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Testbericht

Stefan Grundhoff, 11. Juli 2018
Die Zukunft der Mobilität entscheidet sich mehr denn je in China, denn selbst das gelobte IT-Land Silicon Valley gerät immer mehr unter Druck. An Europa scheinen nicht nur die automobilen Zukunftstrends vorbeizurauschen.

Was den Amerikanern die Zukunftskonferenz SXSW in Austin ist den Asiaten die RISE Convention in Hong Kong, wo IT-Teckis, Kreativ-Nerds, zahlungskräftige Investoren und CEOs Ideen und Innovationen anbieten, suchen, finden, stöbern und eifrig diskutieren. Unter den 600 Start-Ups, die ihre Dienste vor 15.000 Besuchern auf dem größten Zukunftskongress Asiens auf der Suche nach Investoren zur Schau stellen, gibt es nur wenige Firmen aus dem automobilen Umfeld. Daimler-Chef Dieter Zetsche war vorher in China unterwegs und stattet der RISE Convention einen kurzen Besuch ab. \"Die Neugier treibt uns hierhin, denn die Tech-Welt trifft zunehmend auf das Automobil und wir müssen voneinander lernen. Von der South by Southwest konnten wir einiges mitnehmen und die CES ist inhaltlich mittlerweile fast stärker belegt als die Detroit Autoshow. Dazu müssen wir uns den verschiedenen Lokalitäten anpassen\", sagt Zetsche bei seinem Rundgang, \"deshalb bin ich hier. Es geht auch um die Atmosphäre und man wirft sein Netz aus. Natürlich gibt es da auch Beifang.\"

Der Veranstaltungsort der RISE Convention wirkt dabei reichlich hemdsärmelig. Eine große Messehalle in der dritten Etage des mächtigen Hong Kong Convention Centers. Im Erdgeschoss findet zeitgleich die lokale Fashion Week statt, deren Teilnehmer sich jedoch kaum farbenprächtiger auf den Bühnen in Szene setzen, als bei der RISE Convention, die damit wirbt der glühende Tech-Puls Asiens zu sein. Die Atmosphäre ist entspannt, lässig; bisweilen auch etwas nervös. Ähnlich wie bei vergleichbaren Innovationskongressen wirkt die ganze Aufmachung dabei wenig professionell. Der Großteil der Messestände ist kaum größer als ein Quadratmeter. Auf einem DIN A2 großen Papierschild preisen Firmen wie Elab, Searchfinn, Fintech, Cloudpassage, oder Dezoo ihre höchst unterschiedlichen Dienstleistungen an. Ein bis zwei Personen und ein Notebook auf dem Pressspantisch - das ist der genormte Messeauftritt auf der RISE. Trotzdem geht es bei den Gesprächen bisweilen um Millionen, denn neben den 600 Start Ups sind hunderte von Investoren auf der Suche nach kreativen Ideen, ihr Geld visionär auszugeben.

Nur am Rande werden auf der RISE die aktuellen Wirtschaftsnachrichten aus der Automobilindustrie wahrgenommen. Baidu und BMW willen beim Thema autonomen Fahren zukünftig zusammenarbeiten und intelligente Mobilitätslösungen für chinesische Kunden ermöglichen. Zudem unterzeichnete BMW zusammen mit dem Autohersteller Great Wall eine Vereinbarung über die Produktion von elektrischen Mini-Modellen - in China. Audi wird bei der Entwicklung vernetzter Autos zukünftig mit dem Telekommunikationskonzern Huawei zusammenarbeiten. Audi ist seit vergangenem Jahr als erster ausländischer Autohersteller am Einsatz des Hochgeschwindigkeitsnetzes LTE-V in der ostchinesischen Millionenstadt Wuxi beteiligt. Alles Nachrichten, in denen sich europäische Autohersteller zunehmend nach China orientieren. Selbst Seat auf dem Weg nach Osten, denn die VW Group China, JAC und Seat haben eine Absichtserklärung unterschrieben, durch die das spanische Unternehmen Partner beim Joint Venture und die führende Marke des Volkswagen-Konzerns bei diesem Projekt wird. Überall: China first; mehr denn je auf der RISE Convention.

