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Testbericht

23. Februar 2017

Nardo (Italien), 24. Februar 2017

Ich hätte jetzt anfangen können mit "Porsche macht Elektro-ernst” oder "Frontalangriff auf Tesla”, aber erstens lesen Sie das überall anders auch und zweitens klingt es ziemlich bescheuert. Was - zumindest für mich - deutlich weniger bescheuert klingt ist, dass Porsche ganz schön einen an der Waffel hat. Das war mein erster Gedanke zum neuen Panamera Turbo S E-Hybrid und ist durchweg positiv gemeint. Oder fällt Ihnen vielleicht etwas besseres ein, für die absurd-glorreiche Idee, den 550-PS-Biturbo-V8 des Panamera Turbo mit einem 136 PS starken Elektromotor in die Kiste zu schicken? Jawohl, Zuffenhausen sendet eine Message und macht tatsächlich einen Plug-in-Hybrid zum Topmodell seiner Flaggschiff-Baureihe. Nun durfte sich eine kleine Handvoll Medienvertreter das E-Spektakel noch vor der offiziellen Premiere auf dem Genfer Autosalon erstmals vom Beifahrersitz aus zu Gemüte führen. Ich gehörte glücklicherweise dazu und werde Ihnen in der Folge erzählen, wie sich der neue - einmal tief Luft holen - "Performance-Leader im Plug-in-Hybrid-Luxury-Sedan-Segment” so anfühlt. Ach ja, so viel schon mal vorne weg: Wenn Sie sich gerne ganz wortwörtlich den Atem rauben lassen, dann sollten Sie dieses Fahrzeug in Erwägung ziehen. Es geht in der Tat ziemlich gut nach vorne.

Elektro-Vorschlaghammer
Zuerst einmal aber die harten Fakten. Die haben es schließlich ganz schön in sich. In den Gesprächen mit diversen Porsche-Verantwortlichen konnte ich immer wieder heraushören, dass man mit der eher milden Hybrid-Strategie beim Vorgänger-Panamera oder dem noch aktuellen Cayenne nicht komplett glücklich war. Nach dem Motto: Effizienz sei ja durchaus begrüßenswert, aber um die Kundschaft wirklich vom Hybrid zu überzeugen, sei die Performance-Komponente - gerade für ein Unternehmen wie Porsche - unerlässlich. Sprich: Elektrifizierung nicht nur wegen einem Mehrwert beim Verbrauch, sondern vor allem wegen einem Mehrwert in Sachen Bumms. Ein grünes Gewissen macht mit einem ordentlichen Tritt ins Kreuz schließlich gleich nochmal so viel Spaß. Wo die Reise hingeht, konnte man ja schon beim kürzlich vorgestellten Panamera 4 E-Hybrid mit 463 PS erahnen. Naja und jetzt, jetzt holt Porsche mit dem neuen Turbo S E-Hybrid eben den ganz großen Elektro-Vorschlaghammer raus und kombiniert den elektrischen Antriebsstrang des 4 E-Hybrid mit dem bekannt unbarmherzigen 4,0-Liter-Biturbo-V8 des Panamera Turbo.

130 PS und 260 Kilo mehr
550 PS und 770 Newtonmeter aus dem Verbrenner und 136 PS sowie 400 Newtonmeter aus dem E-Motor werden zu einer Systemleistung von 680 PS und 850 Newtonmeter. Über eine Achtgang-Doppelkupplung (sechs "normale” Gänge, zwei Overdrive-Gänge) geht der ganze Wumms an alle vier Räder. Das Elektro-Setup inklusive 14,1-kWh-Batterie, Verkabelung und Peripherie ist im Prinzip identisch mit dem des Panamera 4 E-Hybrid. Lediglich das Getriebe musste für die höheren Drehmomentwerte angepasst werden. Alles in allem steigt das Gewicht gegenüber dem Panamera Turbo um etwa 260 Kilo (127 Kilo gehen auf das Konto der Akkus), womit der Turbo S E-Hybrid letztlich bei SUV-ösen 2,35 Tonnen aufschlägt. Immerhin: Dank der Batterieanordnung unterm Kofferraum verbessert sich die Gewichtsverteilung um zwei auf fast perfekte 52:48 Prozent. Naja, und wie Sie sich vermutlich vorstellen können, nehmen auch die Fahrleistungen keinen Schaden. Ganz im Gegenteil: Von 0-100 km/h eskaliert der Turbo S E-Hybrid in 3,4 Sekunden (Panamera Turbo: 3,6 Sekunden), von 0-200 km/h nimmt er dem normalen Turbo mit 11,7 Sekunden sogar über eine Sekunde ab. Wer bereits das Vergnügen mit besagtem Top-Benziner hatte, darf es jetzt kurz mit der Angst zu tun bekommen.

