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Testbericht

Sebastian Viehmann, 17. September 2011
Promis, Parties, dicke Schlitten: Die Insel Sylt platzt vor SUV und Luxuautos aus allen Nähten. Einige Bewohner laufen jetzt Sturm - die Insel soll ein Elektroauto-Paradies werden.

Es ist zwar etwas teurer, dafür ist man unter sich: Was die Band „Die Ärzte“ einst über Westerland sang, ist heute passender denn je. Die Nordseeinsel Sylt wimmelt nur so von Sportwagen und teuren SUV. Am winzigen Flughafen von Westerland wartet schon mal ein Porsche Cayenne mit Taxischild auf betuchte Fahrgäste, wenn mehrmals täglich eine voll besetzte Boeing 737 Urlauber-Nachschub ausspuckt. Die Strandparkplätze platzen aus allen Nähten und in den Auffahrten der reetgedeckten Luxusvillen parkt neben dem BMW X5 oder VW Touareg gern der Mercedes SLK, nicht selten übrigens mit Schweizer Kennzeichen.

Dauer-Einwohner und „echte“ Sylter sind auf ihrer Insel in der Minderheit, im Ort Kampen zum Beispiel sollen rund 80 Prozent aller Immobilien als Zweitwohnung dienen. Viele Urlauber nehmen ihren fahrbaren Untersatz im Autozug mit oder besorgen sich einen Mietwagen auf der Insel. Am Flughafen wirbt passenderweise gleich ein Mercedes G-Modell für einen Autovermieter.

„Sylt ist einer der wenigen Plätze in Deutschland, an dem die Menschen noch ungeniert ihren Reichtum zeigen können. Hier zerkratzt Ihnen keiner den Lack. Und von diesem Image leben wir natürlich auch“, sagt Silke von Bremen. Die Gästeführerin und Diplom-Geografin ist ein Sonderfall in der Luxus-Karawane, die jeden Sommer Staus zum Strand produziert: Sie zwängt sich mit ihrem kleinen orangefarbenen Elektroauto hindurch. Das knapp drei Meter lange Wägelchen vom Typ Mega eCity kostet Silke von Bremen pro Jahr rund 50 Euro Strom und 180 Euro Versicherung.

Die Gästeführerin kurvt jedoch nicht nur aus Kostengründen mit ihrem Stromer oder mit dem Fahrrad durch Sylt, sondern auch aus Überzeugung. „Ich habe nie verstanden, warum man mit dem Auto zum Brötchenholen fahren und dabei auch noch den Motor laufen lassen muss“, sagt die 50-Jährige und ergänzt: „Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, Verschwendung ist mir fremd.“ Zudem sieht die Geografin, die vor 22 Jahren nach Sylt zog, ihre Wahlheimat vom Klimawandel bedroht. „Die Sturmfluten laufen immer höher auf. Man könnte sagen, die Insel wird langsam aufgefressen“, so von Bremen.

Schon deshalb sei es doch eigentlich ein logischer Schritt, auf emissionsärmere Antriebe umzusteigen und ein Signal für den Umweltschutz zu setzen, meint die Gästeführerin. Selbst von List hoch im Norden bis Hörnum im Süden sind es keine 35 Kilometer, das Hauptproblem der Stromer – begrenzte Reichweite – würde kaum ins Gewicht fallen. Viele Gäste nutzen das Auto vor allem als voll gepackten Familien-Transporter zum Strand und steigen für kurze Strecken aufs Fahrrad um. Die Bedingungen für Elektroautos als Ergänzung zum Busverkehr und zum Drahtesel scheinen in der Tat ideal.

Das sieht auch Petra Reiber so, Bürgermeisterin und Verwaltungschefin der Gemeinde Sylt. Sie will die Elektromobilität mit Mietwagen vorantreiben. Erste Ladesäulen und kleinere Projekte gibt es bereits, doch Sylt plant als Reaktion auf ein Klimaschutz-Gutachten die große Stromer-Offensive. „Es könnte zum Beispiel Photovoltaik-Dächer an den Strandparkplätzen geben, an denen die Elektro-Mietwagen aufgeladen werden“, erklärt Petra Reiber.

Damit die CO2-Bilanz auch aufgeht, soll es Ökostrom geben, den man vom Sylter Energieversorger schon jetzt beziehen kann. „Weil der Strom aus Windenergie noch zu teuer ist, kommt er zum Beispiel aus Wasserkraftwerken in der Schweiz“, so Reiber. Ein Gutachten soll nun klären, wie man die Elektroauto-Pläne der nordfriesischen Insel konkret umsetzen könnte und was sie kosten würden. Neben der 2009 neu gegründeten Gemeinde Sylt, die rund 70 Prozent der Insel umfasst, müssten zudem noch die Gemeinden List, Kampen, Wenningstedt und Hörnum zustimmen, sagt Petra Reiber. Deutschlands berühmteste Insel will aber nicht nur in die Elektromobilität einsteigen, um sich ein grünes Image zu geben. Denn neben Staus verursachen die Luxusauto-Karawanen noch andere Probleme: „Luftmessungen haben gezeigt, dass durch den Autoverkehr zu viele Rußpartikel ausgestoßen werden. Es könnte uns irgendwann drohen, den Status als Seeheilbad zu verlieren“, erklärt die Bürgermeisterin.

Bleibt die Frage, ob die Insel ihren Status als Flaniermeile für Luxuskreuzer aufgeben will. Silke von Bremen wird oft belächelt, wenn sie mit ihrem kleinen Stromer durch die Gegend flitzt. „Es gab vor Jahren auf der Insel mal einen Pastor mit einem Elektrofahrzeug, danach war ich aber wohl die erste hier“, sagt die Gästeführerin. In der örtlichen Zeitung erschien ein Artikel über sie, doch niemand habe sie darauf angesprochen. Zum Angeben zwischen all den Maseratis und Cayennes sei ihr Wagen nun einmal nicht geeignet: „Sie glauben ja gar nicht, wie unsexy ein Elektroauto auf viele Menschen wirkt“, sagt von Bremen.

Quelle: Autoplenum, 2011-09-17

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