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Autoplenum, 2010-08-18

Lamborghini Miura - Heimspiel in den Alpen

Testbericht

Stefan Grundhoff

Der spektakulärste Lamborghini aller Zeiten ist der Miura. Ende der 60er
Jahre war der flache Stier der begehrenswerteste Sportwagen der Welt.

Am einfachsten war es, den Miura in seinem natürlich Revier, den
Wohngegenden der Schönen und Reichen aufzuspüren. Saint Tropez, Los
Angeles, München oder eben Sankt Moritz. Hierhin ließ sich der Schah von
Persien als einer der ersten Kunden sein dunkelrotes Spielmobil liefern. „Es
war im Winter 1967. Der Schah von Persien war hier in Sankt Moritz im
Urlaub. Ein Anruf - er wollte seinen neuen Miura unbedingt hier fahren“,
erinnert sich Valentino Balboni, ehemaliger Cheftestfahrer von
Lamborghini. Wenn der Schah anruft, dann gehen auch bei einem
Automobilhersteller die Uhren gerne einmal anders herum. So wurde der
eigens für Schah Mohammad Reza Pahlavi fertig gestellte Miura im Werk
Santa Agata schnell winterfit gemacht. „Neben den normalen Reifen haben
wir gleich noch Winterreifen mit Spikes geliefert. Schließlich hatte es hier in
Sankt Moritz viel Schnee. Unser damaliger Testingenieur Bob Wallace hat
den Wagen selbst hierhin gebracht und mit ihm die ersten Runden
gedreht.“

Wo sollten sich die Schönen und Reichen in Europa zur Winterzeit
aufhalten, wenn nicht in Davos, Kitzbühel oder eben Sankt Moritz? Hier
zeigt man gerne was man hat. Der ehemalige Schah von Persien,
Mohammad Reza Pahlavi, lebte in den Wintermonaten gerne in einer
exklusiven Herberge im noblen Schweizer Wintersportort. Für eine
standesgemäße Motorisierung und die nötige Aufmerksamkeit war der
brandneue Lamborghini Miura, gefühlt kaum höher als ein Handrücken
– genau das richtige Fahrzeug. Schah Mohammad hatte bei Firmenchef
Ferruccio Lamborghini persönlich eine Einzelanfertigung des neuen
Miura bestellt. Außen tief dunkelrot und innen mit weißem Leder
ausgeschlagen. „Sonst ist der Wagen serienmäßig“, erklärt Balboni mit
einem Lächeln, „es gab sonst keine Extras bei dem Wagen – nur die
Klimaanlage.“ Was sollte es auch geben, der Wagen war für damalige
Verhältnisse komplett ausgestattet: weiße Ledersitze, elektrische
Fensterheber, Renngurte und ein Philips Radio. Den zweiten Wischer ließ
der Schah abmontieren. Schließlich brauchte er am Steuer des
norditalienischen Stieres nur selbst den Durchblick zu behalten.

Irgendwie ist alles wie damals: Die tiefrote Flunder kauert vor dem
eleganten Hotel des Baines am Ortsausgang von Sankt Moritz
erwartungsvoll auf dem Asphalt. Das Hineinklettern vollzieht sich leichter
als erwartet und nach dem Kreisverkehr geht es direkt Richtung Julierpass.
Der Zwölfzylinder-Mittelmotor mit seinen knapp vier Litern Hubraum brüllt
bereits bei 3.000 Touren, dass die meisten Einwohner von Sankt Moritz
zumindest jetzt alle im Bett stehen müssten. Der Bolide des ehemaligen
Schahs befindet sich mittlerweile in der Hand eines Schweizer
Lamborghini-Sammlers. „Der erstand den Wagen vor rund eineinhalb
Jahren von dem Hollywood-Schauspieler Nicolas Cage“, so Valentino
Balboni, der den Renner kennt wie kein anderer. Der Innenraum des Miura
ist makellos. Auf dem Tachometer stehen nicht einmal 10.000 Kilometer.
Die zahlreichen Schalter und die Batterie an Rundanzeigen auf der wenig
filigranen Mittelkonsole sehen aus wie neu. Keiner der ehemaligen
Eigentümer scheint dem Supersportler vergangener Zeit zu viel zugemutet
zu haben.

