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Testbericht

Mario Hommen/SP-X, 20. Mai 2020
SP-X/Köln. Für jeden Autofahrer sind Lenkräder so selbstverständlich und im Kern ihrer Funktion so banal, dass mancher sich wundern dürfte, dass es sie in der Frühzeit des Automobils gar nicht gab. Sie mussten erst noch erfunden werden. Zunächst handelte es sich um grobschlächtige, schwergängige Stahlringe, von denen sogar tödliche Gefahr ausging. Heute sind es haptische Schmuckstücke und Hightech-Bauteile mit clever integrierten Lebensrettern, die trotz ihrer stetig weiter fortschreitenden Verfeinerung vielleicht eines Tages zum Auslaufmodell werden könnten.Dass es ohne Lenkrad geht, davon zeugen die allerersten Automobile, die in den 1880er-Jahren entstanden. So wie der Patent-Motorwagen von Carl Benz oder der Maybach-Stahlradwagen von 1889, bei denen die Fahrzeugführer noch per Hebel beziehungsweise Kurbel die Lenkwinkel der Räder verstellen mussten. Dieses Prinzip wurde aus dem gemütlichen Kutschenbau übernommen. Wirklich richtungsweisend war diese Lösung für das zunehmend schneller werdende Automobil allerdings nicht.Wenig verwunderlich also, dass der Anlass für die Erfindung des Lenkrads einer Teilnahme an einem Autorennen geschuldet war. Erstmalig eingesetzt hat es der französische Ingenieur Alfred Vacheron, der bei seinen Panhard & Levassor den eigentlich üblichen Lenkhebel durch ein noch recht primitives Lenkrad ersetzte. Sein Ziel: Bessere Kontrolle über das Auto, welches sich auf einer Wettfahrt von Paris nach Rouen im Jahr 1894 bewähren sollte. Drehte Vacheron das Lenkrad aus der neutralen Mittelstellung bis zum Anschlag, brauchte es dafür mehrere Umdrehungen der Lenksäule. Dies machte die Steuerung präziser, was auch höhere Geschwindigkeiten zuließ. Dennoch fuhr der Franzose nur als Elfter durchs Ziel. Seine Idee machte trotzdem Schule. So stattete ab 1898 Panhard & Levassor seine Automobile mit Lenkrädern aus. Wenig später folgten unter anderem die US-Hersteller Packard und Peerless oder Rolls in England.Auch in Deutschland wurde das Lenkrad schnell hoffähig. Im Jahr 1900 setzte zum Beispiel die Daimler-Motoren-Gesellschaft im Phoenix-Rennwagen eines mit schräg gestellter Lenksäule ein. Das erleichterte zwar die Bedienung, doch verlangte das Lenken damals hohen Kraftaufwand. 1902 baute die Daimler-Motoren-Gesellschaft den Mercedes-Simplex mit Lenkrad, um das sich außerdem Hebel zur Einstellung von Zündzeitpunkt und Gemisch gruppierten. Schon früh wurden also Zusatzfunktionen eng am Volant angeordnet. Die im Simplex waren aufgrund technischer Fortschritte im Motorenbereich bald wieder überflüssig.Eine in der Frühzeit des Lenkrads eingeführte Zusatzfunktion blieb hingegen bis heute erhalten: die Hupe. Zunächst wurden einfache Ballonhupen am Lenkradkranz montiert, schon bald folgte die Hupentaste auf der Lenkradnabe. In den 1920er-Jahren kam zudem der Hupenring auf den Lenkradspeichen in Mode, der noch bis in die 70er-Jahre üblich war.Wenige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Hupenring außerdem genutzt, die Richtungsanzeige zu aktivieren. Zunächst waren dies sogenannte Winker, also kleine Ärmchen, die mechanisch an den Fahrzeugflanken austraten, um so anderen ein Abbiegevorhaben zu signalisieren. Ab Mitte der 50er-Jahre kamen die auch heute noch üblichen Blinker auf, die sich ebenfalls per Hupenring mechanisch aktivieren ließen. In dieser Zeit wurden zudem weitere Funktionen ums Lenkrad angeordnet. Dazu gehört die Getriebeschaltung, die bis in die 70er-Jahre bei vielen Modellen üblich war und nochmals ab den Nullerjahren wieder größere Verbreitung vor allem in Oberklassemodellen fand. Als weitere wichtige Funktion kam Mitte der 50er-Jahre außerdem die Lichthupe hinzu.Eine andere epochale Innovation dieser Zeit war die Servolenkung. Erstmalig angeboten wurde sie 1951 vom US-Autobauer Chrysler. Doch das teure Extra setzte sich nur langsam durch. Was heute selbstverständlich erscheint, blieb lange Zeit die Ausnahme und die Lenkarbeit trotz großer Lenkräder und großer Lenkübersetzungen meist noch ziemlich kräftezehrend.Material und Form des Lenkrads befanden sich stets im Wandel. In der Anfangszeit handelte es sich um einfache, bisweilen grobschlächtige Riesenringe aus Holz oder Stahl. Letztere wurden alsbald mit frühen Kunststoffen wie Bakalit oder später auch mit Edelhölzern ummantelt und mit Griffmulden auch erste ergonomische Ausformungen eingeführt. Zunehmend wurden Materialien zudem wohnlich und das Lenkrad ein wichtiges Element in der Gestaltung einer haptischen Erlebniswelt. Mit griffigen und