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Testbericht

Sven Jürisch, 24. November 2015

Mit gleich zwei neuen Motoren und reichlich Feinarbeit weckt Porsche neue Begehrlichkeiten am Klassiker 911. Nur ewig Gestrige werden kritisieren, dass die Ära der Saugmotoren sich damit dem Ende neigt.

Es ist wieder soweit: Der Weltuntergang steht unmittelbar bevor. Der Untergang der Marke droht und was bleibt, ist die Flucht in eines der letzten Exemplare der alten, wahren Schule: den Sauger. Denn glaubt man den Trauerbekundungen im Internet, kann das, was Porsche seinen Jüngern jetzt antut, der Marke nicht gut tun, sie sogar in den Ruin treiben.

Gemeint ist weniger der Skandal um das Abgas der 3,0 Liter Dieselmotoren, vielmehr das Ende der Saugmotorära im Porsche 911. Denn jahrelang war der Sauger mit seinen gutturalen Ansauggeräuschen die letzte sichere Bank für die Fans. Sogar das Ableben des ewig heiseren Lüftersägens beim Wechsel auf die Wasserkühlung haben sie verziehen, doch nun? Statt mit einer teuren Hubraumerweiterung nach mehr Leistung zu suchen, geht Porsche den Weg aller Massenhersteller: Downsizing und Turbolader. Kann das gut gehen?

Turbo als Standard
Turbo im Basismodell? Das war doch ein Dopingmittel, was bislang dem Spitzenmodell der Baureihe vorbehalten war. Ausnahmen wie den GT3 einmal ausgenommen. Seit 1976 war der Turbolader das Zeichen der Macht für den flügeltragenden 911er und die Rettung in jedem Autoquartett. Mit dem vom Abgas angetrieben Bauteil ging die Leistung und der Puls des Fahrers gleichsam nach oben, auch wenn das mit Nachteilen in Sachen Verbrauch und Leistungscharakteristik verbunden war. An der Basis dagegen herrschte das Prinzip des Saugers.

Bis jetzt, denn mit der technischen und optischen Überarbeitung des Porsche 911 zum Modelljahr 2016 entfällt die Möglichkeit, sich saugend dem Thema Sechszylinder-Boxer zu nähern. Der in beiden Versionen 3,0 Liter große Vierventil-Antriebssatz im Heck wird von nun an grundsätzlich zwangsbeatmet. Zwei Turbolader sorgen entweder für 370 (911 Carrera) oder 420 PS (Carrera S). Kombinierbar sind die Motoren mit allen 911er Spielarten der Preisliste, was im Falle der Karosserie die Versionen Cabriolet und Targa meint. Beim Antrieb gibt es Allrad- oder Heckantrieb, wahlweise als Schalter oder mit 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe. Die sich daraus ergebenen Kombinationen haben vor allem eines gemeinsam: Noch mehr Dampf in allen Lebenslagen, weniger Verbrauch und eine Reduktion der Schadstoffe.

Düse, düse im Sauseschritt
Und tatsächlich, nach dem ersten Schlüsseldreh des modifizierten 911ers macht sich der Unterschied schon im Leerlauf bemerkbar. Der Sechszylinder klingt gedämpfter und satter als sein Vorgänger. Das verstärkt sich nach den ersten Metern, wobei es entscheidend ist, welche Version der Abgasanlage die Schadstoffe in die Umwelt pustet. Version eins ist für das Einstiegsmodell reserviert und klingt schon mal nicht schlecht. Version zwei fährt mit insgesamt vier Endrohren auf und legt in Sachen Bass und Vibration in der Magengegend noch einmal ordentlich nach. Der Abräumer ist aber die optionale Sportabgasanlage mit der mittigen Doppelflinte im Heckabschlussblech. Sie verkündet der Gemahlin daheim bereits beim Verlassen der Autobahn die nahende Ankunft des Gatten im Porsche. Insbesondere in Kombination mit dem Schaltgetriebe lassen sich mit dieser Auspuffversion Klangeffekte zaubern, die man so bislang nur von der Rennstrecke kannte. Ein Wunder, dass es dafür eine Zulassung gibt.

Doch zurück zum Fahren: Das erreicht bereits im Basis-Elfer eine neue Dimension der Befriedigung. Der Motor ist nun noch elastischer, reagiert noch feinfühliger aufs Gas und dreht unter dem Zirpen der Lader noch leichtfüßiger hoch als bisher. Und das Turboloch vor dem Einsetzen des Laders? Gibt es nicht. Die Passagiere werden bereits kurz oberhalb der Leerlaufdrehzahl kräftig in die Sportsitze gedrückt und stellen beeindruckt fest, dass dieser Zustand bis zum Erreichen der Schaltdrehzahl durchgehend anhält.