Denn wer sich hier Podiumsdiskussionen und einige der Vorträge anhört, hat das Gefühl, dass nicht nur die Autoindustrie, sondern mehr denn je Europa jeden Anschluss verliert. Edith Yeung, eine der rund 350 Vortragenden auf dem Kongress, vertritt mehr als 500 asiatische Start-Up-Unternehmen. Europa hat die Investorin schon lange nicht mehr auf dem Radar. \"Die Amerikaner im Silicon Valley arbeiten viel, aber bei weitem nicht so viel und so hart wie die Leute in China\", erklärt Edith Yeung selbstbewusst auf der Q+A-Bühne, \"die Chinesen, die älter als 35 sind, wissen noch, was es heißt, arm zu sein. Meetings nachts um 12 Uhr sind ganz normal für mich und wenn bei einem der Start-Ups etwas nicht klappt, rufen die natürlich auch nachts um zwei oder drei Uhr bei mir an. Das ist ganz normal. Wenn ich aber um 21 Uhr eine Mail an Kollegen im Silicon Valley schicke, halten die mich schon für verrückt oder wollen am Wochenende Freizeit haben.\" Europa und speziell Länder wie Deutschland mit endlosen Urlauben, zahlreichen Feiertagen und kurzen Arbeitszeiten hat Edith Yeung bei den zukünftigen Planungen zu Investments ebenso längst ausgeblendet, wie viele andere auf der Convention. Daimler-Chef Zetsche sieht das nicht viel anders: \"Der Nabel der Techworld ist derzeit nicht in Europa und speziell in Deutschland legen wir uns tatsächlich schwierige Fesseln an. Gerade in größeren Konzernen kann man kaum flexibel arbeiten. Da geht es nicht nur um die Gewerkschaften, sondern vielmehr ist es eine Gesetzgebungsfrage.\"

Fragt man Chua, einen der zahlreichen chinesischen RISE-Sprecher nach Themen wie Europa oder gar der Autoindustrie, muss er lachen. \"Nein, ich habe kein Auto. Wenn ich in den USA bin, bin ich mit Uber unterwegs\", erzählt der chinesische Mittdreißiger aus der IT-Szene, \"und sonst bin ich meist mit DiDi unterwegs. Nur wenige meiner Freunde haben ein Auto. Wozu auch.\" Ein Trend, der sich speziell in den großen asiatischen Metropolen trotz steigender Zulassungen immer mehr abzeichnet. Autos sind ein Luxusgut, auf das die jüngeren kaum mehr anspringen. In Hong Kong gibt es zudem einen Importaufschlag von rund 100 Prozent auf die Preise und in China werden die Importmodelle aus den USA durch den jüngsten Handelskrieg derzeit insgesamt um rund 40 Prozent verteuert. Zum eigenen Traumwagen greifen da oftmals nur noch Autofans und Familienväter. Wer in der Tech-Szene mitspielt, will zumeist allein die Dienstleistung, um möglichst komfortabel von A nach B zu kommen - und braucht dafür kein eigenes Fahrzeug mehr.

Das Thema Automobil findet auf der RISE Convention am Rande statt. Es gibt eine Reihe von Vorträgen und Diskussionsrunden, bei denen Themen wie künstliche Intelligenz, die Zukunft der Mobilität oder autonomes Fahren, an sich im Vordergrund stehen. Auch hier hapert es nach Ansicht von Dieter Zetsche in einem Land wie Deutschland. \"Man muss sich nur die Netzabdeckung anschauen\", so der Daimler-Chef, \"das ist ein zentrales Thema beim autonomen Fahren, denn hierfür brauchen wir ein 5G-Netz. Bei den am besten vernetzten Nationen ist Deutschland nicht vorne dabei. Unser neues Bediensystem MBUX beherrscht zum Beispiel auch chinesische Dialekte wie Sichuan und Kantonesisch. Doch das volle Potenzial des Systems können wir erst ausschöpfen, wenn es mit der Cloud verbunden ist.\" Was die RISE Convention ebenfalls zeigt, ist eine zunehmende Regionalisierung. \"Wer in China etwas werden will, muss hier einfach vor Ort sein\", bekräftigt Edith Yeung, \"sonst klappt es einfach nicht. So engagiert man auch ist.\"

Quelle: Autoplenum, 2018-07-11

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