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Testbericht

4. August 2016
Haar, 5. August 2016

Eigentlich müsste dieses Auto Adam heißen und nicht der gummibärchige Topmodel-Opel. Es ist nämlich nackt. Und wir meinen wirklich nackt, weil nichts an Ausstattung drin ist. Null. Nada. Zero. Nothing. Hierzulande ist der Basis-Sandero mit 6.890 Euro nach dem Lada Granta (der kostet 6.750 Euro) der billigste Neuwagen. Und genau diesen FKK-Dacia wollten wir über drei Monate im Alltag testen. Das erstaunte selbst die Mitarbeiter der Dacia-Mutterfirma Renault. Sie fragten uns, ob wir nicht doch gerne irgendwelche Extras eingebaut hätten. Nein, wollten wir nicht. Und so stand er eines Tages vor der Tür. In der Gratis-Farbe Marine-Blau mit schwarzen Plastikstoßfängern, was dem Sandero aber gut steht. Merke: Wenn einer unlackierte Stoßfänger tragen kann, dann ein Dacia.

Motor, Getriebe, Verbrauch
Klar, für den Preis einer gehobenen Kreuzfahrt kann man kein High-Tech-Turbomotörchen erwarten, das aus zwei Schnapsgläsern Hubraum 400 PS zaubert. Der 1,2-Liter-Saugbenziner, den Dacia für den Basis-Sandero als einziges Aggregat anbietet, ist ein alter Bekannter. Seit über 15 Jahren hat er schon unzählige Renault- und Dacia-Modelle angetrieben. Ein "Bauernmotor", wie es gerne heißt, den aber vermutlich wirklich auch Tankstellen-Mechaniker in der rumänischen Pampa wieder zum Laufen bringen können. Ein Beschleunigungswunder ist die offiziell mit 73 PS angegebene Maschine beileibe nicht: 14,5 Sekunden auf Tempo 100 lassen euch gegen diverse Kleinstwagen alt aussehen. Spätestens auf der Autobahn wird der Sandero aufgrund des kurz übersetzten Fünfgang-Getriebes und der spärlichen Dämmung ziemlich laut. Es sei denn, ihr fahrt exakt 135 km/h: An diesem Punkt nehmen die Dröhnfrequenzen ab und der Wagen wirkt subjektiv leiser. Mal eben von München nach Hamburg düsen? Muss nicht sein. Das würde mit dem Sandero eh zu lange dauern und wegen der unbequemen Sitze (eine alte Dacia-Krankheit) mit Rückenschmerzen enden. Vorteile bringt die Getriebeabstufung hingegen in der Stadt, dort wirkt der nur gut eine Tonne schwere Sandero sogar spritzig. Sowohl bei der Anschaffung als auch beim Verbrauch bleibt der Dacia im Rahmen. Mit durchschnittlich 6,5 Liter lagen wir trotz des eher schlichten Motors nur 0,7 Liter über der Werksangabe, obwohl unterschiedliche Fahrer auf vielen verschiedenen Strecken unterwegs waren.

Fahrverhalten
Beim Fahrverhalten lautet unser Urteil "angenehm verbindlich": Die servounterstützte Lenkung (immerhin etwas!) reagiert recht direkt, während das Fahrwerk spürbar auf schlechte Straßen ausgelegt ist. Ein deutlicher Unterschied zu Lada-Modellen wie dem Granta, der die zupackende Hand des Kapitäns braucht. Aber Renault gehört inzwischen 75 Prozent von Lada, weshalb die neuen Russen auf Dacia-Plattformen entstehen. Gut so.

Innenraum und Connectivity
Innen blickt man auf Hartplastik aus dem rumänischen Kunststoff-Wald, aber immerhin zweifarbig mit hellen Flächen. Im Sandero bestätigt sich das Motto: Du kriegst nur das, wofür du bezahlst. Ergo gibt es kein Radio (immerhin ist die Vorbereitung da), keine elektrischen Fensterheber, keine Klimaanlage, keine Zentralverriegelung, keine höhenverstellbaren Gurte und keine hinteren Kopfstützen. Will man die Außenspiegel verstellen, muss man nach dem jeweiligen Hebel fingern. Und die beiden Türen vorne können nur mit dem Schlüssel entriegelt werden. Klingt nach automobiler Steinzeit, hat man aber schnell intus. Zudem dauern alle diese Handgriffe kaum länger als mit gefühlten 5.000 Knöpfen. Langfristig ist eine Zentralverriegelung aber auf der Wunschliste. Die vorderen Türen kann man zwar von innen entriegeln, aber nicht verriegeln. Immerhin: Aussperren ist so nicht möglich. Eine Klimaanlage muss es hingegen nicht zwingend sein. Hier hilft die alte Schule: Fenster auf, Luft rein.