Die normalen Vier-Liter-Triebwerke der Miura-Modelle leisteten rund 350
PS. Valentino Balboni: „Dieser Miura sollte so rund 380 PS haben. Allemal
genug.“ Den Julierpass hinter Sankt Moritz hinauf zeigt der Lamborghini
schnell sein Potenzial. Die Kupplung ist ruppig und die Bremse kommt spät.
Doch das knüppelharte Gaspedal des Miura belohnt jeden engagierten
Tatendrang des Piloten mit einem brünstigen Brüllen und einer
eindrucksvollen Bewegung der Tachonadel. Die Welt der sehenswerten
Schweizer Alpen fliegt nur so an einem vorbei und wäre das Wetter besser,
man könnte es so recht fliegen lassen. Doch mit Hinweis auf Temperaturen
von kaum über null Grad Celsius, anhaltendem Regen und der Reifen die
schon bessere Zeiten gesehen haben, muss es heute eben etwas
zivilisierter gehen.

Auf dem Genfer Salon im Frühjahr 1966 hatte der Lamborghini Miura
seine Weltpremiere gefeiert. Die Aufregung um den PS-starken Renner war
schon am Lac Leman riesengroß. Besonders viele Prominente verliebten
sich Hals über Kopf in den Wagen. Die Automobilwelt war fassungslos, die
italienische Supersportwagen-Szene danach nicht mehr dieselbe. Hier war
für viele etwas Unerhörtes, fast schon Unmögliches wahr geworden. Es
hieß Miura, wie die spanischen Züchter von Kampfstieren. Aufreizend
sportlich und ungemein sexy betörte die Form des 4,37 Meter langen
Lamborghini Miura, die der damals nicht einmal 30 Jahre alte Bertone-
Mitarbeiter Marcello Gandini geschaffen hatte. Die wiederum war auch von
technischer Revolution geprägt; hatte dieses Auto doch seinen Mittelmotor
quer vor der Hinterachse eingebaut - unmittelbar hinter den beiden
Schalensitzen. So etwas gab es allenfalls bei Rennwagen und genau das
war der Miura. Vorteil war ein vergleichsweise neutrales Fahrverhalten
durch den mittig positionierten Motor. Jedoch machten sich Lärm und Hitze
im Innenraum des gerade einmal 1,05 Meter hohen Renners breit.

Auch nach mehr als vier Jahrzehnten ist der ehemalige Lamborghini
Miura des Schahs noch immer ein Quell automobiler Freude. Flach wie
eine Flunder kauert er auf der Straße und hat zumindest bei trockenem
Geläuf keinerlei Probleme seine Leistung effektvoll einzusetzen. Die
schwergängige Lenkung und der hakelige Schaltung können einem
diesen automobilen Hochgenuss kaum verleiten. Unbeirrt stürmt der
Miura den Julierpass hinauf und zaubert seinem Piloten mehr als ein
Lächeln auf die Lippen. Ob sich der Schah von Persien in den 60er
Jahren ebenso mit seinen Spikes den Pass hinaufkämpfte oder der Miura
nur auf der verschneiten Flaniermeile von Sankt Moritz sein Können
zeigen musste? Das bleibt ebenso ein Geheimnis wie die
Höchstgeschwindigkeit, die beim Lamborghini Miura wohl niemand
ernsthaft benennen konnte. Einige sprechen von 280 km/h; andere von
knapp Tempo 300 und auch Valentino Balboni schweigt vielsagend zu
diesem Thema. In jedem Fall hat er mit dem Miura seine Tätigkeit als
Testfahrer bei Lamborghini begonnen. „Ich habe kein Auto lieber
gefahren“, sagt der Pensionär und wirft behutsam die Beifahrertür des
Lamborghini Miura zu, „der Wagen kommt jetzt wieder zurück in die
Privatsammlung.“

Quelle: Autoplenum, 2010-08-18