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Testbericht

Jürgen Wolff, 28. Januar 2014
Vor 100 Jahren war noch keineswegs klar, dass Autos mit Benzin zu fahren hatten. Auch Elektrofahrzeuge kämpften um einen Zukunftschance. Mit dem P1 ist nun eines von ihnen nahezu originalgetreu bei Porsche wieder aufgetaucht.

Kein Ozonloch. Kein Problem mit Feinstaub. Keine Stickoxide. Es hätte alles so schön sauber zugehen können in den vergangenen hundert Jahren Automobilgeschichte. Denn als die Kutschen Ende des 19. Jahrhunderts ohne Pferde fahren lernten, knatterten und dampften die aufkommenden Automobile nicht nur - viele von ihnen standen auch unter Strom. Bevor der Verbrennungsmotor mit tatkräftiger Unterstützung der Ölindustrie den Sieg davontrug auf den Straßen dieser Welt, gab es durchaus auch schon erstaunlich weit entwickelte Elektroantriebe. Einer davon ist ab jetzt im Stuttgarter Porsche-Museum zu sehen: Das ganz originale Relikt aus den Anfangsjahren von Firmengründer Ferdinand Porsche ist erst vor kurzem in einem Lager gefunden worden - einer von vier jemals gebauten "Egger-Lohner-Elektromobil Modell C.2 Phaeton", kurz "P1" getauft.

Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich Ferdinand Porsche schon mit der Konstruktion von Kraftfahrzeugen beschäftigt. Der 1875 als Sohn eines Spenglermeisters im nordböhmischen Maffersdorf geborene Porsche war 1893 zunächst nach Wien gegangen, um bei der elektrotechnischen Firma "Béla Egger Co." als Praktikant anzufangen. Als Gasthörer der technischen Universität erwarb er zusätzlich theoretische Kenntnisse. In nur vier Jahren stieg er dort zum Leiter der "Probierabteilung" auf und kam dabei mit dem Wiener Kutschfabrikanten Ludwig Lohner in Kontakt, der von einem eigenen elektrisch angetriebenen Automobil träumte.

Lohner hatte erkannt, dass sich das Zeitalter des Pferdes und der luxuriösen Kutschen dem Ende zu neigte und suchte nach einer Alternative für sein Unternehmen. Die sah er in der Produktion von Benzin- und Elektrofahrzeugen. Vor allem in den elektrifizierten Kutschen vermutete er viel Potenzial - die, so glaubte er, würden wegen ihrer geringen Lärm- und Abgasbelästigung von der Bevölkerung eher akzeptiert. Die elektrischen Komponenten orderte er bei Porsches inzwischen in "Vereinigte Elektrizitäts-AG" umgetauftem Arbeitgeber. Chassis und Karosserie entstanden in Lohners eigenem Unternehmen in der Wiener Porzellangasse.

Das erste, schon unter der Mitarbeit von Ferdinand Porsche entwickelte Lohner-Elektromobil wurde 1898 auf einer Ausstellung des gerade gegründeten "Österreichischen Automobil-Clubs" gezeigt. Der Elektromotor war quer zwischen den Vorderrädern eingebaut, gelenkt wurde mit den Hinterrädern. Das Konzept wurde aber schnell wieder verworfen - und ein neuer Elektrowagen ganz nach den Vorstellungen Porsches entwickelt: Mit Vorderachsschenkellenkung und einem 130 Kilogramm schweren Elektromotor im Heck. Das Ergebnis der Denkarbeit rollte erstmals am 26. Juni 1898 als "Egger-Lohner-Elektromobil C.2" über die Straßen der österreichischen Hauptstadt. Ferdinand Porsche selbst hatte seinen Urheberschaft daran auf eigene Weise dokumentiert: In alle wichtigen Bauteile schlug er das Kürzel "P1" (P für Porsche) ein, das dem Elektroauto seinen inoffiziellen Namen gab.

Als Antriebsquelle nutze Porsche schon damals seinen selbstkonstruierten Oktagon-Motor. Dessen Name stammt von seinem geschlossenen, achteckigen Gehäuse. Um ihn vor Beschädigungen zu schützen war er stoßgedämpft und um die Wagenachse pendelnd aufgehängt. Die Leistung des Elektromotors betrug drei PS bei 350 Umdrehungen in der Minute. Wie bei modernen Motoren war über einen Booster kurzfristig auch eine Leistungsabgabe von fünf PS möglich - womit 35 km/h Höchstgeschwindigkeit erreicht werden konnten. Zur Kraftübertragung nutzte der Wagen ein einstufiges Differential-Getriebe mit einem Übersetzungsverhältnis von 1:6,5, das über Zahnkränze auf die innenverzahnten Radnaben wirkte.

Die Fahrgeschwindigkeit konnte über einen Regler in zwölf Stufen eingestellt werden: Sechs Vorwärts- und zwei Rückwärtsgänge sowie vier Bremsstufen. Die Gesamtreichweite des Gefährts betrug dank des rund eine halbe Tonne schweren "Tudor"-Akkumulators mit seinen 44 Zellen und 120 Amperestunden bis zu 80 Kilometer - was drei bis fünf Betriebsstunden entsprach. Zum Stehen gebracht wurde das 1.350 Kilogramm schwere Elektrofahrzeug über zwei verschiedene Bremssysteme. Neben einer mechanischen Bremse konnte der Fahrer auch eine elektrische Bremse aktivieren, indem er den Lenkkranz drückte und damit den Stromfluss unterbrach. Eine wechselbare Karosserie machte es möglich den Wagen im Sommer offen und im Winter geschlossen zu nutzen.

Zum ersten Mal öffentlich gezeigt wurde der "P1" im September 1899 bei der Internationalen Motorwagen-Ausstellung in Berlin. Unter den 120 Ausstellern fanden sich allein 19 Hersteller von Elektromobilen. Für Ende September wurde eine Preiswettfahrt für Elektromobile von Berlin nach Zehlendorf und zurück ausgeschrieben - insgesamt mehr als 40 Kilometer. Bei diesem ersten Automobilrennen, an dem Porsche teilnahm, gab es gleich eine goldene Medaille. Mit drei Passagieren an Bord und einem Vorsprung von 18 Minuten steuerte Porsche den "P1" über die Ziellinie.

1902 wanderte der "P1" ins Lager - und überstand dort nahezu unbeschadet ein ganzes Jahrhundert. Erst vor kurzem wurde er wiederentdeckt - nahezu unbeschädigt wie aus einer Zeitkapsel. Mit ihm hat das Porsche-Museum seine Dauerausstellung nun nachhaltig verändert. Der originale und unrestaurierte "P1" leitet als Auftakt-Exponat den Prolog, den ersten Teil der Ausstellung ein.

Quelle: Autoplenum, 2014-01-28

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