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Testbericht

Susanne Kilimann, 9. November 2010
Seitdem Autos mit immer mehr elektronischen Assistenten daherkommen, ist elektromagnetische Verträglichkeit ein großes Thema für die Hersteller. Hybrid- und Elektroantriebe stellen Entwickler und Prüfspezialisten vor viele komplexe Entstörungsaufgaben.

Jeder kennt die nervigen Störgeräusche, die Radiosender mitunter von sich geben oder Handys, wenn sie in der Nähe von Stereoanlagen oder Autoradios Interferenzen verursachen. Verursacht wird das Knacken und Rauschen von Funkwellen, die vom falschen Gerät empfangen werden. Drähte in den Elektrogeräten wirken wie Antennen und nehmen einen Teil der von einem Sender abgestrahlten Funkwellen auf. Elektromagnetische Turbulenzen dieser Art stressen zwar Nerven und Ohren; gefährlich sind sie aber nicht. Anders sieht es in Konstellationen aus, in denen sicherheitsrelevante Geräte beeinträchtigt oder im Extremfall sogar gänzlich außer Gefecht gesetzt werden können. Im Luftverkehr etwa geht man übervorsichtig auf Nummer sicher. Obwohl die Nachweise fehlen, sind Mobiltelefone und andere elektronische Geräte in den sensiblen Start- und Landephasen untersagt.

Als in den 90er Jahren Autos mit immer mehr Bordelektronik auf die Straßen kamen, waren gelegentlich seltsame und völlig unbeabsichtigte Phänomene zu beobachten: elektronische Fensterheber ließen beim Geschäft an der Ecke die Alarmanlage schrillen. Wenn der Beifahrer telefonierte, löste sein mobiles Telefon bei der Einwahl ins Funknetz den Airbag aus. Der Gesetzgeber sah dringenden Handlungsbedarf und brachte 1998 ein „Gesetz über die elektronische Verträglichkeit von Geräten“ auf den Weg, dem eine EU-Richtlinie zugrunde liegt. Elektrische oder elektronische Geräte dürfen andere Geräte und auch keine Funk- und Telekommunikationsanlagen in ihrer Funktion stören, heißt es darin. Sie müssen untereinander „elektromagnetisch verträglich“ sein.

Seither sind die Automobilhersteller aufgefordert, vor der Markteinführung des Serienmodells durch entsprechende Testreihen klarzustellen, dass sich alle im Auto verbauten Elektrokomponenten vertragen und dass es auch in der Umgebung des Fahrzeugs nicht zu von der Bordelektronik verursachten Funktionsstörungen von Geräten kommt. „Bei allen auf dem deutschen Markt vertretenen Autobauern gehen die Schutzmaßnahmen heute deutlich über die gesetzlichen Anforderungen hinaus“, sagt Johann Roidt, Geschäftsführer der TÜV Süd Senton GmbH, die sich als Dienstleistungsunternehmen auf Messverfahren zur elektromagnetischen Verträglichkeit spezialisiert hat. „Generelle Schwächen von Serienfahrzeugen gehören der Vergangenheit an“, betont der Experte. In Einzelfällen könne es dennoch vorkommen, dass sich die Bordelektronik des Autos und elektronische Anlagen der Umgebung in die Quere kommen. „Das betrifft dann aber nicht die Serie, sondern ein fehlerhaftes Einzelprodukt – eine sogenannte Montagsproduktion“, so der Mann vom TÜV.

Presseberichte, wie den von einer Oberklasselimousine, die unter Hochspannungsleitungen den Motor abzustellen versuchte, kennt Roidt. Das eigenmächtige Verhalten der Fahrzeugelektronik in solchen Ausnahmefällen sei jedoch in aller Regel nicht auf irgendwelche elektromagnetische Unverträglichkeiten zurückzuführen. Die Ursachen seien oft ganz banaler Natur. Im Fall der Limousine sei ein vergessener Kontaktstecker und damit eine Schlamperei in der Werkstatt, Grund für die ungewollten Abschaltmanöver des Autos gewesen. Ganz neue Herausforderungen rollen seit einiger Zeit durch die zunehmende Elektrifizierung der Antriebe auf Hersteller und Prüfdienstleister zu. Herkömmliche EMV-Messkabinen, die für 12- bzw. 24-Volt-Bordnetze ausgelegt sind, eignen sich nicht für Tests mit Hybrid- oder Elektrofahrzeugkomponenten. Denn bei diesen sind Versorgungsspannungen von mehreren hundert Volt, Ströme von einigen hundert Ampere und Elektromotoren mit Leistungen von 50 Kilowatt und mehr keine Seltenheit.

