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Testbericht

9. November 2009
Laguna Seca (USA), 9. November 2009 - Die Straße glänzt noch ein bisschen von morgendlicher Reiffrische. Aber Dieter Zetsche gibt beim Anfahren in der Kurve solide Gas. Und der neue Mercedes SLS ist nicht bereit, Traktion zu verlieren, spurtet nach vorn. "Der SLS soll komfortable Alltagstauglichkeit und sportliche Rennstreckenfähigkeit miteinander verbinden.", sagt uns Daimler-Chef Zetsche. Wir setzen uns hinters Steuer und testen, ob der Boss des Sternen-Imperiums recht behält.

Landung Klar, am auffälligsten ist der SLS, wenn er seine Flügel schwingt - also mit geöffneten Türen da steht. Wie eine Möwe im Landeanflug scheint der Wagen sanft auf die Straße zu schweben. AMG, die Performance-Marke von Mercedes, setzt bei ihrem ersten komplett in Eigenregie entwickelten Auto genau dieses eine Stilmittel ein, um an den legendären 300 SL "Gullwing" zu erinnern. Aber der neue SLS ist in keinster Weise ein Auto im Retro-Design. Flach mit extrem langer Nase zischt der reduziert gezeichnete Wagen durch den Wind. Und die Flügeltüren sind technisch nicht mit denen des alten 300 SL vergleichbar. Würde der SLS nach einem Überschlag auf dem Dach liegen, explodieren automatisch kleine Sprengsätze, welche die Türlager zerstören und so ein leichtes Abziehen oder Wegdrücken der Flügeltüren ermöglichen. Wer aus seinem SLS zum ersten Mal aussteigt, läuft allerdings Gefahr, sich den Kopf leicht an der Innenverkleidung der Tür zu stoßen - was wegen der weichen Materialien ohne Blessuren abgeht. Nach diesem einen Rempler ist man darauf eingestellt und für die Zukunft außer Gefahr.

Jet - ein bisschen Das ansprechend reduzierte Design der Karosserie setzt sich in der Kabine fort - nichts wirkt überfrachtet. Schick sind die ein wenig an Flugzeug-Triebwerke erinnernden Lüftungsdüsen, die wir wohl bald auch in anderen Mercedes-Sportwagen wiederfinden werden. Der Wahlhebel des Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes sieht wie ein kleiner Schubregler aus und lässt sich ohne zusätzlichen Knopfdruck in die entsprechende Position ziehen. Auf der geradlinigen Mittelkonsole warten hintereinander angeordnete, zum Fahrer geneigte Knöpfe auf Druck-Befehle. Hier lässt sich der Motor starten, stufenweise das ESP abschalten und das AMG-Menü aufrufen. Über letzteres kann der Fahrer beispielsweise ins Fahrzeug-Setup eingreifen, den Race-Timer starten oder sich die genaue Kühlmittel-Temperatur anzeigen lassen.

Sport für Große Die Mittelbahnen der SLS-Sitze sind etwas weicher gepolstert als die Seitenwangen, was uns einen optimalen Kompromiss zwischen Langstrecken-Tauglichkeit und Race-Fähigkeiten fühlen lässt. Auch große Menschen haben jede Menge Freiheit für Beine und Kopf. "Ich bin ein Sitzriese und ich muss hier schließlich auch reinpassen", sagt uns Zetsche. Für kleinere Zeitgenossen ist es allerdings nicht ganz einfach, sitzend den in luftiger Höhe schwebenden Türgriff zu erreichen. Hier gilt es entweder, sich noch mal aus dem Sitz zu stemmen oder bereits beim Einsteigen die Tür mitzuziehen. Außerdem gibt es ein Band mit Klettverschluss als Zubehör, welches am inneren Türgriff befestigt werden kann - was aber der Optik nicht unbedingt zuträglich sein dürfte. In Sachen Ablagen hält sich der Supersportler etwas zurück: Die Mittelkonsole bietet zwei kleine Fächer und an der Rückwand zwischen den Sitzen wartet eine flache Ledertasche auf Kleinkram. Ein Handschuhfach gibt es selbstverständlich auch - aber in den Türen kann nichts verstaut werden. Natürlich müssten Ablagefächer dort mit einem fest schließenden Deckel ausgerüstet werden, da sonst bei geöffneter, also beinahe Kopf stehender Tür, der Fachinhalt der Schwerkraft folgen würde.

Doppelt ausgewogen Die Räder des SLS werden an Doppel-Dreiecksquerlenkern aus Aluminium geführt. Radführung und Federung sind hier voneinander getrennt, was in einem ausgesucht präzisen Fahrgefühl mündet. Aber die gesamte Feder-Dämpferabstimmung ist so ausgewogen, dass wir zum Beispiel erhabene Fahrbahnmarkierungen hören, aber nur zart spüren - ganz im Gegensatz zum etwas härter abrollenden E 63 AMG. Vom ruhigen Cruisen über die Landstraße können wir kaum genug bekommen - auch nach Stunden steigen wir erfrischt aus dem Wagen. Und auf der Rennstrecke enttäuscht uns der SLS dann ebenfalls nicht: Mit spielfreier Direktlenkung rasen wir ohne Wanken oder Nicken den Parcours ab. Das Lenkrad ist ganz nebenbei das Schönste in der ganzen Mercedes-Angebotspalette. Mit gut greifbarem velourüberzogenen Kranz und unten abgeflacht, wirkt es nicht so wuchtig wie andere Konzern-Steuerräder. Die besonders leichten Verbund-Bremsen des SLS werden beherzt in die Zange genommen - was uns sowohl im Alltag und erst recht auf der Rennstrecke gefällt, da sich das Stoppsystem ausgesprochen gut dosieren lässt.

