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Testbericht

Stefan Grundhoff, 18. Mai 2009
Die Mille Miglia ist weltweit das schillerndste Rennen der Oldtimerszene. Drei Tage lang tauchen knapp 400 Fahrzeuge in die Tiefen des italienischen Stiefels ein und begeistern das Publikum. Wir sind mitgefahren.

Kinder bekommen schulfrei, Geschäfte öffnen bis weit in die Nacht und an Abgasen, Falschparkern oder Motorenlärm stört sich auf einmal niemand mehr. Die Polizisten winken freundlich mit ihren Kellen, wenn man mit Höchstgeschwindigkeit an ihnen vorbeirast und die Mechaniker bekommen drei Tage keinen Schlaf. Was sind schon Massenevents wie die Rallye Monte Carlo, der Giro d’Italia oder gar die Tour de France? Die Mille Miglia ist es, die jedes Jahr halb Italien in den Ausnahmezustand versetzt.

Als Stirling Moss 1955 in der Fabelzeit von knapp mehr als zehn Stunden die Mille Miglia als Sieger beendete, war das kaum anders. Auch da standen jung und alt an der Strecke und jubelten den Rennfahrern zu, die damals noch echte Helden waren und nicht selten mit dem Leben spielten. Rund 50 Jahre nach dem letzten echten Rennen ist die Mille Miglia das bekannteste und imageträchtigste Oldtimerrennen der Welt. Es geht dann im nördlichen Teil Italiens weniger um echte Bestzeiten, sondern mehr darum, anzukommen. Den eigenen Oldtimer ins rechte Licht zu rücken und die unvergleichliche Atmosphäre in sich aufzusaugen. Wie einst geht die Strecke auch heute von Brescia nach Rom und zurück. 1.600 atemberaubende Kilometer durch die schönsten Regionen Norditaliens: Vorbei an Ferrara, Ravenna, San Marino, Rom, Pienza, Siena und Florenz. Was Rekordfahrer Stirling Moss im 1955 in kaum mehr als zehn Stunden erledigte, dazu lassen sich die Rennfahrer heute zweieinhalb Tage Zeit – noble Übernachtungen und genussreiche Verköstigungen eingeschlossen.

Die Autos von heute sind jedoch die gleichen wie damals. Nachdem das Reglement der Oldtimerveranstaltung in den vergangenen Jahren enger gezurrt wurde, sind nur noch Rennwagen im Originalzustand der Jahre 1927 bis 1957 erlaubt. Und sie müssen in dieser Zeit bereits Rennen gefahren sein. Trotzdem gibt es jedes Jahr weit mehr Anmeldung als freie Plätze da sind. Bei der Auflage des Jahres 2009 wurde das Teilnehmerfeld von zwei spektakulären Piloten angeführt. Publikumsliebling ist Ex-Formel 1-Fahrer David Coulthard. Er ging im Siegerwagen von Stirling Moss an den Start. Der 310 PS starke und 300 km/h schnelle Mercedes 300 SLR ist einer der exklusivsten Rennwagen der Welt. Im Gespann des Historien-SLR mit der Startnummer 289, der die Strecke 1955 in eben jenen zehn Stunden absolvierte, fuhr Formel-1-Weltmeister Mika Hakkinen. Sein Gefährt ist im Vergleich zum 300 SLR geradezu futuristisch. Der Ur-Ur-Enkel "Mercedes SLR Stirling Moss" verzichtet ebenfalls auf Windschutzscheibe und schmückendes Beiwerk, ist 650 PS stark und 350 km/h schnell.

Doch die anderen knapp 400 Oldtimer brauchten sich in Sachen Exklusivität und Rennzustand nicht zu verstecken. BMW ging mit einer ganzen Armada an den Start. Die schnellen 328er gehören zu den Stars jeder Mille Miglia. Diesmal ebenfalls im Gepäck der geschlossene Tourenwagen BMW 328, der 1940 die Mille Miglia gewann. Ferrari, Maserati, Aston Martin, Alfa Romeo, Fiat, Triumph oder Porsche - nicht nur ausgewiesenen Oldtimerfans fallen bei den engen Ortsdurchfahrten jedes Jahr schier die Augen aus dem Kopf. Staunen, anfassen, kurz einsteigen während die Rennwagen aufgetankt werden oder die Insassen sich einen kurzen Snack in der Bar holen. "So etwas gibt es nur hier in Italien", findet David Coulthard.

