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Testbericht

Jürgen Wolff, 8. Oktober 2014
Motorrad-Feeling ohne Motorrad und Motorradführerschein? Mit einem Trike wie dem neuen CanAm Spyder F3 ist das auch hierzulande möglich. Allerdings ist der Fahrspaß nicht ganz billig.

Wer als Motorradfahrer mit offenem Visier unterwegs ist, der kennen das: Fiese kleine Mücken klatschen zwischen die Zähne, aufgewirbelte Sandkörner schmirgeln die Haut, jeder entgegenkommende Lastzug haut einen kleinen Orkan entgegen und alle 100 Meter umschmeichelt ein neuer Duft die Geruchsnerven. Schweinemast? Rindermast? Geflügelfarm? Oder nur das Abfackeln eines abgeernteten Feldes? Für geübte Biker kein Problem, das zu erschnuppern. Der Autofahrer? Hat ein Pollenfilter. Was draußen passiert, bleibt draußen. Doch auch ohne Lizenz zum Motorradfahren lässt sich zumindest ein Teil dieses Feelings erleben - falls man seinen Autoführerschein der Klasse B vor dem 19. Januar 2013 gemacht und um die 20.000 Euro übrig hat. Ach ja: und mindestens 21 Jahre alt ist.

Denn dann darf man in Deutschland ein Fahrzeug wie den in Kanada produzierten CanAm Spyder F3 schon fahren. Wer seinen Führerschein später gemacht hat, den bestraft das Leben: Ein Motorradführerschein Klasse A ist dann nötig. Der Spyder ist - simpel beschrieben - eine Art umgekehrtes Dreirad mit bulligem Outfit und ebenso bulligem Motor knapp hinter den Vorderrädern. Auch in Deutschland wird er immer beliebter. Ende 2013 waren laut Kraftfahrtbundesamt hierzulande knapp 1.000 Stück zugelassen, fast die Hälfte davon in Bayern.

Gebaut wird der CanAm Spyder in der gerade mal 2.350 Einwohner zählenden kanadischen Kleinstadt Valcourt nahe Montreal. Das klingt nach Hinterhofklitsche. Doch dieser Eindruck trügt gewaltig: Die Marke CanAm gehört dem Unternehmen BRP. Das Kürzel steht für Bombardier Recreational Products - und weist schon auf die Potenz des Unternehmens hin. Der Bombardier-Konzern gehört mit weltweit rund 21 Milliarden Dollar Jahresumsatz zu den größten Unternehmen Kanadas. Er produziert vor allem Eisenbahnen, Flugzeuge und Rüstungsgüter. Als 2003 die Sparte der Freizeitfahrzeuge aus dem Konzern herausgelöst und als BRP an eine Investorengruppe und die Familie Bombardier verkauft wurde, war das auch eine Rückkehr zu den Ursprüngen: In BRP zusammengefasst sind vor allem die Produktbereiche, die sich aus den Schneemobilen entwickelten, mit denen Joseph-Armand Bombardier 1942 in einer kleinen Werkstatt in Valcourt seine Firma startete.

Mittlerweile arbeiten bei BRP rund 7.500 Menschen. In den Fertigungshallen, in denen die Produktionsabläufe nicht von ungefähr an die Automobilfertigung erinnern, entstehen neben den diversen Spyder-Typen je nach Jahreszeit vor allem Motorschlitten, Jetboote und allradgetriebene Side-By-Side Fahrzeuge. Die Entwicklungsabteilung räumt regelmäßig Designpreise wie den Red Dot-Award ab - und hat als Hobby nebenbei die Siegerpokale für die Formel 1-Rennen in Montreal entworfen. Der Umsatz von BRP lag im vergangenen Jahr bei rund 3,2 Milliarden kanadischen Dollar. Die Entwicklung der dreirädrigen Spyder aus dem Snowmobile heraus ist kaum zu übersehen: Vorne ersetzen zwei Räder die beiden lenkbaren Kufen, hinten treibt ein Zahnriemen ein Rad statt der Ketten an. Die erste Spyder-Generation kam 2007 auf den Markt. Mit dem F3 steht nun eine neue Generation des CanAm Spyder an. Wer aus dem Auto auf den Spyder umsteigt, der wird sich anders als beim Umstieg auf ein Motorrad schnell zurecht finden - und sicher fühlen. Umfallen ist nicht - die Gefahr einer Beschädigung von Körper und Ego also ziemlich gering. Das Trike ist zudem mit moderner Sicherheitselektronik vollgestopft: ABS von Bosch, Traktionskontrolle, Stabilitätskontrolle - alles da.

