopf anfreunden. Übrigens: Mit ein paar Handgriffen wird der schicke Schwede sogar wirklich zum Kombi. Bei umgelegter Rückbank bietet der Volvo-Veteran nämlich maximal 991 Liter Stauraum – sechs Liter mehr als sein Urenkel C30.

Unter der lang gestreckten Haube des ES verrichtete ein Zweiliter-Vierzylinder mit 125 PS seinen Dienst, den Volvo auch im normalen P1800 verbaute und 1970 vom Vergaser auf Benzineinspritzung umgestellt hatte. Das verbesserte nicht nur die Leistung, sondern auch das Abgasverhalten – wichtig gerade für den US-Markt, auf dem sich Volvos „Sports Wagon“ großer Beliebtheit erfreute.

Doch so sportlich der ES dank seines schnittigen Blechkleids auch aussieht - er fährt sich nicht so. Der Motor hängt noch ganz gut am Gas, und an die hakelige Viergangschaltung mit Overdrive hat man sich nach ein paar Kilometern gewöhnt. Doch die gefühllose Lenkung vermittelt null Kontakt zur Fahrbahn, die hintere Starrachse trampelt über Bodenwellen und in Kurven gibt sich der Wagen trotz seines Gewichtes von nur 1,2 Tonnen ziemlich schwerfällig. Selbst 1971 gab es da viele Autos, die deutlich mehr Fahrspaß zu bieten hatten. Und da endet denn auch die Gemeinsamkeit des gemütlichen P1800 ES mit dem C30 von heute: Der wird mit einer direkten Lenkung, knackiger Schaltung, Sportfahrwerk und starken Motoren zu einer kleinen Schweden-Rakete.

Wer heute einen P1800 ES in gutem Zustand ergattern möchte, muss laut aktueller Youngtimer-Preisnotierung mindestens 20.000 Euro einplanen. Und wer sich einen gesichert hat, gibt ihn so schnell nicht mehr her. Insgesamt liefen kaum mehr als 8000 ES vom Band. Das Schwedenkläppchen wurde zusammen mit der ganzen Baureihe P1800 schon im Jahr 1973 eingestellt.

Quelle: Autoplenum, 2010-02-14

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