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Testbericht

Wolfram Nickel/SP-X, 9. April 2018
Volkswagen hat viel zu feiern in diesem Jahr, doch ein Jubiläum lassen die Wolfsburger fast still vergehen. Vielleicht weil frühere Witze über das 1968 vorgestellte Flaggschiffmodell noch heute weh tun: „Wie kommt der VW 411 zu seinem Namen? Endlich ein Käfer mit vier Türen, aber er kommt elf Jahre zu spät!“ Tatsächlich hatten die intern Typ 4 genannten zwei- oder viertürigen Limousinen und der Kombi Variant das Vorkriegskonzept des Käfers mit luftgekühltem Heckmotor in die obere Mittelklasse transferiert. Technisch von gestern war der VW 411 nicht. Im Gegenteil, unter dem Slogan „Der Große aus Wolfsburg“ glänzte er als erster Volkswagen mit einer selbsttragenden und viertürigen Karosserie sowie mit Finessen wie Vorderachse mit Federbeinen, Querlenkern und Schraubenfedern. Auch hinten gab es moderne Schraubenfedern zur Doppelgelenkachse und für ungewohnten Komfort sorgte die umfangreiche Serienausstattung inklusive Standheizung. Obwohl der Käfer 1968 zu weltweiter Bestform auflief und sich die größeren Heckmotor-Modelle VW 1500/1600 wacker schlugen, weckte der 411 trotz aller Neuerungen kaum Begeisterung. Was zunächst daran lag, dass der magere 50 kW/68 PS leistende Vierzylinder die 4,53 Meter lange und beladen 1,5 Tonnen schwere Limousine nur mühsam in Fahrt brachte. Vor allem aber störten sich sogar VW-Fans am Frontdesign mit fast endlos langer Nase und traurig blickenden Oval-Scheinwerfern. Der neu inthronisierte VW-Konzernlenker Kurt Lotz reagierte rasch und bewilligte Nasenkorrekturen wie kräftigere Motoren. Letztlich aber war es der Variant, der den 411 mit Verspätung in Schwung brachte. Eine neue Autowelt war im Anrollen als Heinrich Nordhoff, der erste Vorstandsvorsitzende der Volkswagenwerk AG, im April 1968 plötzlich verstarb. Nordhoff verteidigte den VW Käfer und sein Antriebsprinzip aus Vorkriegstagen gegen alle öffentliche Kritik und der Erfolg gab ihm scheinbar Recht. Auch die erste bundesdeutsche Nachkriegsrezession von 1966/67 und das revolutionäre, in vielen Ländern streikgeschüttelte Jahr 1968 beflügelte den Volkswagen Typ 1 zu neuen Rekordzahlen von jährlich 1,2 Millionen Einheiten. Andererseits wuchsen mit steigendem Wohlstand die Ansprüche der Autokäufer. Darum erweiterte Nordhoff das VW-Programm um die Mittelklassemodelle 1500/1600 (Typ 3) – ebenfalls mit luftgekühltem Heckmotor. Gegen die leistungsstärkere und modernere Konkurrenz von Ford und Opel konnte der konventionelle Typ 3 jedoch keine Dominanz entfalten. Für Nordhoff Anlass nachzulegen, diesmal mit dem 411 (Typ 4) mit selbsttragender Karosserie, mehr Kofferraumvolumen und mehr Komfort im konservativem Stufenheckdesign. In Serie ging diese Krönung des Käfer-Programms als modisch gekleidete Schräghecklimousine und als geräumiger Variant, doch die Zukunft für die Fahrzeuge aus Nordhoffs Vermächtnis sah nicht mehr allzu rosig aus. Kam es doch vor einem halben Jahrhundert zu einer Zeitenwende im Automobilbau, die neue Trends in der oberen Mittelklasse hervorbrachte. Dazu zählten starke Motoren und Komfortfeatures ebenso wie der Frontantrieb, den bis dahin die Avantgarde für sich reklamierte. Tatsächlich wirkten