Ein ganzes Eck heftiger als im Turbo
Dass die Nummer mit der Angst durchaus berechtigt ist, erfahre ich nur kurze Zeit später auf dem Handlingkurs in Nardo (wo sonst sollte man dieses Auto vorstellen …). Mein Chauffeur Timo Bernhard vollführt zum Einstieg in den Hybrid-Wahnsinn einen astreinen Launch-Control-Start, auf dessen beinahe lächerliche Wucht hin sich meine inneren Organe erstmal ganz neue Aufenthaltsorte suchen. Ich habe mich wirklich bemüht, auf ziemlich viel Druck gefasst zu sein, ein wenig überrumpelt hat mich der Panamera Turbo S E-Hybrid allerdings trotzdem. Es könnte daran liegen, dass schon ab 0 U/min sehr viele der 850 Newtonmeter an den bemitleidenswerten Achsen reißen. Von 1.400 bis 6.000 Touren steht dann das komplette Drehmoment zur Verfügung. Es fühlt sich tatsächlich noch ein ganzes Eck heftiger an als im Panamera Turbo und plötzlich wird so ein Plug-in-Hybrid-Antrieb eine ziemlich sexy Angelegenheit.

In der Kurve merkst du das Gewicht
Timo wirft die Streitaxt unter den E-Limousinen mit gut 200 km/h in die erste lange Links und freut sich tierisch über die Balance, das Vertrauen sowie all den Grip und Monster-Drang aus der Kurve heraus. Der Mann muss es wissen, wurde er doch 2015 auf dem Porsche 919 Hybrid Fahrerweltmeister der FIA-Langstrecken-WM. Das Tempo in den Kurven ist verblüffend hoch und der barbarische Schub ab dem Scheitel jedes Mal aufs Neue eine ziemliche Sensation. Wie sehr der zusätzliche Elektro-Boost die Vierteltonne Extra-Ballast kaschiert, ist schon recht schwer zu fassen. In der Kurve merkt man dann aber doch, wie der Turbo S E-Hybrid mit den Pfunden zu kämpfen hat. Porsche photoshopt den Hybrid-Speck mit allerlei serienmäßigen Fahrdynamik-Goodies wie dem Drei-Kammer-Luftfahrwerk inklusive Porsche Active Suspension Management (PASM), einer aktiven Wankstabilisierung (PDCC Sport) oder dem Torque Vectoring Plus zwar so gut es geht weg, aber hier fährt halt noch immer ein Fünf-Meter-Schiff mit einem Batzen Batterien unterm Hintern. Und mit dem Auftrag bei aller Porsche-heit doch bitte auch Luxus-Limousine zu bleiben. Sprich: Auf der Strecke wankt, neigt und schiebt es immer ein bisschen, dafür bleibt es auch im Sport-Plus-Modus stets komfortabel.

