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Testbericht

Holger Holzer/SP-X, 20. November 2017

Tesla hat den Elektro-Pkw sexy gemacht. Nun wollen die Kalifornier das gleiche mit dem E-Lkw machen. Doch für Nutzfahrzeuge gelten ganz eigene Regeln, wie ein amerikanischer Ex-Trucker in einem Beitrag auf dem Portal „Autoblog“ feststellt. Der Profi äußert ernste Zweifel an dem Hype-Mobil.

Die Grundidee sei zunächst einmal gut, findet der ehemalige Berufskraftfahrer Jonathan Ramsay. Ein schwerer Lkw für den sogenannten Verteilerverkehr auf Kurz- und Mittelstrecken könnte mit einem Elektromotor Energie und CO2-Emissionen sparen. Die Reichweite eines solchen Trucks müsste nicht exorbitant sein, da die Wege zwischen Containerterminals und Discounter-Lager eher kurz sind, viel Zeit mit Warten im Leerlauf verbracht wird und das Aufladen relativ leicht in den Arbeitsablauf eingebunden werden könnte. Tesla-Chef Elon Musk rechnet durch den E-Antrieb auf einem 100-Meilen-Trip mit einer Kostenersparnis von 20 Prozent gegenüber einem Diesel-Lkw. Für den Fernverkehr von Küste zu Küste hingegen kommt der Tesla Semi trotz seiner extremen Reichweite von 800 Kilometern kaum in Frage. Konventionelle Langstrecken-Trucks kommen fast doppelt so weit.

Trotz der begrenzten Einsatzmöglichkeiten des Semi erntete Tesla bei der Vorstellung des Trucks großen Jubel. Auch, weil die Faszination der Elekto-Pkw der Marke auf den Lkw abstrahlt. Nicht umsonst hatte Musk als Überraschung die Studie eines neuen Sportwagens im Trailer des Semi versteckt, mit der kein Beobachter gerechnet hatte: ein emissionsfreier Flitzer mit schnittiger Karosserie und einer Beschleunigung aus einer anderen Welt. Ein weiteres Elektro-Faszinosum, das Fans und Investoren trotz zuletzt schlechter Nachrichten aus der Firmenzentrale im Silicon Valley bei der Stange halten soll.

Auch der Tesla Semi ist faszinierend, nicht zuletzt, weil die coole Marke der ansonsten so nüchternen Fahrzeuggattung die Vision einer sauberen und hippen Zukunft vorlegt. In der Praxis könnten aber gerade Teslas Spezialzutaten den Genuss verderben, findet Ramsay. Da wäre zunächst einmal die zentrale Sitzposition in der Mitte der Kabine. Bislang vor allem aus Sportwagen wie dem McLaren F1 bekannt, soll sie künftig der Arbeit des Truckers neue Würze geben und vor allem seine Übersicht verbessern. Übersicht ist für Ramsay aber gar kein generelles Problem; die hohe Sitzpostion in einem Truck sorgt bereits in der Regel für einen guten Blick nach vorne. Der mittige Sitz hat vielmehr besondere Nachteile: Vor allem lässt sich so viel schlechter an vorausfahrenden Lkw vorbeischauen. Und auch die Überwachung des Toten Winkels und der Blick aus dem Fenster beim Rangieren wären bei einem Mittelsitz zumindest schwierig. Tesla will das mit zahlreichen Kameras ausgleichen, die aerodynamisch günstiger sind als große Spiegel und den Truck zudem besser und schnittiger aussehen lassen. Ramsay allerdings hält den direkten Blick durch einen der zahlreichen Spiegel für deutlich sicherer. Bei Nacht befürchtet er zudem, dass die hellstrahlenden Rückschau-Bildschirme auf Dauer die Augen stark belasten.

Neben der ungewöhnlichen Sitzposition hat Tesla auf der Präsentation des Lkw weitere Besonderheiten herausgestrichen, etwa die aus dem Pkw der Marke bekannte extremen Beschleunigungswerte. Bei einem – beladenen - Truck allerdings dürften die kaum mehr so beeindruckend sein wie auf dem Papier. Ein Lkw fährt idealerweise sowieso gleichmäßiges Tempo; mit vollem Hänger bedeutet jedes Gasgeben eine Explosion beim Energieverbrauch. Beschleunigung ist im Unterschied zu den Spaßmobilen der Marke bei einem Nutzfahrzeug also kaum entscheidend. Viel wichtiger wären gute Werte bei der Verzögerung. Und energische Bremsen – das zeigt schon das Tesla-SUV Model X – zählen nicht zu den Kernkompetenzen der kalifornischen Marke.

Zweifel äußert Ramsay auch an den proklamierten Sicherheitsvorteilen des E-Antriebs. Die einzeln gesteuerten E-Motoren sollen vor allem das gefürchtete Jackknifing, das Zusammenfalten des Zugfahrzeug-Anhänger-Gespanns, verhindern. Ob die starken Motoren den Zug aber stabil halten können, wenn 30 Tonnen Ladung ins Rutschen kommen, bleibt zumindest zweifelhaft.

Auch wenn Tesla seine E-Truck mit einigen Show-Komponenten würzt und typische E-Auto-Vorteile wie die Beschleunigung überbetont – die Elektrifizierung im Verteilerverkehr wird wohl kommen. Tesla selbst möchte das Serienauto 2019 auf die US-Straßen bringen. Und auch andere Hersteller wie die Daimler-Tochter Fuso arbeiten an elektrischen Trucks für den Verteilerverkehr, die in den kommenden vier Jahren in Serie gehen sollen. Bereits auf der Straße unterwegs ist sogar ein elektrisch betriebener Leicht-Lkw der Marke, der E-Canter, der vor allem auf Kurzstrecken und im Stadtverkehr unterwegs ist.


Sportwagen kauft man wegen ihrer Beschleunigung. Lkw eher nicht. Daran kann auch der gerade vorgestellte Tesla Semi nichts ändern.

Fazit
Sportwagen kauft man wegen ihrer Beschleunigung. Lkw eher nicht. Daran kann auch der gerade vorgestellte Tesla Semi nichts ändern.

Quelle: Autoplenum, 2017-11-20

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