sich diese Entwicklungen bereits im Wolfsburger Markenprogramm aus, denn dieses wurde um Audi und NSU erweitert. In Form von Audi 100 und NSU K 70 traten gleich zwei Limousinen mit Frontantrieb in Konkurrenz zum VW 411. Zwar konnte Nordhoffs Thronfolger Kurt Lotz den K 70 unter eigenständiger NSU-Flagge und als Kombi gerade noch verhindern. Aber als erste frontangetriebene VW-Limousine machte der K 70 dem gleich großen Typ 411 das Leben schwer. Als Käfer im Kingsize-Format mit einer Fastbackform, die von Pininfarina beeinflusst worden sein soll, gewann der 411 deshalb vorrangig Käufer, denen die VW-Typen 1 und 3 zu klein geworden waren, die aber das engmaschige VW-Kundendienstnetz und die legendäre Zuverlässigkeit der Heckmotormodelle nicht missen wollten. Tatsächlich bestätigte die Fachpresse dem frischen VW-Flaggschiff eine „perfekte Qualität in allen Details“ und „endlich Gepäckraumkapazitäten wie bei der Konkurrenz“. Die voluminöse Heckablage und der große Frontkofferraum hinter der kuriosen Nase vergrößerten den Stauraum beim 411 gegenüber den VW 1500/1600 um fast die Hälfte. Damit nicht genug, gab es schon 1968 während der Pressefahrvorstellung gezielt gestreute Gerüchte, dass ein 411 mit Heckklappe in Vorbereitung sei. Tatsächlich entstand eine solche Limousine mit großem Glasdeckel – allerdings nur als Prototyp. Auch ein verführerisch schönes fünfsitziges Cabriolet des Karossiers Karmann ging nicht in Serie. Realität wurde stattdessen der Kombi 411 Variant, der zum Modelljahr 1970 in den Handel kam und als Familien- und Freizeitmobil für Furore sorgte. Wie schon der Typ 3 Variant war der 411 Kombi zeitweise gefragter als die Limousine, womit erstmals in Deutschland die Karosserieform des Lademeisters zur Nummer eins avancierte. Und noch ein Triumph gelang dem VW 411, vor allem aber der 1972 lancierten Evolutionsstufe 412 mit völlig neuer Frontoptik: Wolfsburgs größter Luftgekühlter verkaufte sich jetzt besser als der Feind im eigenen Haus, der K 70. Noch in seinem letzten Verkaufsjahr 1974 erzielte der VW 412 vier Mal mehr Zulassungen als das „Superauto“, wie Medien den K 70 nannten. Dazu beigetragen haben technische Weiterentwicklungen der Antriebe im VW 412. Nachdem bis 1972 ein 1,7-Liter-Einspritzer mit 59 kW/80 PS das Maß der Dinge war, gab es den 412 als fast 160 km/h flotten 1,8-Liter-Einspritzer mit 63 kW/85 PS. Überhaupt die Motoren. Sie bewiesen ihr Potential sogar in dem damals populärsten deutschen Sportwagen, dem VW-Porsche 914. Und in 2,0-Liter-Ausbaustufe arbeitete der Boxer in der Sportwagen-Ikone schlechthin, dem 911. Allerdings nur im für Nordamerika bestimmten 912 E des Modelljahres 1976. Seine Vielseitigkeit demonstrierte der Luftgekühlte drei Jahre später, als er den VW Bulli (T3) zu bis dahin ungeahnten Leistungen beflügelte. Da waren VW 411/412 längst Vergangenheit. Was dem Käfer in der kleinen Klasse gelang, konnten Heinrich Nordhoffs größte Konstruktionen nicht auf die obere Mittelklasse übertragen. Dazu fehlte es ihnen an Faszination. Dennoch bereiteten die Heckmotor-Modelle den Gipfelsturm der Wolfsburger in der Mittelklasse vor. Wurde das Fließheck-Design des VW 1600 TL noch als „Traurige Lösung“ belächelt, bereitete der flotter gezeichnete Rücken