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Testbericht

Wolfram Nickel/SP-X, 6. November 2016

Kompakte Muscle Cars, ein Kult in den USA, der vor 50 Jahren seinen Höhepunkt erreichte als harmlose Familiencoupés mit mächtigen V8 unter der langen Haube zu brisanten Geschossen mutierten. War der Pony-Express einst im Wilden Westen das schnellste Transportmittel, übernahmen nun bezahlbare Pony Cars diese Aufgabe. Ford machte es 1964 mit dem Mustang vor und Erzkonkurrent Chevrolet konterte zwei Jahre später mit dem Camaro. Coupés und Cabriolets, die maximale Power zu minimalen Preisen boten, bisweilen aber schneller aussahen als sie tatsächlich über die Viertelmeile donnerten. Denn zum Erfolgsrezept von Mustang wie auch Camaro zählten volkstümliche Basisversionen, die erst durch Häkchen an die endlosen Optionenlisten erstarkten.
 
Andererseits sollte der mittlerweile über fünf Millionen Mal verkaufte Camaro als Mustang-Killer Karriere machen und dazu waren heiße Motoren notwendig. Weshalb Chevrolet-Chef und Leistungsfetischist Peter Estes – unter ihm entstand der Pontiac GTO als Urvater aller Muscle Cars – die Premiere des Camaro mit einem Donnerschlag ausklingen ließ. Als Journalisten fragten, was der so harmlos klingende Name Camaro bedeuten sollte, antworteten Chevrolet-Mitarbeiter: „Ein kleines, böses Tier, das Mustangs frisst“. In den Verkaufsstatistiken klappte das seltener, aber auf Teer und Tarmac stob der Camaro in bitterbösen Versionen davon. Sei es 1969 als 427 kW/580 PS starker, unschlagbar schneller ZL-1-Dragracer oder heute, in sechster Generation als „50th Anniversary Edition“ mit Tempo 290 und 6,2-Liter-V8.
 
Da hat der aktuelle Mustang mit kleinerem 5,0-Liter-V8 und bei 250 km/h kastrierter Vmax klar das Nachsehen. Andererseits konnte der Camaro in den Absatzzahlen schon in seinem Geburtsjahr keine blutigen Schlagzeilen als „Mustangfresser“ machen. Über 220.000 verkaufte Camaro waren 1966 zwar für sich genommen ein stolzes Resultat für das Ponycar, das GM unter dem Codenamen Panther entwickelt hatte. Aber es war ein bescheidenes Ergebnis gegenüber den 680.000 Mustangs, die Ford in dessen Auftaktjahr verkauft hatte. Gemeinsam waren Camaro und Mustang sogar so stark, dass andere Compact-Coupés wie AMC Javelin oder Plymouth Barracuda keine Chance hatten, in den Zulassungscharts nach vorn zu fahren. Spannender war der 1967 aufgelegte Zwillingsbruder des Chevrolet Camaro, der Pontiac Firebird. Allerdings achtete Mutter GM durch strikte Markentrennung darauf, dass sich Camaro und Firebird nie wirklich ins Gehege kamen, bevor der Firebird 2002 eingestellt wurde. Dessen Konzernkamerad Camaro – manche Medien mutmaßten sogar, der Name Camaro beziehe sich auf das französische Wort camarade (Kamerad) – durfte deshalb ab der fünften Generation dem Ford Mustang allein in die Spur fahren.
 
Ähnlich wie am Anfang, als es den Ur-Camaro wahlweise mit harmlosem 3,8-Sechszylinder gab oder mit bitterbösem 6,5-Liter-V8 und „SS“-Typencode. Wirklich giftig wie sonst nur die Ausgeburten des Carroll Shelby für Ford war der 1967er Camaro mit Z/28 Performance Package. Ein straßentaugliches Renntier für die Trans-Am-Serie, dessen 4,9-Liter-Small-Block-V8 nominell nur 213 kW/290 PS bei 5.300 Touren abgab. Mit diesem Trick konnten die Versicherungsprämien unter Kontrolle gebracht werden. Die Wahrheit sah so aus: Bei 7.000 Umdrehungen und dank Vierfach-Vergaser entfesselte der 4,69 Meter kurze und 1.390 Kilogramm leichte Chevy 268 kW/360 PS, mit zwei Vierfach-Vergasern mindestens 298 kW/400 PS. Zur Einordnung: Ferraris V12-Fighter ließen sich damals in Europa feiern, weil sie gerade die 300-PS-Grenze geknackt hatten.
 
