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Testbericht

Benjamin Bessinger/SP-X, 19. Oktober 2018

SP-X/Fanö/Dänemark. 12,3 Liter Hubraum – sticht! Mit der aktuellen Modellpalette von Opel mag man sich im Autoquartett vielleicht schwertun. Doch wer den Kartensatz mit den historischen Rennwagen aus dem Regal zieht, der hat mit den Hessen gute Chancen. Denn zumindest in den 1920er Jahren haben sie in Rüsselsheim ein Auto gebaut, das so manchen Stich machen konnte, und nicht umsonst das Grüne Monster hieß: Sein 12,3 Liter großer Reihenvierzylinder ist der größte Motor, der je bei Opel gegossen wurde, die Auspuffrohre sind dick wie bei einem Kanonenofen und spucken genau so viel Feuer und mit einem Tempo von 228 km/h hat der dunkelgrüne Zweisitzer 1922 am Strand der dänischen Nordseeinsel Fanö sogar einen Geschwindigkeits-Weltrekord eingefahren. Das ist jetzt fast 100 Jahre her und die meiste Zeit davon hat das Grüne Monster brav und friedlich im Werk gestanden. Doch weil sich mit großen Schritten der runde Geburtstag des Rekordes nähert und weil man sich in schweren Zeiten gerne seiner glorreichen Vergangenheit erinnert, hat Opel den Wagen in den letzten Monaten noch einmal flott gemacht und ihn zur ersten Ausfahrt nach der Restaurierung an den gleichen Strand gebracht, auf dem er damals seinen Sieg errungen hat. Wo es eben noch ruhig und romantisch war, zerreißt deshalb plötzlich ein Knall die Stille, die Möwen stieben auf, der Sand spritzt meterhoch und schwarze Wolken aus Ruß, verbranntem Öl und hochoktanigem Treibstoff verdunkeln den strahlend blauen Himmel. Es ist genau wie damals, nur dass diesmal nicht der legendäre Draufgänger und Rennfahrer Carl Jörns am Steuer sitzt, sondern ein Journalist. Der hat zwar vom alten Bentley bis zum neuen Bugatti schon so ziemlich alles in Händen gehabt, was viele Zylinder und noch mehr Leistung hat. Doch ein Motor mit Rädern, und was andres ist das Grüne Monster im Grunde nicht, ist auch für den PS-Profi eine Premiere. Für einen „Sportwagen“ sitzt man aufgrund der riesigen Speichenräder ungewöhnlich  hoch, einen Meter über dem sandigen Boden in einer winzigen grünen Wanne, klemmt fest zwischen einem mit Leder bespannten Holzbrett unter dem Hintern und dem riesigen Lenkrad vor dem Bauch, direkt an den Füßen rotiert die offene Kupplung, unter einem schabt die Welle zur angetriebenen Hinterachse und vor einem ist nichts als Motor: Der hat zwar nur vier Zylinder. Aber weil jeder einzelne davon mehr Hubraum hat als das größte Triebwerk aus der aktuellen Opel-Palette zusammen, kommt er auf imposante 12,3 Liter und baut so hoch, dass die 16 Ventile oben durch Löcher aus der endlosen Haube schießen. Erst stottert er ein bisschen, verschluckt sich und schickt noch ein paar Rauchschwaden durch den hoch oben entlang des Wagens geführten Auspuff, der nach wenigen Minuten glüht und sich damit so manchem Beifahrer buchstäblich in Erinnerung gebrannt hat. Doch je feinfühliger man mit dem in die Mitte gerückten Gas spielt, desto runder läuft das Stahlgebirge im Bug. Und sobald die Zylinder rhythmisch stampfen, kommt deshalb der Moment der Wahrheit: Mit sanftem Nachdruck zwingt man den außen angeschlagenen und armlangen Schaltknüppel durch die Messing-Kulisse in den ersten Gang, lässt vorsichtig die schwere Kupplung kommen, bevor die Wade gar ganz die Kraft verliert, und fühle sich plötzlich wie die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten, die