Reaktionen
Überraschend sind die Reaktionen auf den FKK-Rumänen. Kollegen, denen es normalerweise nicht genug PS sein können, äußern sich wohlwollend über den Dacia. Vielleicht, weil das pure, reine Autofahren ohne "Dynamische Dämpfer Control" oder Facebook-Twitter-Sonstwas-Anbindung einfach erfrischend ist. Reinsetzen, Schlüssel umdrehen und los geht es. Selbst mit dem nicht vorhandenen Radio haben wir uns arrangiert, netterweise gibt es ja Smartphones. Zudem ist der Billigheimer von gestern, aber im positiven Sinne: Kein elend langes Konfigurieren irgendwelcher Systeme, damit einem nicht der kleine Zeh einschläft und Duftnote fünf von 24 verteilt wird. Sondern nur einmal den Schlüssel umdrehen und losfahren.

Ausstattung und Preise
6.890 Euro. Diese Zahl frisst sich nach einiger Zeit im Kopf fest. Klar kann man argumentieren, dass es dafür auch schöne große Gebrauchtwagen gäbe. Aber haben die drei Jahre Garantie? Wer den FKK-Sandero mit dem offiziellen Beinamen "Essentiel" nimmt, muss sich auch keinen Kopf über Werksextras zerbrechen. Ersatzrad: 60 Euro. Mehr ist nicht. Und das fehlende Radio gibt es günstig im Zubehörhandel. Mal ehrlich: Irgendwie passen die Basismodelle am besten zum Dacia-Charakter. Wer doch Lust auf mehr Luxus hat, kann zum Sandero Ambiance greifen: 7.890 Euro, also exakt 1.000 Euro mehr, kostet die nächsthöhere Ambiance-Ausstattung mit lackierten Stoßfängern, Zentralverriegelung und Fensterhebern vorne. Aber auch hier kostet das Radio extra, 250 Euro nämlich. 590 Euro möchte Dacia für die Klimaanlage. Also besser gleich zur Topausstattung Lauréate greifen. Hier gibt es für Dacia-Verhältnisse Vollausstattung: Radio mit Bluetooth, Klimaanlage, Mittelarmlehne vorne und elektrische Außenspiegel. 9.090 Euro sind in Anbetracht dessen ein sehr fairer Preis. Konsequenter wäre es aber, dann gleich für 10.190 Euro den Sandero Lauréate mit 90-PS-Turbobenziner zu nehmen. Wir fassen zusammen: Entweder absolute Basis oder die Topausstattung, dann sollte man sich aber zusätzlich den stärkeren Motor gönnen.
 
Mängel
Alte Regel: Wo nichts drin ist, kann auch nichts kaputt gehen. Natürlich sind im Basis-Sandero viele Nebengeräusche präsenter als in einer Mercedes E-Klasse. Damit muss man leben, ebenso mit dem Materialien im Innenraum. Besonders das Handschuhfach wirkt labbrig. In Sachen Zuverlässigkeit sprechen die einschlägigen Statistiken nicht unbedingt für Dacia. Ein Grund ist aber, das einige Kunden auch an der Wartung sparen. Apropos sparen: Warum den Sandero Essentiel nicht leasen? Am besten drei Jahre lang wie die Garantie. Billiger als eine Monatskarte der U-Bahn wird es auf jeden Fall.

Was man sonst noch wissen sollte
An dieser Stelle kann Goethes "Faust" zitiert werden: "Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, Die eine will sich von der andern trennen." Nicht nur ich war nach vielen Wochen im nackten Sandero zwiegespalten. Das Teufelchen auf der Schulter sagt: Sei froh, dass diese billige Karre weg ist. Länger als vier Monate kann es doch kein vernünftiger Mensch mit diesem Hobel aushalten. Das Engelchen auf der anderen Schulter hält dagegen: Was erwartet ihr denn für nicht mal 7. 000 Euro? Stellt euch nicht so an! Hat euch der Sandero nicht immer zuverlässig ans Ziel gebracht? Platz hat er doch gar nicht mal so wenig. Und hat es nicht auch etwas Entspannendes, mit sich und seinen Gedanken allein im Auto zu sein, ohne dass aus den Lautsprechern "Das Beste der 80er, 90er und von heute" plärrt?
Technische Daten
Antrieb:Frontantrieb
Anzahl Gänge:5
Getriebe:Schaltgetriebe
Motor Bauart:Benziner
Hubraum:1.149
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:4
Leistung:54 kW (73 PS) bei UPM
Drehmoment:107 Nm bei 4.250 UPM
Preis
Neupreis: 6.890 € (Stand: August 2016)
Fazit
Was muss ein Auto eigentlich grundlegend können? Uns halbwegs zügig von A nach B bringen, ohne dass wir nass werden. Das schafft der Dacia mit entwaffnender Ehrlichkeit. Pluspunkte sammelt er natürlich beim Preis, aber auch in den Punkten Platzangebot und Verbrauch. Abzüge für die karge Ausstattung? Nein. Jeder, der sich einen Neuwagen für 6.890 Euro zulegt, weiß was ihn erwartet. + extrem günstiger Preis, ansprechende Optik, gute Federung, niedriger Verbrauch - keine Kopfstützen im Fond, unbequeme Vordersitze, lauter Motor
Testwertung
3.5 von 5

Quelle: auto-news, 2016-08-04

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