zugleich elastischen Kunststoffen und Lederummantelungen mutierten diese zunehmend zu Handschmeichlern.Seit Ende der 50er-Jahre spielte die Sicherheit der Lenkräder zum Schutz der Insassen eine zunehmend größere Bedeutung. Der am Ende der Dekade eingeführte Mercedes W111 zeichnete sich unter anderem durch ein Sicherheitslenkrad mit deformierbarer Prallplatte sowie einer geteilten und nach hinten versetzten Lenksäule aus. Diese half, den Lanzeneffekt zu vermeiden. Parallel wurden außerdem Lenkstockhebel mit zunehmend mehr Funktionen belegt, so dass ein Hebel für die Bedienung von Blinker und Lichthupe sowie später außerdem Scheibenwischer nutzbar war.In den 50er- und 60er-Jahren wurden Lenkräder zudem ikonisierte Designobjekte, die zudem Markenidentitäten vermittelten. Zu einem besonders wichtigen Detail wurden die heute obligatorischen Markenlogos in der Lenkradmitte. Lenkräder wurden auch im Sinne einer Ausdifferenzierung der Marken mit unterschiedlich vielen Speichen gebaut. Eine Ikone hat Citroen in den 50er-Jahren mit dem Einspeichenlenkrad erschaffen, das erstmalig im Ausnahmenmobil DS zum Einsatz kam.In den 70er-Jahren wurden unter anderem die Aufprallfunktionen des Lenkrads weiter verfeinert, wie etwa beim 1971 eingeführten Mercedes 350 SL Roadster mit Vierspeichen-Sicherheitslenkrad. Hier wurde statt des Hupenrings die Sensorik für das Signalhorn in die Lenkradmitte verfrachtet. Wenige Jahre später wanderte auch die Bedienung eines Tempomats in den Lenkradbereich sowie zwei Jahrzehnte später die der Abstandstempomaten.In den 80er-Jahren kamen die ersten Fahrerairbags auf, die zentral in den Pralltopf integriert wurden. Angesichts ihrer herausragend guten Wirkung eroberte sich diese Sicherheitstechnik bereits Anfang der 90er-Jahre einen festen Platz in der Serienausstattung bei den meisten Herstellern und über alle Segmente hinweg. In der frühen Zeit der Airbags war ihre Integration häufig noch mäßig elegant, während sie sich heute smart und unsichtbar in den Lenkrädern verstecken.Ende der 90er-Jahre wurden dann Lenkräder nicht nur ergonomischer, sondern außerdem noch Multifunktionsschnittstelle für viele Funktionen aus dem Infotainment- und Kommunikationsbereich. Neben Lautstärkeregelung und Telefontaste wurden auch Schalter integriert, mit denen sich mit Hilfe eines zentralen Cockpitdisplays angezeigte Menüstrukturen etwa vom Bordcomputer steuern lassen.Mit neuen Funktionen hielten immer mehr Kabel, Platinen und Sensoren Einzug ins Lenkrad. Um sie und den Airbag zu verstecken, wurden Lenkräder ab den 2000er-Jahren immer wuchtiger. Parallel wurde ihre Gestaltung immer feiner. Aus den zunächst polygonalen Formen entwickelten sich geometrische Formen mit einem Kreis in der Mitte und fließenden Speichenformen.Bis in die Jetztzeit wurden die Funktionsumfänge bei Lenkrädern immer weiter ausgebaut. In vielen Autos sind sie zu regelrechten Kommandozentralen herangereift, die nicht nur mechanische Schalter und Drehknöpfe, sondern auch berührungsempfindliche Oberflächen zur Erkennung von Wischgesten integrieren. Seit einigen Jahren dienen Lenkräder zudem zur unterschwelligen Kommunikation mit den Überwachungssystemen des Fahrzeugs. Die Sensorik merkt in vielen Autos bereits, ob der Fahrer müde ist oder etwa die Hände nicht am Lenkrad hält. Meist wird dies anhand der Lenkbewegungen erkannt, mittlerweile gibt es alternativ Sensormatten, wie etwa in der neuen Mercedes E-Klasse, die Fahrerhände erspüren.Werden keine erspürt, warnen die Systeme den Fahrer zunächst oder leiten bei ausbleibender Reaktion des Fahrers sogar eigenständig Rettungsmanöver ein. In vielen Autos kann die Technik bereits vollständig die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen. Mittlerweile befinden wir uns an der Schwelle zum autonomen Fahren. Wenn es in einigen Jahren soweit ist, wird auch das Lenken durch einen Fahrer und damit das Lenkrad an sich überflüssig. Zudem experimentieren Designer beispielsweise mit Joysticks, wie sie aus Konsolen oder der Fliegerei bekannt sind. Wie lange wir noch am Lenkrad festhalten werden, ist ungewiss. Vermutlich noch einige Jahrzehnte und wohl auch in moderneren Varianten als heute üblich dürfte es uns in vielen Autos erhalten bleiben.Eine der größten Selbstverständlichkeiten in einem Auto ist das Lenkrad. Das war nicht immer so und wird vermutlich auch nicht ewig so bleiben.
Fazit
Eine der größten Selbstverständlichkeiten in einem Auto ist das Lenkrad. Das war nicht immer so und wird vermutlich auch nicht ewig so bleiben.

Quelle: Autoplenum, 2020-05-20

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