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Testbericht

Stefan Grundhoff, 3. September 2012
Wer träumt nicht davon, im Truck einmal durch die endlosen Weiten der USA zu cruisen? Doch die Zeiten für Trucker-Romantik sind vorbei - zumindest beinahe.

Wenn die deutsche Kult-Kombo Truck Stop vom Wilden Westen singt oder Schlagerbarde Jonny Hill seinen 70er-Evergreen "Ruf‘ Teddybär eins-vier" ins Mikro grummeln, träumen viele von einem Truckerleben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Auf endlosen Highways durch die Staaten des mittleren Westens donnern, hoch über der Fahrbahn auf einem Retrotruck von Mack oder Peterbilt thronend und der CB-Funk knistert während Dolly Parton ihre Resonanzkörper sprechen lässt - diese Zeiten sind vorbei. "Nein, wir haben zwar hier CB-Funk an Bord", so Henry Albert hinter dem Steuer seines blauen Freightliner-Trucks, "aber das Ganze läuft heute alles per Mobiltelefon." Sagt’s und setzt sein Headset auf, das den grauhaarigen Endvierziger eher wie den Mitarbeiter eines Callcenters aussehen lässt. Gestreiftes Hemd und Chinos statt enger Jeans, Lederweste und Cowboystiefeln - das ist Albert Henry. In seinem18 Meter langen Auflieger sind Spezialpaletten für LKW-Achsen, die zurück nach Utah müssen.

Albert Henry ist seit 1983 Trucker, seit 1996 hat er als selbstständiger Fuhrunternehmern seinen eigenen Truck und fährt auf eigene Rechnung. "Ich fahre quer durchs ganze Land. Wo die entsprechende Ware eben hin muss", sagt er während er auf die Interstate 84 Richtung Westen abbiegt. Die Tour führt von Portland / Oregon nach Salt Lake City / Utah und dann weiter nach Dallas / Texas. "Gut eineinhalb Tage nach Salt Lake und dann nochmals gut zwei Richtung Dallas", erzählt der Albert Henry, "am Wochenende bin ich dann wieder bei meiner Frau in North Carolina." Albert Henry ist 49 Jahre alt und hat in Pennsylvania einst auf einer Großfarm gearbeitet. Als sich die Chance ergab, Trucker zu werden, hängte er Job als Logistiker und seinen Zweitjob als Rennfahrer bei den Dirt Races auf unbefestigten Pisten der USA an den Nagel und setzte sich hinters LKW-Steuer. "Habe ich nie bereut. Ist ein toller Job" erzählt er, "ich fahre selten nachts oder am späten Abend, sondern plane meine Touren meist langfristiger. Ist doch ein tolles Gefühl hier in dem Cascadia zu sitzen und die unterschiedlichen Landschaften der USA zu sehen."

Elektronische Fahrtenbücher oder Kontrollen wie in Europa gibt es in den USA nicht. "Ein Arbeitstag darf maximal 14 Stunden dauern und davon kann man 11 Stunden am Steuer sitzen", erklärt der Trucker, "großartig kontrolliert wird das nicht. Jeder muss schließlich wissen, was er tut." Viele Touren weiß Henry Wochen im Voraus; andere ergeben sich kurzfristig oder einer der unzähligen Broker schanzt ihm einen schnellen Auftrag zu. Das kostet 15 Prozent Provision. Die Handvoll Trucker-Freunde des Amerikaners sind über das ganze Land verteilt: "Immerhin gibt es sechs Prozent Frauen am Steuer und auch einige Paare, die über Wochen zusammen im Führerhaus unterwegs sind."

Albert Henry lässt es meist langsamer angehen. Schnelligkeit ist seine Sache nicht und bei erlaubten 65 Meilen pro Stunden für PKW und 55 Meilen fürTrucks fährt er keine Meile schneller als 56. Dass Henry in seinem 550 PS starken Truck von allem überholt wird, was auf der Interstate 84 rollen kann, stört ihn nicht. "Muss ich schließlich alles selbst bezahlen. Die Gallone kostet mittlerweile vier Dollar", stöhnt der Fuhrunternehmer, "fünf Meilen mehr Tempo kosten mich pro Woche 400 bis 500 Dollar."