Noch mehr Feuer fürs Image und höhere Verkaufszahlen für die ganze Camaro-Reihe brannte 1969 die Topversion ZL-1 in die Geschichtsbücher. Den Bestie ZL-1 gab es unter dem legendären Bestellcode 9560 mit handgefertigtem 7,0-Liter-V8, der in den Papieren 316 kW/430 PS freisetzte, in Wahrheit jedoch 550 bis 580 PS. Heimlichtuerei war damals nötig, denn offiziell wollte General Motors abrüsten, um die amerikanischen Straßen sicherer zu machen. Wer eine der nur 69 gebauten ZL-1 ergatterte, war bei Viertelmeilen-Rennen unschlagbar, musste aber rekordverdächtige Verbrauchswerte von 50 Liter einkalkulieren!
 
Mit der 1970 gestarteten zweiten Generation des Camaro war das Wettrüsten unter den muskulösen Pony-Cars vorläufig beendet. Die 1971 eingeführten exorbitant hohen Versicherungsprämien für Supercars und die im Folgejahr verabschiedeten Verbrauchsvorschriften der EPA-Behörde ließen die Zulassungszahlen schrumpfen. Und dann gab es auch noch die Ölkrise von 1973/74 und das berüchtigte 55-Meilen-Tempolimit. Wichtiger als Vmax waren deshalb schnell aussehende Formen und die konnte der Camaro besser liefern als der Mustang. Tatsächlich war der zweite Camaro so gelungen, dass er zwölf Jahre in Produktion blieb und erst im Modelljahr 1979 mit 283.000 Zulassungen sein Allzeithoch erreichte. Auf Vierzylinder wie im Mustang verzichtete Chevrolet vorläufig, aber mit einem 85 kW/115 PS schwachen 3,8-Liter-V6 erlaubte sich der Camaro 1980 ebenfalls einen Tiefpunkt.
 
Den ersten von Grund auf neu entwickelten Camaro zeigte Chevrolet im Januar 1982. Die fast schon europäisch klar konturierte, dritte Generation des Sportcoupés verzichtete sogar auf die klassischen hinteren Blattfedern, nicht aber auf Downsizing-Vierzylinder. Immerhin gab es optional noch V8 und diese ab 1987 sogar im respektablen 5,7-Liter-Hubraumformat. Als schneller Imageträger wurde schon 1985 der Camaro IROC-Z ins Programm genommen, benannt nach dem „International Race of Champions“, bei dem der Chevy-Sportler auch selbst mitmischte. 1990 erstarkte der V8 auf 182 kW/248 PS – der beste Wert seit 16 Jahren und ein schönes Finale für die kantige Camaro-Generation.
 
Rundgelutscht ging es 1993 weiter, zunächst mit einem 3,4-Liter-V6 und im Z28-Topmodell mit dem 5,7-Liter-V8. Anfangs war der Camaro No. 4 nur als Coupé verfügbar, aber 1994 folgte doch ein Cabriolet. Vordergründig schien der vierte Camaro alles mitzubringen, was der Zeitgeist verlangte. Allerdings fehlte es bei genauerem Wettbewerbsvergleich doch an ausreichendem Temperament. So übertrafen bereits profane japanische Vierzylinder-Coupés die 118 kW/160 PS des Sechszylinder-Camaro, dessen Verkaufszahlen in den Keller stürzten. Für Chevrolet Anlass, das Sportcoupé 2002 ersatzlos einzustellen.
 
Dann aber feierten Kult-Coupés anderer Marken umjubelte Revivals. Allen voran der Nissan Z, aber auch die Mazda RX-Sportwagen und schließlich Erzfeind Ford mit dem Mustang. Da muss noch was gehen, dachte Chevrolet und transformierte die Formen des 1969er Camaro ins 21. Jahrhundert. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Mehr PS pro Euro als in der fünften Camaro-Generation gab es nirgends. Die Bestien mit 318 kW/432 PS-Herzen brüllten nach Burnouts, zur Freude ihrer meist extrovertierten Fahrer endlich auch wieder in Deutschland. Noch besser macht es heute der sechste Camaro, den es nächstes Jahr auch wieder als ZL1 gibt. 478 kW/650 PS stark und 300 km/h schnell!