Magenschwinger bei 250 km/h
Nun bin ich mir fast sicher, dass Porsche auch mit einem 2,35-Tonnen-Plug-in-Hybriden eine aberwitzige Rundenzeit in den Nordschleifen-Teer brennen kann (und wohl auch wird). Aber am eindrucksvollsten wirkt der Panamera Turbo S E-Hybrid nach wie vor, wenn man einfach das Gaspedal durch die Fußmatte drückt. Sie sehen schon, mittlerweile sind wir am berühmten Nardo-Highspeedoval angekommen. Diesmal lümmle ich im Fond und kann mir die abenteuerlich steigenden Geschwindigkeiten gemütlich auf dem Tablet vor mir ansehen. Porsche-Testfahrer Lars Kern (hält den Panamera-Rundenrekord auf der Nordschleife mit 7:38 Minuten) beschleunigt wie nichts auf 200 km/h, haut den Pinsel bei 215 km/h nochmal richtig ins Blech und selbst jetzt spürt man noch das berühmte Kribbeln in der Magengegend. Der Schwinger hält ungefähr bis 270, dann geht es ziemlich stringent weiter bis Tacho 316. Das ist schon alles richtig richtig fein. Vor allem, weil das Auto dabei so wahnsinnig mühelos wirkt. Während Lars uns mit gut 200 Meilen pro Stunde durch diese Zwölf-Kilometer-Dauerkurve lenkt, Witze reißt und auf den "großartigen Meerblick da vorne” verweist, spüre ich im Fond von all dem Hochgeschwindigkeitstheater so gut wie garnichts. Wirklich sehr beeindruckend, diese schöne neue Hybrid-Welt (Lars übrigens auch, super Typ).


Wenn, dann hier

Bleibt die große Frage, ob es das ganze Hybrid-Brimborium wirklich braucht. Man könnte ja meinen, ein 462-PS-Hybrid sollte eigentlich reichen. Aber wo der Panamera 4 E-Hybrid eher den inneren Buchhalter anspricht, holt der Turbo S E-Hybrid auch den eigenen, Asphalt-vernichtenden Adrenalinjunkie vollumfänglich ab. Ich würde nicht nur deshalb sagen: Auf jeden Fall braucht es das. Porsche hat die Technik spätestens seit dem glorreichen 918 Spyder voll drauf und wo macht eine - zugegebenermaßen noch immer recht gewichtige - Teil-Elektrifizierung derzeit mehr Sinn als in einer Luxus-Sportlimousine wie dem Panamera. Hier sind die durchs Extra-Gewicht verursachten Einbußen bei der Querdynamik nicht so wichtig wie bei einem reinrassigen Sportwagen. Hier holt man Menschen ab, die es sich leisten können und wollen, Technik-Vorreiter zu sein. Und nicht nur diese Menschen freuen sich darüber, dass ein zusätzlicher Elektromotor auch die (Über-)Lebenszeit dieser großartigen (und ziemlich wunderbar klingenden) V8-Maschine deutlich verlängern dürfte. Ich meine: Natürlich sind die 2,9 Liter Normverbrauch in der Realität ziemlicher Unfug, aber im Alltag dürfte man dieses Monstrum mit um die acht bis zehn Liter ganz gut bewegen dürfen. Mit einem konventionellen, etwa 600 PS starken Verbrenner in einem imaginären Panamera Turbo S (ohne E-Hybrid) wäre das Utopie. Und bis zu 50 Kilometer rein elektrisch könnte der auch nicht fahren.

Ab 185.736 Euro
Bleibt zu hoffen, dass Porsches neuer Performance-Hybrid-Mut belohnt wird. Einen vergleichbaren Zwitter aus lautlos surrender Edel-Sänfte und kapital röhrendem V8-Bluthund gibt es im Moment nämlich nicht. Das hier ist der stärkste und schnellste Plug-in-Hybrid der Welt. Und auch wenn der rein elektrische Tesla Model S P100D geradeaus noch ein wenig kranker anschiebt, hat er in puncto Fahrdynamik und Qualität doch deutlich das Nachsehen. Außerdem fährt der Tesla alles, aber bestimmt nicht locker über 300 km/h. Marktstart für den Panamera Turbo S E-Hybrid ist im Juli 2017. Die Preise starten bei 185.736 Euro. Die Langversion "Executive” mit serienmäßiger Hinterachslenkung beginnt bei 199.183 Euro. Der Preisaufschlag für das neongrüne Typenschild beträgt also knapp 32.000 Euro. Abzüglich der Mehrausstattung gegenüber dem Panamera Turbo (unter anderem Keramikbremsen, 21-Zoll-Räder, PDCC, Sport Chrono Paket und Standklimatisierung) bleibt somit ein Elektro-Aufschlag von etwa 13.000 Euro.
Testwertung
5.0 von 5

Quelle: auto-news, 2017-02-23

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