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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 26. April 2015
Zum Schluss funktionierten die bewährten Mechanismen nicht mehr: Ferdinand Piëch hat alles in die Waagschale geworfen und die letzte Schlacht seines Wirkens im VW-Konzern verloren. Der Patriarch, der jahrzehntelang die Geschicke von Europas größtem Autobauer bestimmte, wurde vom VW-Aufsichtsrat aus seinen Ämtern gedrängt. Ein Portrait eines Machtmenschen.

"Die Mitglieder des Präsidiums haben einvernehmlich festgestellt, dass vor dem Hintergrund der vergangenen Wochen das für eine erfolgreiche Zusammenarbeit notwendige wechselseitige Vertrauen nicht mehr gegeben ist. Vor diesem Hintergrund hat Prof. Dr. Ferdinand K. Piëch sein Amt als Vorsitzender des Aufsichtsrates sowie alle seine Aufsichtsratsmandate innerhalb des Volkswagen Konzerns mit sofortiger Wirkung niedergelegt", mit diesen nüchternen Worten vermeldete eine Pressemitteilung des VW-Konzerns das Ende einer jahrzehntelangen Karriere bei VW, Audi und Porsche.

Letztendlich ist der Patriarch an seinen eigenen Mechanismen gescheitert. Das Ende begann mit einer Äußerung, die einschlug, wie der berühmte Blitz. "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn", ließ Ferdinand Piëch verlauten. Ein Satz wie eine Axt. Eine Art von Aussage, die schon anderen Managern den Boden unter den Füßen wegzog. Wie damals am 11. Mai auf Sardinien, als der damals allgewaltige Vorsitzende des VW-Aufsichtsrates zusammen mit seinem beruflichen Ziehsohn Martin Winterkorn nach Sardinien gereist war, um den neuen Polo vorzustellen. Auf die Frage, ob Porsche-Chef Wendelin Wiedeking sein Vertrauen genieße, antwortete der Enkel des Käfer-Erfinders Ferdinand Porsche in seiner unnachahmlichen Art. "Noch genießt Herr Wiedeking mein Vertrauen. Streichen Sie das noch!" Damit war der Machtkampf zwischen dem Duo Winterkorn und Piëch sowie Wiedeking, der geplant hatte VW zu übernehmen, entschieden. Wenige Wochen später trat der Porsche-Chef zurück.

Klar war, dass Martin Winterkorn den Angriff aus Stuttgart-Zuffenhausen nur mit Hilfe Piëchs abwehren konnte. Und das obwohl Piëch familiäre Beziehungen zu Porsche hatte. Doch der Machtmensch, an dem Machiavelli seine Freude gehabt hätte, setzte auf die Karte Volkswagen und Winterkorn, zog im Hintergrund die Strippen und servierte den ambitionierten Porsche-Chef eiskalt ab. Heute ist Porsche ein Teil des VW-Konzerns. Ein anderes Opfer war der ehemalige BMW- und spätere VW-Chef Bernd Pischetsrieder, den der gebürtige Wiener 2006 durch Martin Winterkorn ersetzte. Neben angeblichen persönlichen Differenzen zwischen Pischetsrieder und Piëchs, waren auch einige Entscheidungen Pischetsrieders, mit denen Piëch nicht einverstanden war, der Auslöser für die Ablösung des Müncheners. Später gab Piëch zu Protokoll: "Zu spät habe ich erkannt, den Falschen gewählt zu haben." Damit wurde einmal mehr deutlich, dass der Österreicher den Vorsitzendenden des VW-Vorstandes als von seinen Gnaden installiert sah. Senkte er den Daumen, war die Zeit an der Spitze des Wolfsburger Konzerns vorbei.