Chronik Chevrolet Camaro:

1964: Marktstart des Ford Mustang, dessen spontaner Erfolg General Motors zur Entwicklung des Camaro veranlasst
1965: Im April verbreiten amerikanische Medien die Nachricht, dass Chevrolet einen Mustang-Rivalen unter dem Codenamen Panther entwickelt
1966: Die Pressepremiere des Camaro erfolgt in zwei Schritten, am 28. Juni erfolgt die Ankündigung und am 12. September in Detroit die Vorstellung des Camaro. Am 29. September trifft der Chevrolet Camaro in den Verkaufsräumen der amerikanischen Händler ein. Die erste Camaro-Generation ist als Coupé und Cabriolet erhältlich und mit einem Motorenprogramm aus 3,8-Liter- und 4,1-Liter-Reihensechszylindern sowie 4,9-Liter-, 5,0-Liter-, 5,4-Liter-, 5,7-Liter-, 6,5-Liter und 7,0-Liter-V8 verfügbar. Im ersten Modelljahr (1967, Beginn September 1966) verkauft Chevrolet insgesamt 220.917 Camaro als Coupé und Cabriolet
1967: Mit zusätzlichen Versionen Steigerung der Verkaufszahlen auf 235.000 Einheiten (Modelljahr 1968). Der Camaro wird als Indy-500-Pacecar eingesetzt, dies erneut im Jahr 1969
1968: 243.000 verkaufte Camaro im Modelljahr 1969 sind ein neuer Bestwert der Baureihe
1969: Dieser Modelljahrgang der ersten Camaro-Generation inspiriert Jahrzehnte später das Design der fünften Camaro-Generation
1970: Die zweite Camaro-Generation geht an den Start. Wichtige Motoren im Lauf des bis 1981 währenden Lebenszyklus sind 3,8-Liter- und 4,1-Liter-Sechszylinder, 5,0-Liter-, 5,7-Liter-, 6,5-Liter- und 6,6-Liter-V8
1971: Absatzeinbruch auf 68.000 Einheiten im Modelljahr 1972, bedingt durch verschärfte Verbrauchsvorgaben und höhere Versicherungskosten für Muscle Cars
1973: Chevrolet verzeichnet verblüffend gutes Verkaufszahlen für das im September 1973 beginnende Modelljahr 1974. Trotz der im November 1973 beginnenden Ölkrise und trotz erneuerter Konkurrenz durch den Ford Mustang II verkauft Chevrolet 151.008 Camaro und das überwiegend sogar als V8
1975: In ihrem sechsten Jahr verkauft sich die zweite Camaro-Generation besser denn je mit 183.000 Einheiten im Modelljahr 1976
1977: Mit 272.000 Einheiten erzielt der alternde zweite Camaro einen neuen Bestwert im Modelljahr 1978
1979: Mit 282.000 Verkäufen wird ein neuer Zenit erreicht
1981: Zum Modelljahr 1982 startet die dritte Camaro-Generation, die bis 1992 gebaut wird. Wichtige Motoren im Lauf des Lebenszyklus sind ein 2,5-Liter-Vierzylinder, 2,8-Liter- und 3,1-Liter-V6, 5,0-Liter- und 5,7-Liter-V8
1982: Die neue Camaro-Generation stellt das Pace-Car für die Indianapolis 500
1985: Zu diesem Modelljahr wird der IROC-Z sportlichste Camaro-Version
1987: Mit dem IROC-Z Convertible gibt es das erste Camaro Cabriolet seit 1969
1992: Zum Modelljahr 1993 startet die vierte Camaro-Generation, die bis 2002 gebaut wird. Wichtige Motoren im Lauf des Lebenszyklus sind 3,4-Liter- und 3,8-Liter-V6 sowie 5,7-Liter-V8-Aggregate
1993: Wieder wird ein Camaro zum Indy-Pace-Car gekürt, in diesem Fall ein Camaro Z28   
2002: Chevrolet Camaro und Pontiac Firebird werden am 27. August eingestellt. Ein rotes Camaro Z28 Convertible bildet den Abschluss
2006: Bei der NAIAS in Detroit zeigt Chevrolet ein Camaro Coupé als Concept Car
2007: Chevrolet enthüllt ein Camaro Convertible Concept bei der NAIAS in Detroit
2009: Einführung der fünften Generation des Camaro als Coupé und Convertible. Schon im ersten Jahr werden rund 62.000 Einheiten verkauft. Wichtige Motoren im Lauf des Lebenszyklus sind 3,4-Liter- und 3,8-Liter-V6 sowie 5,7-Liter-V8-Aggregate
2010: Der Camaro wird Filmstar im Kinostreifen „Transformers“
2013: Ein Camaro Z/28 erzielt auf der Nürburgring-Nordschleife die Zeit von 7:37,40 Minuten
2015: Am 16. Mai präsentiert Chevrolet die sechste Camaro-Generation als Coupé und als Convertible. Dieser Camaro zählt bereits zum Modelljahr 2016. Unter der Haube kommen wahlweise ein 2,0-Liter-Vierzylinder, ein 3,6-Liter-V6 und ein 6,2-Liter-V8 zum Einsatz
2016: Mit vielfältigen Jubiläumsaktivitäten feiert Chevrolet den 50. Jahrestag des Camaro. Auch ein Sondermodell „50th Anniversary Edition“ wird aufgelegt

