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Testbericht

Stefan Grundhoff, 14. Januar 2020

Immer mehr Fahrzeuge sind mit automatisierten Getrieben unterwegs. Handschaltungen sind von sportlichen Ausnahmen abgesehen fast nur noch bei günstigen Einstiegsmodellen zu bekommen. Der Trend wird sich fortsetzen. Adieu Kupplung.

Wer sich bei verschiedenen Autoherstellern sein Traumfahrzeug konfigurieren möchte, dem fällt bereits auf einer der ersten Seiten auf, dass in Sachen Handschaltung nicht mehr viel zu holen ist. Bei den innovationsfreudigen und besonders imageträchtigen Premiumherstellern sind Handschaltungen ebenso allenfalls noch bei den günstigen Einstiegsmodellen zu bekommen, wie bei den Volumenmarken aus dem In- und Ausland. Längst vergessen ist dabei das Vorurteil, dass automatisierte Getriebe, die Anfang der 1940er Jahre Einzug in die ersten amerikanischen Fahrzeuge hielten, unsportlich sowie träge seien und den Verbrauch in die Höhe drückten. Mittlerweile verbrauchen viele Fahrzeuge mit automatisiertem Getriebe weniger als der identisch motorisierte Handschalter. In der Kombination mit Fahrprogrammen werden die Gangwechsel zudem nicht nur schneller, sondern unter Umständen noch entsprechend mit Auspuffsound oder besonders illuminierten Instrumenten inszeniert. Mit den Anforderungen von Herstellern und Kunden stieg dabei über die Jahre auch die Anzahl der Gänge. Mussten die ersten Getriebeautomaten mit drei Fahrstufen auskommen, ist heute unterhalb von sechs bis sieben Gängen nichts mehr zu machen. Hersteller wie Ford oder Toyota bieten seit Jahren sogar zehnstufige Automatikgetriebe an, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Das gilt in Europa ebenso wie dein USA oder Asien. Anders sieht das bei den stufenlosen CVT-Getrieben aus, die oftmals in Hybridmodellen von japanischen oder koreanischen Herstellern wie Toyota, Honda oder Kia verbaut werden. Diese stufenlosen Automaten sind gnadenlos auf günstigen Verbrauch getrimmt und nehmen den Motoren ihren Tatendrang. Stört in den Los Angeles und Tokio kaum jemanden - in Europa werden die Getriebe gerade von ambitionierten Fahrern zumeist geächtet.

In Deutschland liegt der Anteil der Fahrzeuge mit Automatikgetriebe mittlerweile bei rund der Hälfte. Vor 20 Jahren es nicht einmal 20 Prozent. Bei Fahrzeugen ab der Mittelklasse sind es mehr als 70 Prozent - Tendenz stark steigend. Bei den Bestandsfahrzeugen, die auf deutschen Straßen unterwegs sind, ist der Automatikanteil mittlerweile bei knapp einem Drittel. In den USA liegt der Automatikanteil bei gigantischen 95 Prozent und in Japan sind es immerhin mehr als 90 Prozent, die auf das Kuppeln und Schalten während der Fahrt verzichten. In China ist der Trend zu Fahrzeugen mit Automatik ebenfalls stark steigend. In den vergangenen Jahren stieg der Anteil von 35 auf knapp 50 Prozent. Darüber freuen sich nicht nur die Autohersteller, die die Automatikversionen rund 1.500 bis 2.300 Euro teurer verkaufen, sondern auch die kleine Zahl von Zulieferern von Automatikgetrieben, denn nur wenige Autohersteller entwickeln und fertigen diese im eigenen Hause. So sind Hersteller wie ZF, Getrag, Aisin, Jatco oder Borg Warner in den vergangenen Jahren durch ihre vernetzen Automatikgetriebe zu wahren Hightechfirmen geworden, da die Getriebe intelligent mit Verbrennungs- sowie Elektromotoren und Achsen verquickt worden sind.

Die Gründe für das langsame Ende der einst so geliebten Handschaltungen sind dabei überaus vielfältig. Zum einen gab es gerade in Europa einen überproportional großen Anteil an kleinen Fahrzeugen mit Handschaltung. In den USA oder Asien, den anderen beiden Hauptmärkten in der Welt, sah das ganz anders aus. Seit je her sind Handschaltungen hier die absolute Ausnahme. So muss man sich nicht wundern, wenn man in den USA vor seinem Hotel oder dem abendlich besuchten Restaurant bei üblichen Valet Parkservice etwas länger auf seinen Wagen warten muss. "Sorry, dass sie warten müssen, aber wir müssen erst jemanden finden, der den small red Volkswagen fahren kann", lächelt die charmante Valet-Dame vor dem Hotel in Downtown Miami als man auf seinen VW Jetta GLI wartet, "der hat ja Sticksthift." Stickshift - übersetzt Handschaltung - ist in den USA ein Buch mit sieben Siegeln. Wer einen Wagen mit Handschaltung adäquat bewegen kann, rühmt sich als besonders sportlicher Fahrer. Gerade erst hat BMW offiziell bestätigt, dass für den kommenden BMW M3 / M4 eigens wieder eine Handschaltung entwickelt wird. Für die interessiert sich in Europa und dem Rest der Welt kaum ein Mensch, doch in den USA wollen sich die Fahrer eines Sportmodells gerne mit einer Handschaltung ein besonders sportliches Image geben.