Wenn die Mille Miglia läuft, ist die Hälfte Italiens drei Tage aus dem Häuschen - und das im Wortsinn. Für Verkehrsregeln interessiert sich in diesen Tagen niemand und die Polizei läßt sich lieber die Kellen mit Autogrammen signieren als dass sie Strafzettel verteilt. Dabei ist das Rennen fernab davon, eine reine Touristenrundfahrt zu sein. Fahrer und Copiloten sind Wind, Wetter, Geschwindigkeit und dem ausgesetzt, was die vorausfahrenden Fahrzeuge ihnen so alles nach hinten wirbeln. So sehen die Teilnehmer nach mehr als 12 Stunden Fahrt im Auto dann auch aus: "Als ich gestern Abend im Bett lag, haben meine Hände von der Lenkung noch gezittert", erzählt David Coulthard, der in diesem Jahr zum ersten Mal bei der Mille Miglia startete. "Kaum zu glauben, was Stirling Moss damals bei seiner Rekordfahrt mit diesem SLR geleistet hat. Tausend Meilen in kaum mehr als zehn Stunden – unfassbar."

Uwe Karrer ist in einem Begleitfahrzeug immer dabei. Er ist der Chefmechaniker des 300 SLR und kennt den Rennwagen mit der Produktionsnummer S 10 wie kein anderer. Allmorgendlich bringt er den 310 PS starken Motor auf Touren. "Einfach starten und losfahren ist nicht", erklärt er: "Motor und Öl müssen gleichmäßig warm werden." Das Getöse des 300 SLR ist jedoch nicht nur beim Start gewaltig. Die Doppelrohre an der rechten Fahrzeugseite spucken Flammen und lassen die Fahrt im 300 SLR nicht selten zur Tortur werden. Der Fußraum des offenen Zweisitzers hat über 60 Grad Celsius. Dafür fehlen Dach, Türen und eine echte Windschutzscheibe. Sein Buch-Wert steht in umgekehrtem Verhältnis zu seiner Bequemlichkeit: rund 30 Millionen Euro.

Die 1.600 Kilometer lange Strecke der Mille Miglia 2009 selbst ist reich an Höhepunkten. Das können die Rennfahrer an drei Tagen trotz schneller Geschwindigkeiten durchaus genießen. Die einen lieben die stundenlangen Fahrten durch die hügelige Toskana, andere lassen sich von den Orts- und Stadtdurchfahrten begeistern. Pienza, San Marino, Florenz oder Siena sind ebenso im Ausnahmezustand wie Ferrara oder der Passo della Futa, die wohl schönste Stelle jeder Mille Miglia. 50 Kilometer nördlich von Florenz geht es hinauf bis auf 903 Meter. Ein dunkler VW Käfer von 1954 keucht den kurvigen Höhen hinauf, während ein Ferrari 250 GT im leichten Drift den Hang hinauf prügelt. Ein alter Triumpf hat es noch nicht geschafft - unter der offenen Motorhaube suchen kluge Köpfe am Straßenrand nach einer Lösung des Problems.

Der Lärm von alten Boliden wie Aston Martin DB3, Ferrari 250 GT, Alfa Romeo 8C oder eben Mercedes 300 SLR erschüttern die alten Mauern in ihren Grundfesten. Die meisten Italiener lassen Patriotismus Patriotismus sein und jubeln was das Zeug hält - egal, ob der alte Renner aus einen heimischen Produktionsanlage kommt oder nicht. Nach dem Rennen haben dann wieder die Mechaniker das Sagen. Die Fahrer liegen erschöpft im Bett oder gönnen sich lokale Köstlichkeiten zur Stärkung. Mechaniker Uwe Karrer ist zufrieden mit seinem Mercedes 300 SLR: "Der Wagen läuft einwandfrei. Ich musste nicht einmal Öl oder Wasser nachfüllen. David Coulthard sitzt zum ersten Mal auf dem Wagen und fährt wirklich gut – und sehr schonend." Karrer weiss trotzdem: „Für mich geht die Arbeit hinterher erst richtig los. Der 300 SLR bekommt eine Durchsicht. Und allein das Putzen dauert eine knappe Woche."

Quelle: Autoplenum, 2009-05-18

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