Ausgewählte Produktionszahlen:

Insgesamt über 5,0 Millionen Chevrolet Camaro,
davon 58.808 Sechszylinder und 162.109 V8 des Modelljahres 1967, 50.937 Sechszylinder und 184.178 V8 des Modelljahres 1968, 65.008 Sechszylinder und 178.087 V8 des Modelljahres 1969, 12.566 Sechszylinder und 112.323 V8 des Modelljahres 1970, 11.178 Sechszylinder und 103.452 V8 des Modelljahres 1971, 4.824 Sechszylinder und 63.832 V8 des Modelljahres 1972, 3.614 Sechszylinder (Q87) und 60.810 V8 (Q87) und 32.327 V8 LT (S87) des Modelljahres 1973, 22.210 Sechszylinder (Q87) und 79.835 V8 (Q87) und 48.963 V8 LT (S87) des Modelljahres 1974, 29.749 Sechszylinder (Q87) und 76.178 V8 (Q87) und 39.843 V8 LT (S87) des Modelljahres 1975, 38.047 Sechszylinder (Q87) und 92.491 V8 (Q87) und 52.421 V8 LT (S87) des Modelljahres 1976, 131.717 Sechszylinder (Q87) und 72.787 V8 LT (S87) und 14.349 V8 Z/28 (Q87) des Modelljahres 1977, 134.491 Sechszylinder (Q87) und 11.902 (Q87 Rally Sport Coupe) und 65.635 V8 LT (S87) und 5.696 (S87 LT Rally Sport Coupe) und 54.907 V8 Z/28 (Q87) des Modelljahres 1978, 111.357 Sechszylinder (Q87) und 19.101 (Q87 Rally Sport Coupe) und 67.236 V8 Berlinetta Coupé (S87) und 84.877 V8 Z/28 (Q87) des Modelljahres 1979, 68.174 (P87) und 12.015 (P87/Z85 RS Coupe) und 26.679 Berlinetta Coupé (S87) und 45.137 Z/28 (P87) des Modelljahres 1980, 62.614 (P87) und 20.253 Berlinetta Coupé (S87) und 43.272 Z/28 (P87) des Modelljahres 1981, 78.761 (P87) und 39.744 Berlinetta Coupé (S87) und 63.563 Z/28 (P87) des Modelljahres 1982, 63.806 (P87) und 27.925 Berlinetta Coupé (S87) und 62.100 Z/28 (P87) des Modelljahres 1983, 127.292 (P87) und 33.400 Berlinetta Coupé (S87) und 100.416 Z/28 (P87) des Modelljahres 1984, 97.966 (P87) und 13.649 Berlinetta Coupé (S87) und 47.022 Z/28 (P87) und 21.177 IROC-Z (P87/B4Z) des Modelljahres 1985, 99.517 (P87) und 4.479 Berlinetta Coupé (S87) und 38.547 Z/28 (P87) und 49.585 IROC-Z (P87/B4Z) des Modelljahres 1986, 83.890 (P87) und 52.863 Z/28 P87 sowie IROC-Z P87/B4Z und 1.004 Camaro Cabriolet des Modelljahres 1987, 66.605 (P87) und 24.050 IROC-Z P87/B4Z und 5.620 Camaro Cabriolet des Modelljahres 1988, 61.648 Camaro im Produktionsjahr 2009, 81.299 Camaro im Produktionsjahr 2010, 88.249 Camaro im Produktionsjahr 2011, 84.391 Camaro im Produktionsjahr 2012, 80.567 Camaro im Produktionsjahr 2013, 86.297 Camaro im Produktionsjahr 2014 sowie 77.502 Camaro im Produktionsjahr 2015.

Es ist dieser Vroom-Faktor, der den Camaro so begehrenswert macht. Mit 290 km/h Topspeed fährt die aktuelle Jubiläumsausgabe des Ponycars ihrem Erzrivalen Mustang um die Nüstern. Dabei war es der Ford, der vor einem halben Jahrhundert diesen schnellen und PS-gewaltigen überhaupt erst Chevy initiierte.

Fazit
Es ist dieser Vroom-Faktor, der den Camaro so begehrenswert macht. Mit 290 km/h Topspeed fährt die aktuelle Jubiläumsausgabe des Ponycars ihrem Erzrivalen Mustang um die Nüstern. Dabei war es der Ford, der vor einem halben Jahrhundert diesen schnellen und PS-gewaltigen überhaupt erst Chevy initiierte.
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2016-11-06

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