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Testbericht

Ralf Bernert/SP-X, 23. Oktober 2016

Fast 50 Jahre ist das nun her. Wir waren Jungs, wir standen um einen 911 und wir haben jede Menge Finger- und Nasenabdrücke auf den Seitenscheiben hinterlassen. Danach sind wir auf unseren Rädern nach Hause gefahren und haben uns vorgestellt wie sich das wohl anfühlt. Allein in einem Porsche 911 auf einer Landstraße. Jetzt, nach 50 Jahren, ist es soweit. Aus Phantasie wird Realität.

Ganz vorsichtig. Ganz behutsam. Die beiden Verriegelungen lösen, das Dachteil herausnehmen, zusammenklappen und unter der Fronthaube einlagern. Soweit war das schon mal in Ordnung. Der 911 S 2.2 Targa, Baujahr 1970 wohnt im Porsche Museum, manchmal wird er ausgeführt. Oldtimer-Rallyes mit Wertungsprüfungen sind seine Hauptbeschäftigung. Diesmal wird der Sportler ganz zivil im Stuttgarter Umfeld bewegt, ohne Zeitschlaufe oder Roadbook.

Der Bügel schimmert silbern. Und dann sind da noch die Felgen, Fuchsfelgen. Ohne die ist ein Urmodell nicht komplett. Urmodell, so heißt die erste Generation des Porsche 911. Am 12. September 1963 wurde der Nachfolger des Porsche 356 auf der IAA in Frankfurt präsentiert. Ferdinand Alexander Porsche, genannt Butzi und Erwin Komenda haben ihn gezeichnet. Seine Hülle aus Stahlblech ist selbsttragend, der Motor sitzt hinter der Achse. Man kann aus diesem Porsche wunderbar hinausschauen und wenn man einen 356 daneben stellt, ist die Verwandtschaft nicht zu übersehen. Dies stand im Pflichtenheft und genau das wurde gebaut. Zunächst als 901 getauft, Peugeot hatte überzeugende Argumente gegen diese Bezeichnung und deshalb heißt der Porsche 911 oder einfach 911 oder ganz schlicht Elfer.

Unser Elfer für den Tag ist ein Sonnenschein. Das Museum hat geschlossen, die Schranke rechts neben dem Haupteingang hebt sich und der 46 Jahre alte Porsche rollt im ersten Gang zum Kreisverkehr. Dort beginnt die Tour.

Der erste Gang liegt Abseits, hinten links. Das Kupplungspedal sträubt sich nicht wirklich. Der Gegendruck ist auszuhalten, man rührt ein wenig. Zumindest am Anfang. Der 911 S 2.2 Targa hat eine mechanische Einspritzung, 180 PS, fünf Gänge, 15-Zoll-Räder und zwei obenliegende Nockenwellen. Mehr nicht und es reicht vollkommen aus. Heute nennt man das Klassik, damals nannte man das „Fahren in seiner schönsten Form“.

Den 2.2 würde man heute als Update des Urmodells bezeichnen. Die erste Reihe des 911 wurde mit zwei Litern Hubraum und 130 PS ausgeliefert. Der 911 S 2.2 ist da eine deutliche Spur stärker. Mehr Hubraum und höhere Verdichtung gleich mehr Leistung und auch mehr Drehmoment. Dieser 911 ist schon im Stand eine Hommage an das Ursprüngliche, die Klarheit der Mechanik und die Kunst des Weglassens. Das Cockpit ist mit den fünf Uhren bestückt. In der Mitte der Drehzahlanzeiger, daneben der Tacho und ein paar Anzeigen für Öltemperatur, Öldruck, ganz rechts die Uhr und ganz links die Treibstoffanzeige. Das winzige Radio spielt keine Rolle, die Sitze werden per Hebel entriegelt und dann nach hinten geschoben. Die Spiegel stellt man manuell ein. Die Kurbeln für die Türfenster werden später wichtig.

Die Ampel im Kreisel neben dem Museum schaltet auf grün, der Elfer darf los und das erste Mal in den Zweiten. Der Motor läuft so ruhig und sauber wie die oft zitierte Nähmaschine, man könnte ein feines Muster in den Asphalt zaubern. Bis zur nächsten Ampel findet sich sogar der dritte Gang. Auf den ersten Kilometern werden Drehzahlen wirklich zaghaft erreicht, früh schalten, Rücksicht auf das Alter nehmen, den Motor erst warm laufen lassen. Zwei- maximal Dreitausend werden dem Sechszylinder zugemutet. Die Bremsen verzögern sauber, das leichte Spiel der Lenkung ist kein Problem. Auf der Autobahn schrumpft der 911, der SUV hinter uns reißt das Maul auf als wolle er den Klassiker verschlingen. Der Porsche rennt im fünften Gang vornweg und kann entkommen, nie war die Mittelspur wertvoller. Autobahnen sind im Jahr 2016 kein Revier für einen filigranen Klassiker wie den Urelfer.

Landstraßen sind unsere Bühne, das leichte Auf und Ab rund um Stuttgart. Links und rechts der Straße sitzen Menschen an ihren Schreibtischen, Handwerker bauen Gerüste oder decken Dächer. Und auf dem Aspahlt, ein paar Meter daneben, tanzt das Resthaar auf der Stirn, die Sonnenbrille vibriert auf der Nase, unter der Kopfhaut springen Erinnerungen hin und her. So also fühlt sich das an. Leicht, mühelos, kraftvoll, fein und klar. Jeder Zentimeter der Straße wird aufgesogen, der Motor brüllt, mit Zwischengas runter schalten, vor jeder Kurve leicht anbremsen, im Scheitelpunkt beschleunigen, immer ein wenig schneller, mutiger, lauter. Der Porsche wächst mit dem Fahrer zu einer Art Kumpanei zusammen. Das Lenkrad ist der Freundschaftsring, der Schalthebel die direkte Verbindung zum Getriebe, das Bremspedal der Engel auf der Schulter. Wer ihn zu arg tritt, bekommt Ärger, wer ihn ignoriert hat ein Problem. All´ das zusammen ist eine Wonne.

Nach gut drei Stunden stellt sich ein Gefühl echter Verbundenheit ein. Porsche und Mensch sind eins. Der Klang des Motors wird zur Musik, den Takt gibt der Gasfuß vor. Die rechte Hand lässt den Schalthebel fast von selbst in die richtige Position laufen, alles ist im Fluss. Nach jeder Kurve dieses Grinsen, das man spürt und gerne sehen würde. Und genau das haben wir uns als Jungs so vorgestellt. Grinsen mit dem ganzen Körper. Morgens einsteigen, zur Arbeit fahren und den Feierabend mit einem Grinsen beginnen.

Porsche 911 S 2.2 Targa
Baujahr: 1970, Motor: 6-Zylinder Boxer, Hubraum: 2.195 ccm, Leistung: 132 kW / 180 PS bei 6.500 U/min, Drehmoment: 199 Nm bei 5.200 U/min, Leergewicht: 1.110 kg, Top Speed: 225 km/h, 0-100 km/h: 8,0 Sekunden

Manchmal kann man seine Träume nachholen. Es dauert nur eben ein wenig. In diesem Fall nicht ganz 50 Jahre.

Fazit
Manchmal kann man seine Träume nachholen. Es dauert nur eben ein wenig. In diesem Fall nicht ganz 50 Jahre.
Testwertung
5.0 von 5

Quelle: Autoplenum, 2016-10-23

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