Aufmerksame Beifahrer werden übrigens registrieren, dass der Fahrer insgesamt siebenmal den Schaltstock auf dem Weg zur Höchstgeschwindigkeit von knapp 300 km/h durch die Gassen führen kann. Alle 911er haben nämlich nun ein Siebengang-Getriebe. Der Wechsel in die 420 PS Version bringt dann die Erkenntnis, dass es immer noch besser geht. Speziell mit der „Launch Control“ genannten Schnellstart-Funktion scheint sich die Welt unter dem 911er zu drehen, so vehement beschleunigt das Auto aus dem Stand. Das macht er sowohl mit Heck- als auch mit Allradantrieb ohne Fehl und Tadel und man freut sich, dass Porsche eine Firma ist, die auch in Sachen negativer Beschleunigung eine gewisse Erfahrung aufweisen kann.

Die Aluminium-Festsattelbremsanlage, je nach Ausführung mit vier oder sechs Kolben ausgerüstet, erzielt auch beim Bremsen Bestwerte. Wem die Verzögerung der Serienanlage nicht ausreicht oder wer den Ausflug auf die Rennstrecke plant, der darf mit weiteren 10.000 Euro zur Sanierung des Volkswagen Konzerns beitragen und die Keramik-Bremse samt 20 Zoll Bereifung wählen. Gut erkennbar ist diese Investition übrigens an den gelben Bremssätteln.

Die ideale Gerade ist eine Kurve
Im Falle des Porsche 911 stimmt dieser Satz sogar, denn spätestens bei den ersten Haarnadelkurven erlebt man die nächste Überraschung im Sportwagenklassiker. Nicht nur, dass der 911er mühelos aus der Kurve federt, nein, das Auto lenkt auch so präzise und behände ein, dass man nicht glauben mag, welch ein wuchtiges Gefährt so ein 911er inzwischen ist. Etwas flotter gelingt diese Übung übrigens mit der optionalen Allradlenkung, mit der die Hinterräder aktiv angesteuert werden. Der Rest des Fahrwerks spielt dabei natürlich ebenfalls mit. Zur Not darf der Fahrer etwas nachwürzen, denn am Lenkrad sitzt (gegen Mehrpreis) der „Mode“-Schalter, der die Elektronik anweist, das Auto noch dynamischer abzustimmen.

Aber auch abseits der Piste kann der Elfer punkten, denn für den Shopping Trip in die mit Bodenwellen und Bordsteinen gespickte Innenstadt bietet Porsche nun ein Liftsystem für die Vorderachse an. Das soll verhindern, dass sich der eilig geparkte 911 seinen Bugspoiler an einem zu hohen Kantstein ruiniert. Ganz ausgereift ist das System indes nicht, denn es muss manuell mindesten fünf Sekunden vor der möglichen Feindberührung aktiviert werden. Eine automatische Erkennung ist nicht vorgesehen.

Doch meist wird der 911er Fahrer vermutlich das Valet Parking der Mall nutzen, wohin ihn das neue Navigationssystem führt. Ohne die Porsche-eigene Menüstruktur über Bord zu werfen, gelang es, das Touch Screen System auf den neuesten Stand zu bringen. Es verzichtet auf Spielereien, navigiert zuverlässig und zeigt sich moderner Kommunikation gegenüber aufgeschlossen. Das gilt auch für die restliche Bedienung, mit der der nicht Porsche-affine Laie auf den ersten Metern zurechtkommt. Erstaunlich, dass so etwas anderen Herstellern trotz reduzierter Ausstattungsumfängen nicht gelingt. Am Ende bleibt angesichts so viel Perfektion und Fahrdynamik das Resultat, dass man am liebsten als nächstes Ziel das Porsche Zentrum in der Nähe eingeben möchte um die Bestellung abzugeben: Zweimal bitte, denn doppelt hält wirklich besser.

Fazit
Auch wenn man glaubt es geht nicht besser, zeigt der aktuelle Porsche 911, wie man immer noch einen drauf setzen kann. Die neuen Motoren sind exzellent und das Auto hat in Sachen Fahrwerk und Design noch einmal zugelegt. Die Preise dafür sind allerdings happig. Doch das hat die Kunden von Porsche ja noch nie gestört.

Pro: Exzellente Fahreigenschaften, hervorragende Dynamik, bestechende Verarbeitung, hoher Individualisierungsgrad, geringer Verbrauch und Wertverlust.
Contra: Hoher Anschaffungspreis, teure Sonderausstattungen, kein Matrix Licht lieferbar, nur zwei Jahre Garantie, hohe Unterhaltskosten

Technische Daten Porsche 911 Carrera
Maße und Gewichte

Länge / Breite / Höhe 4,49 m / 1,80 m / 1,30 m
Radstand 2,45 m
Leergewicht ab 1.430 kg 
Zuladung 445 kg
Anhängelast (gebr./12 %) k.A.
Kofferraumvolumen 145 l (vorne), 260 l (hinten)
Tankinhalt 64 l

3,0 l Benziner

Leistung 370 PS
max. Drehmoment 450 Nm
0 – 100 km/h 4,6 s
Höchstgeschwindigkeit 295 km/h
Testverbrauch 9,8l Super plus / 100 km
CO2-Ausstoß (Werksangabe) 190 g CO2/km
Preis ab 96.605 Euro
VK / TK / HP 29 / 29 / 14
Testwertung
5.0 von 5
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