Ferdinand Karl Piëchs Karriere in der Automobilbranche war schon von Kindesbeinen an vorgezeichnet. Als Jugendlicher lauschte er gebannt den Erläuterungen seines Großvaters und genialen Konstrukteurs Ferdinand Porsche. Nach seiner Schulzeit in einem Elite-Internat studierte er Maschinenbaus an der ETH Zürich. In seiner Diplomarbeit setzte er sich mit der Entwicklung eines Formel-1-Motors auseinander. Danach stieg er in der Firma seines Onkels Ferry Porsche ein, wo er ab 1965 die Entwicklungsabteilung leitete und ab 1971 als "Technischer Geschäftsführer" fungierte. "Fehler verzeiht Ferdinand Piëch nicht", hieß es immer wieder aus seinem Umfeld. Andere, darunter auch der Formel-1-Weltmeister Graham Hill beschrieben ihn als hochintelligent und mit immensen Sachverstand ausgestattet. Er formte Porsche zu einer Motorsportmacht und war das Hirn hinter dem Porsche 917, der die Zuffenhausener Firma beinahe ruiniert hätte, aber 1970 und 1971 endlich den lang ersehnten Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans schaffte. Piëch hatte sich wieder einmal gegen alle Widerstände durchgesetzt.

Doch Piëchs Ägide bei Porsche kam zu einem jähen Ende, als die Streitereien der Mitglieder der Familien Porsche und Piëch Ferry Porsche dazu Ende 1971 veranlasste, alle Familienmitglieder der beiden Clans den Abschied aus seiner Firma nahezulegen. Der Schweiger Ferdinand Piëch fügte sich, war schwer gekränkt und schloss sich Audi an, wo er erst Leiter der Technischen Entwicklung und 1988 dann Vorstandschef wurde. Während seiner Amtszeit trieb er Entwicklungen, wie die ersten TDIs und den Audi A8 mit Aluminium-Karosserie voran. 1993 steigt Piëch zum Vorsitzenden des Volkswagen-Konzerns auf. Mit einem rigiden Sparprogramm bringt er den Konzern wieder in die Gewinnzone. Allerdings fallen unter seine Amtszeit auch Probleme, wie der verzögerte Produktionsbeginn des Golfs im Jahr 1997, der VW damals knapp 1.5 Milliarden Mark kostet. Verantwortlich ist Piëch, der in letzter Sekunde Änderungen an der Karosserie des Bestsellers verlangt, um bei Crashtests ein ähnlich gutes Ergebnis wie die Mercedes A-Klasse zu erreichen. Piëchs fast schon manischer Eifer, was die Qualität der Autos angeht, bringt ihm schnell den Spitznamen "Fugen Ferdi" ein. Im Jahr 2002 übergibt er das VW-Steuer an Martin Winterkorn, zieht aber als Aufsichtsratschef nach wie vor im Hintergrund die Strippen.

Piëch war und ist kein Kumpel-Typ. Er ließ nur wenige Menschen an sich heran. Als ihm der damalige VW-Chef Carl Hahn einmal das "Du" anbot, soll der Porsche-Enkel höflichst darum gebeten haben, "diese Ehre ausschlagen zu dürfen". Piëch wird nie laut, seine Waffe sind leise, aber umso einschneidendere Worte. Einmal in Ungnade gefallen, gibt es so gut wie keinen Weg zurück in den Dunstkreis des verschlossenen Managers, der seine Gedanken hinter seinem stechenden Blick verbirgt und sich nur wenigen offenbart. Vielleicht ist das auch eine Folge der Legasthenie, zu der sich Piëch öffentlich bekennt. Neben den Autos gilt seine Leidenschaft den Frauen. Eigenen Aussagen zufolge hat er zwölf Kinder, die aus vier Beziehungen stammen. Erholung findet er in seinem Garten und seiner Hochseejacht.

In letzter Zeit machten Gerüchte die Runde, dass der mächtige Aufsichtsratschef gesundheitlich angeschlagen sei. Das hinderte den Machtmenschen nicht daran, eine Attacke gegen seinen Ziehsohn Martin Winterkorn zu reiten, da er strukturelle Probleme in seinem Konzern ausmachte, die sich vor allem in einer zu geringen Gewinnmarge niederschlagen. Doch diesmal hat sich der gewitzte Schachspieler Piëch verkalkuliert und die Aufsichtsräte haben ihm die Gefolgschaft versagt. Das Ende einer Ära.

Quelle: Autoplenum, 2015-04-26

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