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Testbericht

Michael Lennartz, 5. Oktober 2017

Daniel Lepczyk liebt Staus. Nein, dazu muss man nicht masochistisch veranlagt sein. Der Audi-Mann ist für die Entwicklung automatisierter Fahrfunktionen zuständig und giert geradezu nach jenen Momenten im alltäglichen Straßenverkehr, die für jeden Verkehrsteilnehmer, ob in der Rushhour oder auf dem Weg in den Urlaub, der reinste Horror sind: Staus und zähfließender Verkehr – ideales Testumfeld für „Traffic Jam Pilot“, zu dessen Serienreife Lepczyk maßgeblich beigetragen hat. Dieser Staupilot ist eines jener Features, das die neue Luxus-Limousine A8 zum ersten Serienfahrzeug der Welt stempelt, das mit autonomen Systemen nach dem sogenannten „Level 3“, dem „hochautomatisierten Fahren“ ausgestattet ist.

Immer wenn der Verkehr dichter wird und das Tempo unter 60 km/h sinkt, weist das digitale Instrumentendisplay den Fahrer darauf hin: „Staupilot verfügbar“. Dann muss nur noch der AI-Knopf („Artificial Intelligence“) auf der Mittelkonsole gedrückt werden, und der Fahrer kann die Hände vom Lenkrad und die Füße von der Pedalerie nehmen. Das System übernimmt nun alle Funktionen selbstständig, achtet auf den richtigen Abstand, lenkt, bremst, wenn’s sein muss, bis zum Stillstand, fährt wieder an und hält sich auf der linken Spur etwas näher am linken Fahrbahnrand, um Platz für die Rettungsgasse zu schaffen.

Der Fahrer kann sich nun anderen Tätigkeiten zuwenden. Er hat jetzt Zeit, um etwa seine E-Mails zu checken, kann sich mit dem eigenen Tablet beschäftigen oder auf dem bordeigenen Touchscreen ein Video gucken. „Das ist der große Unterschied zu den bisher üblichen Systemen“, erklärt der Entwickler. Ein Stau-Assistent des „Level 2“ würde in brenzligen Situationen sofort an den Fahrer übergeben, denn beim teilautomatisierten Fahren haftet im Falle eines Unfalls immer der Fahrer. Ist im A8 der „Traffic Jam Pilot“ aktiviert, haftet im Schadensfall aber Audi.

Auch wenn Mercedes automatisch überholt und den Spurwechsel vollzieht, Volvo, BMW und Tesla auch bei höherem Tempo automatisch den Abstand halten, handelt es sich dort „nur“ um zeitlich begrenzte Level-2-Funktionen, auf die man sich im Ernstfall nie komplett verlassen darf. Selbst Tesla musste nach einem tödlichen Zwischenfall seinen „Autopiloten“ ja wieder entschärfen.

Zurück ans Steuer des Audi A8. Als sich die Autobahnkolonne so langsam lichtet und der Tacho die Marke von 60 km/h überschreitet, mahnt das Fahrzeug seinen Lenker, wieder das Steuer zu übernehmen. Daniel Lepczyk macht das natürlich sofort nach der ersten Aufforderung. Würde er die und weitere Warntöne sowie dann folgende Bremsrucke und Gurtstraffer-Signale samt und sonders ignorieren, würde das System den Warnblinker aktivieren und gezielt bis zum Stillstand abbremsen. Geschähe nach weiteren 15 Sekunden immer noch nichts, würde sogar ein automatischer Notruf abgesetzt, schließlich könnte der Fahrer ja bewusstlos sein.

Hinter dem System stecken eine ganze Menge Sensoren, die über das tablet-große, sogenannte „zFAS“ (zentrales Fahrerassistenzsteuergerät) koordiniert werden. Frontkamera, Radarsensoren im Stoßfänger, vier Eckradare hinter den Kotflügeln, Ultraschallsensoren und ein Laserscanner, den Audi als erster Automobilhersteller überhaupt einsetzt, erkennen vom unmittelbaren Nahbereich bis zu 200 Metern Reichweite sämtliche Objekte. Und damit im Ernstfall nichts schiefgeht, hat Audi ein besonderes Augenmerk auf die Redundanzen gelegt und das System soweit abgesichert, dass selbst wenn das zentrale Steuergerät ausfallen würde, andere Systeme übernehmen könnten.

Und serienreif ist der Level-3-Staupilot auch noch. Der große Haken an der Sache: Bestellen kann man den „Traffic Jam Pilot“ zum Verkaufsstart des Audi A8 nicht. Allein aus rechtlichen Gründen. Bisher dürfen automatisierte Eingriffe laut Gesetz nämlich nur bis Tempo 10 (etwa zum Einparken) erfolgen. Die EU und 50 weitere Staaten weltweit erarbeiten aber gerade neue Regeln für das autonome und automatisierte Fahren. Dann sollen Eingriffe bis Tempo 130 ermöglicht werden.

Aber die Mühlen der Gesetze mahlen langsam. Bei Audi rechnet man daher frühestens gegen Ende 2018, wahrscheinlich sogar erst 2019 mit dem Serieneinsatz des Staupiloten. Das Ärgerliche für alle, die sich bis dahin schon einen neuen A8 zugelegt haben. Eine Nachrüstung ist nicht möglich.

Zu den neuen AI-Systemen des A8 gehören auch der „Remote Parkpilot“ und der „Remote Garagenpilot“, die für höchsten Parkkomfort sorgen sollen. Der Ingolstädter Luxusliner fährt dabei selbsttätig in Längs- und Querparklücken oder auch in eine Garage hinein und lässt sich ebenso auch wieder heraus steuern. Der Fahrer überwacht die Manöver, muss dabei aber nicht im Auto sitzen. Er startet beide Systeme über sein Smartphone mit der neuen „myAudi“-App, kann die Parkpiloten aber auch über die AI-Taste in der Mittelkonsole aktivieren, sofern er noch am Steuer sitzt.

Nicht Tesla, nicht Mercedes und nicht BMW. Nein, Audi schickt das erste Serienautomobil der Welt ins Rennen, das mit Systemen für das „hochautomatisierte Fahren“ nach dem sogenannten Level 3 bestückt ist. Leider ist das aber nur die halbe Wahrheit.

Fazit
Nicht Tesla, nicht Mercedes und nicht BMW. Nein, Audi schickt das erste Serienautomobil der Welt ins Rennen, das mit Systemen für das „hochautomatisierte Fahren“ nach dem sogenannten Level 3 bestückt ist. Leider ist das aber nur die halbe Wahrheit.

Quelle: Autoplenum, 2017-10-05

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