der Typen 411/412 den Boden für den Fastbacklook des 1973 lancierten Passat - der anfangs ebenfalls auf eine Heckklappe verzichtete. Denn dafür stand ja der Variant bereit. Auch diese Karosserieform genoss schon mit luftgekühlten Boxermotoren unter der Ladefläche Lifestyle-Charme statt Nutzfahrzeug-Charakter. Trotzdem nahm niemand Notiz als im Sommer 1974 der finale Volkswagen 412 vom Band fuhr. Genau so still und leise verschwand der VW Typ 4 später aus dem Straßenbild. Chronik Volkswagen 411/412 (Typ 4): 1961: Auf der Frankfurter IAA debütiert als bis dahin größter Volkswagen der Typ 3, eine Mittelklasse-Limousine für Käfer-Fahrer, die aufsteigen wollen. Aber auch Käufer von Opel Rekord, Ford Taunus 17 M, Auto Union oder von gebrauchten Mercedes sollen erreicht werden. 1962: Da die Typ-3-Limousine mit ihren geteilten Kofferräumen relativ wenig Stauraum bietet, wird mit dem VW 1500 Variant der erste Volkswagen-Kombi lanciert. Fortan werden in manchen Jahren mehr VW 1500 Variant als VW 1500 Limousinen verkauft, womit erstmals in Deutschland ein Kombi größere Stückzahlen als die entsprechende Limousinenversion erreicht. 1965: Spitzenversion des Typ 3 wird der 1600 L. Neu ist außerdem eine Schrägheck-Variante, der 1600 TL („Touren-Limousine"). Diese Fastbackversion soll zunächst die Stufenhecklimousine ersetzen, wird aber von den Kunden wenig goutiert. Deshalb bleiben alle drei Karosserieformen im Programm. 1968: Bei allen Typ 3 (Ausnahme Variant mit erhöhter Nutzlast) ersetzt eine Schräglenker-Konstruktion die hintere Pendelachse. Der Volkswagen Typ 3 wird auch in Deutschland als 1600 LE/TLE mit einer elektronischen Benzineinspritzung angeboten. Im September startet „Der Große aus Wolfsburg“, der VW Typ 4 als Modell 411 mit luftgekühltem 1,7-Liter-Boxer-Motor. Die Produktion erfolgt im Werk Wolfsburg. Der speziell für diesen Pkw entwickelte luftgekühlte Boxermotor wird im Laufe der Zeit auf bis zu 2,0-Liter-Hubraum erweitert und von 1979 bis 1982 auch im VW Bus/Transporter (T3) eingesetzt. Außerdem basiert der Motor des VW-Porsche 914/4 auf dem Triebwerk des VW 411. Bei Porsche wird der Motor im Modelljahr 1976 mit zwei Litern Hubraum in den 912 E für den nordamerikanischen Markt implantiert. Dort leistet der Vierzylinder 63 kW (86 PS). Zunächst gibt es den Volkswagen 411 als zweitürige Limousine und viertürige Limousine, ein Jahr später folgt ein dreitüriger Variant. Nur ein Prototyp bleibt das von Karmann in Osnabrück entwickelte 411 Cabriolet. 1969: Im August große Modellpflege. Der 411 erhält eine zusätzliche Motorisierung. Der auf ausdrücklichen Kundenwunsch bzw. in Kombination mit Automatikgetriebe weiterhin bestellbare 68-PS-Motor wird durch eine Bosch-Einspritzanlage auf 80 PS gesteigert, die entsprechende Typenbezeichnung lautet 411 E. Die Front des 411 E kennzeichnen neue Doppelscheinwerfer mit H1-Lampen statt der Ovalscheinwerfer mit Zweifadenlampe für Fern- und Abblendlicht. Neu ist außerdem der zweitürige Kombi Variant. Der 411 E Variant wird fast von Beginn doppelt so oft verkauft wie die Limousine. Die von NSU für den Genfer Salon vorgesehene Premiere der Limousine K 70 wird durch die neue NSU-Konzernmuttermarke Volkswagen kurzfristig abgesagt. VW baut für den K 70 ein neues Werk in Salzgitter und bereitet die viertürige Limousine mit VW-Logo für den Marktstart vor. Erster VW mit Vorderradantrieb und wassergekühltem Frontmotor. 