So gab es in den USA selbst den BMW M6 mit seinem rund 600 PS starken V8-Doppelturbo mit seiner Sechsgang-Handschaltung. Wer wirklich sportlich unterwegs ist und sogar auf Rundstrecken seine Zeit im Auto verbringt weiß, dass eine Handschaltung in Sachen Sportlichkeit ausgemachter Blödsinn ist. Schließlich hat man auf der Rennstrecke mit ganz anderen Sachen zu tun, muss sich mit Gegnern oder Strecke beschäftigen. Wer Bestzeiten fahren will, tut dies allemal mit einem sequentiellen Getriebe, das abseits von einem kurzen Intermezzo in den frühen 2000er Jahren bei normalen Fahrzeugen keine Rolle mehr spielt oder mit einem Doppelkupplungs- oder notfalls einem Automatikgetriebe. Doch die Autofahrer, die gerne mit ihrer Handschaltung fahren, wollen sich ein Teil automobiler Vergangenheit zurückholen. So überrascht es nicht, dass sich Sportwagen wie ein Porsche 911, ein Ford Mustang oder ein Ferrari-Bolide besonders als Handschalter auf dem Gebrauchtwagenmarkt großer Beliebtheit erfreuen und zumeist mehr Geld wert sind, als die automatisierten Brudermodelle. Bei den potenziellen Kunden eines Neuwagens sieht das ganz anders aus. Der Trend im Alltag mit seinen zahlreichen Staus nicht mehr ständig anfahren zu müssen und immer wieder beim Gangwechsel die Kupplung zu betätigen, setzt sich durch. Mit einer Wandlerautomatik oder einem Doppelkupplungsgetriebe übernimmt das Auto die zahllosen Schaltvorgänge selbst.

Den Autoherstellern kommt dieser Komforttrend gerade recht. Sie sind seit Jahren ohnehin dabei, die Antriebsvarianten zu reduzieren. Leistungsstarke Fahrzeuge wie einst einen BMW 540i oder einen Audi S6 gibt es längst nicht mehr als Handschalter. Gleiches gilt für Luxuslimousinen, bei denen die Handschaltung seit den frühen 90er Jahren aus den Aufpreislisten verschwunden ist. Bei den größeren Geländewagen und SUV sind Handschaltungen ohnehin nie in Mode gekommen. Die Fahrzeuge verfügen zumeist obligatorisch über einen Allradantrieb und hier haben die Autohersteller den Kunden die Wahlmöglichkeit zwischen Handschaltung und Getriebeautomatik ohnehin gar nicht gegeben. Das setzt sich bei Kombis und Limousinen fort, denn die immer beliebter werdenden Allradvarianten sind nur in Ausnahmefällen bei den seltenen Basisversionen im Programm.

Den Autoherstellern ist das nicht nur recht, um den ausgewucherten Variantenreichtum einzudämmen, sondern man kann auch die Verbräuche reduzieren. Eine gute Getriebeautomatik oder ein entsprechendes Doppelkupplungsgetriebe reduziert den Verbrauch des Fahrzeugs nicht nur beim offiziellen Verbrauchszyklus WLTP oder zuvor NEFZ, sondern sorgt insbesondere in der Realität für einen geringeren Durst an der Zapfsäule, denn die modernen Getriebe arbeiten längst in einem Hightechpaket aus Navigationsdaten, Motorelektronik und Fahrprogrammen. Das lässt sich mit einer Handschaltung kaum realisieren. Durch ein automatisiertes Getriebe lässt sich der Fahrer am Steuer indirekt zum rechten Fahren / Schalten erziehen und merkt es oft nicht einmal.

Gleiches gilt für die modernen Fahrerassistenzsysteme, mit denen das Auto die Spur und den Abstand zum Vordermann nebst Staufolgefahren auch im morgendlichen Stopp-and-Go einhält. Teilautomatisiert lässt sich mit einer Handschaltung hier nichts machen und der Komfort- sowie Sicherheitszugewinn wäre gleich null. Bei Plug-In-Hybriden und den Hybriden gibt es ohnehin keine Handschaltung und die Elektrofahrzeuge haben oftmals gar kein echtes Getriebe.

Quelle: Autoplenum, 2020-01-14

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