Es geht weiter Richtung Idaho und der ohnehin alles andere als volle Highway dünnt sich Meile für Meile spürbar aus. Irgendwann geht es ans Tanken. Albert Henry gilt unter den US-Truckern als echter Sparfuchs. Die Hitze ist drückend - fast 38 Grad Celsius. "Mein Bestwert liegt bei elf Meilen pro Gallone", sagt Albert Henry, während er die Zapfpistole in einen der beiden Großtanks wuchtet, die zusammen 240 Gallonen fassen. Nachdem er bezahlt hat, brütet Henry hinter dem Steuer zwei Minuten über Zahlenkolonnen auf einem Ringbuch. Er tippt Ziffern in den verblichenen Taschenrechner. "9,14 Meilen pro Gallone im Durchschnitt. Das kann sich sehen lassen." Auch bei Freightliner, Hersteller des 2010er-Trucks vom Typ Cascadia, den Albert Henry seit zwei Jahren fährt, wundert man sich über die geringen Realverbräuche von Henry. "Es ist auch für uns immer wieder schwer zu glauben, was Henry Albert aus den Trucks herausholt. Die Verbräuche stimmen aber", erzählt Mike McHorse von Frightliner, "viele andere Trucker benötigen mit ihren Lastwagen fast das Doppelte."

Der Trucker mit der dunkelblauen Krawatte verbraucht mit 25 Litern in seinem Freightliner Cascadia fast genauso viel, wie mit seinem privaten Chevrolet Silverado Z71, der zu Hause in der Garage steht. Seine Frau fährt einen Mercedes C 230 und der Sohn ist mit einem Chevrolet Cobalt SS unterwegs, den Albert Henry jüngst für ihn gekauft hat. Wer glaubt, dass die US-Trucker durchweg am Hungertuch nagen und sich nur von Auftrag zu Auftrag betteln, irrt. "Das Geschäft läuft sehr gut", berichtet Albert Henry selbstbewusst, "man kann hier gutes Geld verdienen, wenn man sich Mühe gibt. Arbeit ist genug da. Pro Fahrtag bleiben 400 bis 500 Dollar übrig." Gerade überholt in der Nähe von Gooding auf der Interstate 84, Höhe Ausfahrt 147, ein Fed-Ex-Laster im flotten Galopp. Albert Henry grüßt und grummelt: "Immer diese Raserei."

Ohne einen modernen Truck geht jedoch nichts. Dabei geht es weniger um die Anschaffung der 120.000 bis 190.000 Dollar teuren Zugmaschine. "Die Unterhaltskosten sind das A und O", erklärt Mike McHorse von Freightliner, "alte Trucks kosten über die Dauer viel überflüssiges Geld. Daher fahren die meisten Trucker ihre Maschine drei, vier - maximal fünf oder sechs Jahre. Die neuen Fahrzeuge sind bequemer, haben viel Leistung, einen geringeren Verbrauch und insbesondere eine bessere Aerodynamik." Pro Jahr fährt Albert Henry mit seinem blauen Frightliner Cascadia 120.000 Meilen. Im nächsten Jahr will er schon wieder wechseln. Viel mehr Komfort gibt es dann jedoch auch nicht. Neben den beiden Sesseln für Fahrer und Beifahrer befindet sich im Führerhaus wenig luxuriöses. Ein schmales Doppelbett, ein Flachbildfernseher und eine Kühlschrank. Dazu hat der fast 50jährige immer sein iPhone und einen Computer dabei, um seine Aufträge zu koordinieren. Viel Zeit für Trucker-Romantik gibt es eh nicht. Nach dem Abendessen im Truck Stopp müssen noch die nächsten Touren koordiniert werden. Und morgen geht es um 7 Uhr weiter - wie jeden Tag.

Quelle: Autoplenum, 2012-09-03

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