Saugt und saugt und saugt Hinter der Vorderachse, also in so genannter "Front-Mittelmotor"-Anordnung, schlägt das Herz des SLS: ein überarbeiteter 6,3-Liter-V8. Der Basismotor heimste 2009 die renommierte Auszeichnung "Best Performance Engine of the Year" ein. Dank diverser Modifikationen wie beispielsweise der komplett neu entwickelten Ansauganlage, der Überarbeitung des Ventiltriebs und der Nockenwellen sowie strömungsoptimierter Fächer-Krümmer bringt es der Motor jetzt auf 571 PS - 46 PS mehr als beispielsweise im E 63 AMG. Das maximale Drehmoment steigt um 20 von 630 auf 650 Newtonmeter. Die Momenten-Spitze liegt bei 4.750 U/min an. Wir geben Gas und sind sofort vom Sound des Saugers begeistert: Grollend gurgelt das Hochdrehzahl-Aggregat seine Arbeitsfreude heraus. "Wir wollen mit dem SLS-Motor einen richtig guten Klangteppich ausbreiten" sagt uns noch AMG-Chef Volker Mornhinweg. Das hat funktioniert, sicher auch wegen des absichtlich wie Zündaussetzer klingenden "Pockens", was uns beim Gaswegnehmen von hinten einlullt. Mit sensationellem Ansprechverhalten motiviert uns das Triebwerk zu dynamischer Fahrt. Hauen wir das Gaspedal nach unten, geht es in 3,8 Sekunden von null auf 100 km/h, wer 11,7 Sekunden wartet, dem zeigt die Tachonadel die 200.

Leichtigkeit und Effizienz Der Rennmotor des SLS fällt durch viele Superlative auf. So konsumiert er beispielsweise mit 13,2 Liter im Schnitt 0,023 Liter Super pro PS - ein Mini Cooper mit 120 PS und einem Verbrauch von durchschnittlich 5,4 Liter kommt auf 0,045 Liter Benzin pro PS. Diese Rechnung schmälert zwar nicht den Gesamtverbrauch des SLS, ist aber ein Hinweis auf die sensationelle Effizienz seines Motors. Und dabei ist das Triebwerk auch noch richtig leicht: 205 Kilogramm bringt es auf die Waage, was einem Wert von 0,36 Kilogramm pro PS entspricht. Insgesamt muss das Aggregat mit 1.620 Kilogramm Fahrzeuggewicht fertig werden. Der Aluminium-Spaceframe und die Alukarosserie helfen, den unter anderem mit acht Airbags ausgestatteten Wagen so leicht zu machen. Dank des Spaceframes ist der SLS zudem unwirklich steif, scheint sich wie eine Granitplatte um keinen Millimeter zu verwinden.

Ein Zug: Doppelkupplung Die Krafteinteilung des neuesten Sternen-Supersportlers übernimmt ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Diese wird einer optimalen Gewichtsverteilung zuliebe in Transaxle Bauweise montiert, sitzt also im Heck des Wagens. Das Getriebe wurde von Getrag unter massiver Unterstützung von Mercedes-Ingenieuren entwickelt und kommt in dieser Ausführung auch im Ferrari California zum Einsatz. Auf Landstraße und Race Track gibt sich das Räderwerk keine Blöße: Ohne Zugkraftunterbrechungen und spürbare Schaltvorgänge sind wir souverän unterwegs. Beim Cruisen reicht uns das per Drehregler anwählbare Spritspar-Fahrprogramm "C" (Controlled Efficiency). Über die Einstellungen "Sport" und "Sport Plus" geht es zu "Manuell". Mit gut greifbaren Metall-Wippen lassen sich hier die Gänge einlegen. Die letzten drei Programme sind mit einer Zwischengasfunktion versehen. Laut AMG sind ultrakurze Schaltvorgänge in minimal 100 Millisekunden drin. Für die bereits zu Anfang des Tests als Dieter-Zetsche-Beifahrer erlebte Traktion ist das Getriebe ebenfalls zuständig: eine mechanische Differenzialsperre ist in das Getriebegehäuse integriert.
Technische Daten
Antrieb:Heckantrieb
Anzahl Gänge:7
Getriebe:Doppelkupplungs-Getriebe
Motor Bauart:Otto-V-Motor
Hubraum:6.208
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:8
Leistung:420 kW (571 PS) bei UPM
Drehmoment:650 Nm bei 4.750 UPM
Preis
Neupreis: 177.310 € (Stand: November 2009)
Fazit
"Wer soll so ein Auto bauen, wenn nicht Mercedes?" fragt uns Daimler-Chef Dieter Zetsche selbstbewusst. Auf jeden Fall ist AMG mit dem SLS ein ganz großer Wurf gelungen. Alleine schon das Design macht den Wagen zu einem künftigen Klassiker. Die Idee des 300 SL ist zwar zu spüren, macht aus dem SLS aber kein Retro-Fahrzeug. Und der Rest des Wagens bedient nahezu perfekt zwei Welten: Sowohl als langstreckentauglicher Reisewagen als auch als unerbittlicher Rennstrecken-Terrier macht der SLS eine gute Figur.

Das Ansprechverhalten des effizienten Motors macht diesen zu einem stetig gespannten Muskel, unterstützt von dem in Sekundenbruchteilen schaltenden Getriebe. Die neue Möwe kann kommen: Ab 16. November 2009 wird der SLS verkauft, ausgeliefert wird dann ab dem 27. März 2010.
Testwertung
5.0 von 5

Quelle: auto-news, 2009-11-09

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