1970: Die Produktionsplanung wird für den K 70 auf 500 Fahrzeuge täglich ausgelegt und entspricht so den Zahlen des VW 411. Pressevorstellung des K 70 im Sommer, Publikumspräsentation im September. Ursprünglich geplante Kombi- und Schrägheckvarianten werden nicht zur Serienreife entwickelt, um weitere Konkurrenz zum 411 zu vermeiden. 1972: Im August läuft die Produktion des 411 aus. Nachfolger wird der 412, der sich optisch vor allem im Frontdesign differenziert. Auch der K70 erfährt ein Facelift mit flacherer Motorhaube und Doppelscheinwerfern. 1973: Im Juli endet die Produktion des Typ 3 (VW 1600). Nachfolger wird ab September der Passat. Beim VW 412 wird die Einspritzanlage gestrichen (außer US-Versionen), die Gemischbildung erfolgt wieder über Zwei-Vergaser-Anlage. Neuer Spitzentyp 412 S mit 85 PS. Außerdem verlagert VW die 412-Produktion von Wolfsburg ins Werk Salzgitter. Neuer Motor für den K 70. Im S/LS arbeitet jetzt ein 1,8-Liter-Aggregat mit 100 PS. Vom Volkswagen 412 werden 73.440 Einheiten abgesetzt gegenüber nur 56.721 VW K 70. Vom Passat werden bereits 114.139 Einheiten ausgeliefert. 1974: Im Juni Produktionsende für den Typ 4 (VW 411/412) nach insgesamt 367.728 Exemplaren. Im letzten Produktionshalbjahr wurden immer noch 30.583 Volkswagen 412 ausgeliefert, dagegen vom K 70 im ganzen Jahr nur 7.335 Einheiten. Der Passat bringt es nun auf 340.589 Einheiten 1975: Im Januar 1975 wird die Produktion des VW K 70 eingestellt. Insgesamt wurden 211.127 Volkswagen K 70 hergestellt. Volkswagen 411/412 Programm: Volkswagen 411 (1968-1972) als zwei- und viertürige Schräghecklimousine sowie als dreitüriger Kombi Variant; Motorisierungen mit 1,7-Liter-Vierzylinder-Benziner (50 kW/68 PS und Vmax 145 km/h, bzw. 59 kW/80 PS und Vmax 155 km/h). Volkswagen 412 (1972-1974) als zwei- und viertürige Schräghecklimousine sowie als dreitüriger Kombi Variant; Motorisierungen mit 1,7-Liter-Vierzylinder-Benziner (59 kW/80 PS und Vmax 155 km/h) bzw. mit 1,8-Liter-Vierzylinder-Benziner (55 kW/75 PS und Vmax 150 km/h, bzw. 63 kW/85 PS und Vmax 158 km/h). Produktionszahlen: Insgesamt vom Typ 4 (VW 411/412) 367.728 Exemplare, davon 22.922 Einheiten im Jahr 1968, 48.521 Einheiten im Jahr 1969, 42.587 Einheiten im Jahr 1970, 79.270 Einheiten im Jahr 1971, 70.368 Einheiten im Jahr 1972,  73.440 Einheiten im Jahr 1973 und 30.583 Einheiten im Jahre 1974.   Er war das Lieblingskind aller VW-Kritiker. Der Volkswagen 411 versuchte den Erfolg des Käfers in die obere Mittelklasse zu übertragen, erntete mit dem antiquierten Konzept des Krabbeltieres aber ebenso wenig Begeisterung wie mit seinem kuriosen Frontdesign. Dann aber kam der „Nasenbär“ doch noch in Fahrt.
Fazit
Er war das Lieblingskind aller VW-Kritiker. Der Volkswagen 411 versuchte den Erfolg des Käfers in die obere Mittelklasse zu übertragen, erntete mit dem antiquierten Konzept des Krabbeltieres aber ebenso wenig Begeisterung wie mit seinem kuriosen Frontdesign. Dann aber kam der „Nasenbär“ doch noch in Fahrt.

Quelle: Autoplenum, 2018-04-09

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