Audi hat sich schon 1998 ein eigenes Prüfzentrum für elektromagnetische Verträglichkeit der Fahrzeugelektronik gebaut, wo die verschiedenen elektronischen Bauteile im Fahrzeug im Gesamtzusammenhang und unter einem Dach getestet werden können. Zentraler Bestandteil dieser EMV-Anlage ist eine große Absorberhalle, die über eine Metallschirmung verfügt und innen mit pyramidenförmigen Absorbern verkleidet ist, um die Reflexionen der Funkwellen vermindern. Zudem wurden in der Halle große Antennen installiert, um Audis in der Entwicklungsphase mit elektromagnetischen Feldern im Frequenzbereich von einem Megahertz bis drei Gigahertz zu beschießen.

Ein mittelständisches Unternehmen in Ludwigsburg hat sich auf EMV-Prüfungen (EMV - Elektromagnetische Verträglichkeit) für die neuen Hybrid-, Strom- und Brennstoffzellenantriebe spezialisiert. „Wir testen für fast alle europäischen Hersteller und auch asiatische Importeure greifen auf unser Know-how und unsere Prüfanlagen zurück“, sagt Firmengründer Jakob Mooser. In seinem Unternehmen können Autobauer Komponenten wie Wechselrichter, Motoren und Hochvoltbatterien unter realen Bedingungen testen lassen – und das lange bevor überhaupt ein Vorserienmodell existiert. Befindet sich ein Elektromotor in der Prüfkabine, wird dieser extern mit Strom versorgt. Gekoppelt wird das Aggregat zudem mit einem externen Motor, der im Fahrbetrieb als Bremse und im Bremsbetrieb, der sogenannten Rekuperationsphase, als Antrieb für den Prüfling dient. Auf diese Weise können im Prüflabor reale Fahrzustände der Elektroantriebe simuliert werden.

Um den ungestörten Radio- und Funkempfang im Fahrzeug zu gewährleisten, müssen die Komponenten bestimmte Grenzwerte einhalten. Bei den Elektroantrieben wird aus einer hohen Gleichspannung eine Dreiphasen-Wechselspannung mit variabler Frequenz erzeugt. Dadurch entstehen sehr hohe und breite hochfrequente Störspektren. Allein durch die wesentlich höheren Spannungen seien die Störungen 50mal stärker als bei herkömmlicher Kraftfahrzeug-Elektronik, erläutert Mooser. Der komplette Hochvoltbereich, einschließlich der Steckverbinder, sei deshalb geschirmt um dadurch die störenden Ab- oder Einstrahlungen zu verhindern.

Neuland betreten die EMV-Prüfer, wenn es ums Thema induktives Tanken geht. Die Forschung arbeitet unter Hochdruck an Möglichkeiten, Elektrofahrzeuge in Zukunft an speziellen Ladestationen oder eines Tages sogar an elektrischen Leitplanken ohne direkten Steckerkontakt mit Energie versorgen zu können. Für diese Anwendungen müssen ganz neue Grenzwerte und Normen definiert werden, so der Prüfspezialist vom TÜV. Noch brisanter wird das Thema, wenn neue Batteriegenerationen wesentlich stärkere Ladestärken mit sich bringen. Hier besteht Handlungsbedarf um jedes Restrisiko - beispielsweise für Menschen mit Herzschrittmachern - auszuschließen. Dass die zunehmende Elektrifizierung der Antriebe zu einem gefährlichen elektromagnetischen Funktionschaos führen könnte, halten die Experten jedoch für ausgeschlossen. Oftmals sei die Tüftelei zwar beträchtlich, sagt Mooser, weil sich Ingenieure Bauteile wie Kondensator, Spule oder Platinenblatt immer und immer wieder vornehmen. Letztlich aber seien alle elektromagnetischen Verträglichkeitsprobleme lösbar.

Quelle: Autoplenum, 2010-11-09

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