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Autoplenum, 2010-05-16

Peugeot 302 Darl'mat - Offene Versuchung

Testbericht

Stefan Grundhoff

Viele Jahre gab es keine emotionalen oder gar sportlichen Autos von
Peugeot. Mit einer neuen Designlinie und Sportwagen wie dem neuen RCZ
wollen die Franzosen sich ein neues Image geben. Dabei baute Peugeot in
den 30er Jahren Schmuckstücke wie den Roadster 302 Darl’mat.

Es gibt sportlichere und emotionalere Automarken als Peugeot. Die
Franzosen haben erkannt, dass mit Partikelfiltern und Volumenmodellen
wie 206, 207 oder 308 zukünftig kaum ein Neukunde mehr hinter dem
Ofen vorgelockt werden kann. Das Image von Peugeot muss schärfer, die
Positionierung spitzer werden. Gute Autos allein sind längst zu wenig. Da
kommt ein Neuanfang zum 200. Geburtstag der Marke gerade recht.
Ohne ebenso dynamische wie begeisternd schöne Autos ist gegen die
starke Konkurrenz aus Europa und Asien wenig zu machen. Und es gab
Zeiten, da war sich die Löwenmarke dieser Ausrichtung ähnlich bewusst
wie heute. Bestes Beispiel ist der Peugeot 302 Darl’mat, ein grandioser
Sportroadster, der bereits vor dem Zweiten Weltkrieg die Automobilwelt
verzückte und bei den 24 Stunden von Le Mans für Furore sorgte. Heute
gibt es von dem offenen Zweisitzer nur noch ein paar handvoll Fahrzeuge.

In den 30er Jahren setzte sich Peugeot in erster Linie mit innovativer
Technik und filigranem Design in Szene. Höhepunkt der französischen
Automobilbaukunst war der Peugeot 402 Eclipse, ein viersitziges Cabriolet
mit mächtigem Metallklappdach, das manuell oder elektrisch betätigt
hinter den Fondsitzen verschwand. Die ungewöhnliche Kreation auf Basis
von Peugeot 301 / 401 entstammte Händen und Köpfen von Emile
Darl’mat und George Paulin. Emile Darl’mat war bereits vor dem Zweiten
Weltkrieg ein begeisterter Motorsportler. So kreierte er auf Basis des
vergleichsweise zahmen Peugeot 302 einen sehenswerten Renn-
Roadster, der bei den 24 Stunden von Le Mans an den Start gehen sollte.
Das motorisierte Chassis kam von Peugeot – für das Design war George
Paulin, ein ehemaliger Zahntechniker mit automobiler Leidenschaft
zuständig. Karosseriebauer Marcel Portout sorgte für die technische
Umsetzung des Projekts. Von den vier 302er-Varianten Limousine,
Cabriolet, Coupé Roadster und Rennversion war der zumeist in mittelblau
lackierte Rennroadster das spektakulärste Modell.

Das elegante Design des Zweisitzers ist in der Leidenschaft von George
Paulin begründet, für den eine perfekte Aerodynamik an oberster Stelle
stand. So entstand mit dem 302 Darl’mat ein 4,20 Meter langer Roadster,
der mit seinen zwei Sitzplätzen und dem 70 PS starken Vierzylinder des
größeren 402 wie geschaffen war für einen Renneinsatz in der Zweil-Liter-
Klasse von Le Mans. Der Erfolg des blauen Löwenpfeils konnte sich beim
ersten Le-Mans-Auftritt dann auch sehen lassen. Die Plätze sieben, acht
und zehn im Gesamtklassement sicherten Darl’mat die Aufmerksamkeit,
die der Händler für eine Eigenengagement mit den Peugeot-Modellen
brauchte. Der Vierzylinder mit zwei Litern Hubraum und 51 KW / 70 PS
hat keine Mühe, die 1.020 Kilogramm Leergewicht sportlich zu bewegen.
Der 2,80 Meter lange Radstand bringt viel Ruhe in den Roadster und die
kleine Windschutzscheibe sollte man gleich in der Karosserie geschwinden
lassen. So bläst einem stilecht der Fahrtwind ins Gesicht. „Der Darl’mar ist
mein absolutes Lieblingsauto“, erzählt Autosammler Alain Clerf, „er fährt
einfach klasse – auch nach heutigen Maßstäben.“

Der Peugeot 302 Darl’mat Racing Roadster gilt als eines der schönsten
europäischen Autos seiner Zeit. Jedoch wurden von ihm gerade einmal
53 Fahrzeuge gebaut. Alain Clerf, französischer Industrieller der
Verpackungsindustrie und Autonarr, verlor sein Herz an den blauen
Roadster erst auf den zweiten Blick. „Ich war damals auf einer
Versteigerung und suchte ein günstiges Auto. Nachdem ich mehrfach
bei anderen Fahrzeugen überboten wurde, habe ich beim 302 Darl’mat
geheim in einem Briefumschlag geboten“, erinnert sich der
Geschäftsmann, der seit den 80er Jahren in Florida lebt, „umgerechnet
150 Dollar. Auf einmal habe ich den Zuschlag bekommen. Vor 52
Jahren war das.“ Der blaue Renner mit dem grazilen Design und den
roten Ledersitzen befindet sich seither ununterbrochen in seinem
Besitz. „Ich habe meinen Mann genau in diesem Auto kennengelernt.
Er sah klasse darin aus“, erinnert sich seine Ehefrau noch heute. Der
Alltagsnutzen des Peugeot 302 Darl’mat ist ebenso beeindruckend wie
sein Design. Alain Clerf wohnt an der Golfküste von Florida und ist
regelmäßig im Alltag mit dem 302 Roadster unterwegs.

Die lange Motorhaube, die über eine Kurbel zu versenkende
Windschutzscheibe oder die Luftaustrittsdüsen im Art-Deco-Stil, die die
Motorhaube umrahmen, geben dem Rennroadster etwas ganz
besonderes. Geschaltet wird per Vorwahlgetriebe. Muss beim Einlegen des
ersten Gangs noch manuell eingekuppelt werden, vollzieht das
Vierganggetriebe die weiteren Schaltvorgänge automatisch, wenn der
Fahrer das gerade einmal fingerkuppengroße Schalthebelchen am
klassischen Armaturenbrett bedient. Von vorne wie von hinten und der
Seite ist der Peugeot 302 Darl’mat auch nach 70 Jahren eine wahre
Schönheit. Blickfang sind insbesondere der filigrane Kühlergrill und der
herzförmige Kennzeichenhalter am Heck. So ein Roadster würde Peugeot
auch zum 200. Markengeburtstag glänzend stehen.

Quelle: Autoplenum, 2010-05-16
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