Gebremst wird nicht wie beim Motorrad mit der Hand am Lenker vorne und per Fußpedal hinten, sondern wie beim Auto allein über ein auf alle drei Räder wirkendes Bremspedal an der Fußraste. Die wiederum lassen sich ebenso wie die Lenkstange passend zur Körpergröße des Fahrers in fünf Positionen einstellen. Die Scheibenbremsen rundum sind von Brembo und sorgen je nach Bedarf für eine gefühlvolle oder eindrucksvoll rabiate Verzögerung. Wer es besonders ernst meint mit dem bequemen Cruisen, der kann den F3 mit einer 6-Gang-Halbautomatik ordern, die manuell auch über einen Daumenhebel am linken Handgriff zu steuern ist. Über einen extra Knopf lässt sich der Rückwärtsgang einlegen, der beim Einparken hilfreich ist. Ebenfalls per Knopfdruck funktioniert die elektromechanische Feststellbremse.

Gas gegeben wird ganz herkömmlich über die Drehung des rechten Handgriffs. Bei Kurvenfahrten neigt sich der Spyder - anders etwa als Dreiradstudien wie Toyotas i-Road - nicht in die Kurve rein. Motorradfahrer mögen jetzt spöttisch grinsen und sich den abgeschrappten Asphalt vom Knieschutz klopfen - aber sich bitte auch daran erinnern, wie lange sie gebraucht haben, um wirklich ein Gefühl für die Balance ihrer Maschine zu entwickeln. Beim Spyder genügt ein kräftiger Gegendruck mit dem Oberschenkel am Tank und etwas Kraft am Lenker, um halbwegs elegant durch die Kurve zu kommen.

Platz finden auf dem CanAm Spyder F3 bis zu zwei Passagiere. Alleine ist man auch nach ein paar Stunden noch relativ entspannt unterwegs, zu zweit empfehlen sich fürs gemütliche Cruisen dann doch die bequemen Rückenlehnen, die es als Zubehör gibt. Der Federungskomfort ist sehr kommod - hat man erst einmal realisiert, dass es bei einem Dreirad nicht viel hilft, Gullideckel zwischen die Räder zu nehmen. Eher ein Problem macht das Gepäck: Der vordere Laderaum fasst mit 24,4 Litern Stauraum gerade mal den Helm. Im Zubehörshop finden sich deshalb nicht ohne Grund Satteltaschen und ein kleiner Anhänger mit immerhin 622 Litern Fassungsvermögen.

Über mangelnde Motorisierung kann man sich beim CanAm Spyder F3 nicht beklagen. Der in Österreich gefertigte und wassergekühlte Rotax Motor holt aus drei Zylindern mit zusammen 1.330 ccm Hubraum bei 7.250 U/min. eine Leistung von 86 kW/115 PS heraus und ein maximales Drehmoment von 130 Nm, das bei 5.000 U/min anliegt. Angesichts eines Leergewichts von gerade mal 386 Kilogramm ermöglicht das sehr stimmungsvolle Beschleunigungsarien mit dem 2.642 mm langen Spyder: Ein Dreh am Handgriff - und wusch vorbei am Lkw. Von 0 auf 100 km/h läßt er sich in gerade mal 4,4 Sekunden jagen, bei knapp 170 km/h ist dann Schluss. Aber vorher hat einen der Wind eh schon runter gezerrt. Den Verbrauch hat man quasi in der Hand: Je nach Fahrweise ist man mit sechs oder auch mit mehr als neun Litern auf 100 Kilometer unterwegs. Der Tank jedenfalls fasst schon mal 27 Liter. Klingt alles nach "Motorradfahren für Dummies"? Stimmt. Und genau so ist es gewollt: Ganz entspannt und easy. Und nicht ganz billig. Wenn der CanAm Spyder F3 im März 2015 auch in Deutschland zu haben sein wird, dann werden üppige 18.899 Euro fällig, für den F3 S gar mindestens 21.899 Euro.

Quelle: Autoplenum, 2014-10-08

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