zu unserer Jugend durchs Fernsehprogramm geflackert sind. Denn noch nie haben sich 260 Pferdestärken derart wild und wütend angefühlt, wie bei diesem Monster. Ein Ferrari oder ein McLaren sind dagegen handzahm und friedlich und vor allem hoffnungslos unterkühlt. Mit einer unglaublichen Kraft schiebt der Wagen geradeaus und man mag gar nicht daran denken, wie man ihn um die Kurven zwingen soll. Selbst wenn das Lenkrad für den besseren Grip mit einer groben Schnur umwickelt ist. Gut, dass es hier am Strand von Fanö immer schön gerade ausgeht. Denn mit dem Schalten hat man schon genug zu tun. Ans Lenken und ans Bremsen mit dem Pedal ganz rechts oder besser mit dem noch längeren Hebel neben der Schaltung will man da gar nicht denken. Aber wer denkt schon ans Bremsen in einem Renner, der allein für Rekorde gebaut worden ist. Schneller und immer schneller schiebt der die Bestie deshalb über den betonharten Sand, immer höher wirbeln die hüfthohen Speichenräder den Schlick hinter das Auto, der Wind pfeift einem um die Ohren und jedes Mal, wenn irgendwo noch ein bisschen Wasser von der letzten Flut steht, klatscht einem eine Ladung nasser Matsch ins Gesicht. Das kommt davon, wenn man sich aus der Deckung der viel zu kleinen Scheibe traut, die sie hinter das Lenkrad gesteckt haben. Und dabei fährt das Monster doch bislang mit kaum mehr als Standgas und hat es gerade mal in den zweiten von vier Gängen geschafft. Kaum auszudenken, wie sich eine Fahrt mit Vollgas anfühlt, wenn der damals rund 80.000 Reichsmark teure Renner auf mehr als 200 Sachen beschleunigt. Und was muss dieser Jörns für ein Himmelhund gewesen sein, dass er den Wagen nicht nur beim Sprint am Strand gefahren hat, sondern auch auf Rundstrecken und bei Bergrennen. Über 100 Rennen hat er gewonnen und das Grüne Monster zu einem der erfolgreichsten Autos in der Opel-Historie gemacht. Dagegen war selbst Walter Röhrl ein Waisenknabe. Vom aktuellen Fahrer ganz zu schweigen. Denn selbst wenn das Schalten irgendwann halbwegs ohne Knarzen gelingt und man die bollernde Bestie im gaaanz großen Bogen sogar tapfer um die Kurven zwingt, ist man von Vollgas weit entfernt. Aber wer Angst oder zumindest Respekt hat angesichts dieses Gebirges aus Stahl oder Kraft, der muss sich dafür nicht schämen, sondern befindet sich in guten Gesellschaft. Denn selbst Carl Jörns ist dem grünen Monster nie so richtig Herr geworden und hat das Gaspedal nie voll durchgetreten. Jahre, nachdem der Rennfahrer in Rente gegangen war, hat er deshalb eingeräumt, dass er zwar immer wissen wollte, ob vielleicht sogar 250 Sachen drin gewesen wären, sich aber nie getraut habe, ihn voll auszufahren. Musste er ja auch nicht. Denn beim entscheidenden Rennen haben ja schon 228 km/h gereicht für den großen Erfolg – und das Grüne Monster zu einem Spitzentrumpf im Autoquartett gemacht.Er spuckt Rauch und Feuer und ist verteufelt schnell: Das Grüne Monster von Opel trägt seinen Namen zurecht. Denn der Rennwagen aus dem Jahr 1914 ist die Hölle. Ihn zu fahren braucht Kraft und Mut - aber das Erlebnis ist himmlisch. 

Fazit

Er spuckt Rauch und Feuer und ist verteufelt schnell: Das Grüne Monster von Opel trägt seinen Namen zurecht. Denn der Rennwagen aus dem Jahr 1914 ist die Hölle. Ihn zu fahren braucht Kraft und Mut - aber das Erlebnis ist himmlisch. 

Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2018-10-19

Getestete Modelle
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