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Testbericht

Stefan Grundhoff, 17. März 2020
Einige hatten es schon im Januar befürchtet, andere weitgehend ignoriert und ein paar sind tatsächlich erst am vergangenen Wochenende aufgewacht. Die Krise in der Autoindustrie ist da! Nahezu alle Autohersteller fahren derzeit ihre Produktionen herunter; viele haben es bereits getan.

Die Begründungen der einzelnen Autohersteller lesen sich dabei weitgehend identisch. Wegen der anhaltenden Folgen des Corona Virus sieht man sich gezwungen, die Autoproduktion einzustellen. Zunächst mussten die Autofertigungen in Norditalien - der am schlimmsten betroffenen Region in Europa - ihre Arbeit einstellen. Seat, Nissan, FCA und PSA zogen mit ihren europäischen Werken in den letzten Tagen nach und nunmehr krachte es auch bei den deutschen Herstellern. Zuerst verkündete Volkswagen, dass man die Fertigung zum Wochenende in Europa aussetze; kurz danach folgte Audi und auch Daimler teilte mit, seine Werke mindestens zwei Wochen zu schließen. \"Eine Verlängerung dieser Maßnahmen hängt von der weiteren Entwicklung ab. Überall dort, wo der Betrieb aufrechterhalten werden muss, wird das Unternehmen entsprechende Vorkehrungen zum Infektionsschutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffen\", so Daimler. Ähnlich bei Ford, wobei der amerikanische Autobauer davon ausgeht, dass die ab dem 19. März geltende Fertigungspause durchaus einige Wochen dauern kann. Stuart Rowley, Präsident von Ford of Europe: \"Aufgrund der dramatischen Auswirkungen dieser anhaltenden Krise auf den europäischen Markt und die Zulieferindustrie stellen wir die Produktion an unseren wichtigsten Produktionsstandorten in Kontinentaleuropa vorübergehend ein.\"

Dass der eine Hersteller hier schneller oder langsamer als der andere reagierte, hat verschiedene Gründe. Klar ist, dass die Autohersteller das Einschlafen der Produktion in einem wie in mehreren Werken nicht mit einem Schalterdreh erledigen kann. Die Fertigung eines Fahrzeugs ist überaus komplex und hängt seit vielen Jahren von sogenannten Just-in-Time-Lieferungen der zahlreichen Zulieferer (Tier-1 bis Tier-4) ab. Da die Lagerflächen in den Automobilwerken rar sind, werden Module, Komponenten bis hin zu Plattformen, Karosserien oder Triebwerke von ausgeklügelten Logistiksystemen pünktlich an die Produktionslinie gebracht, sodass keine überflüssigen Wartezeiten, Kosten oder besondere Aufwände entstehen. Insofern lässt sich ein Werk nicht einfach abstellen, sondern die Logistikketten - präzise und international aufeinander abgestimmt - müssen schrittweise abgemeldet werden. So dauert das Herunterfahren eines Autowerkes oder eines ganzen Produktionsverbundes rund sieben bis zehn Tage.

Volkswagen teilte mit, dass man seine Fertigung zunächst für zwei bis drei Wochen aussetzen will. Die anderen Hersteller dürften in ähnlichen Dimensionen kalkulieren. Doch längst liegen bei den Krisensitzungen Pläne auf dem Tisch, dass die Fertigung in einzelnen Ländern mehrere Wochen oder gar Monate ausfällt. Dabei liegt der Grund für die Produktionseinstellungen durchaus in der Rücksicht auf die dortigen Arbeiter. Jedoch fällt mindestens genauso ins Gewicht, dass wichtige Komponenten von Zulieferern aus aller Welt fehlen und die Nachfrage an Fahrzeugen weltweit gigantisch gesunken ist. \"Die Ausbreitung des Corona Virus in Europa belastet die Nachfragesituation zunehmend. Zugleich wird die Versorgung unserer Werke mit Zulieferteilen immer schwieriger\", so Ralf Brandstätter, Chief Operation Officer der Marke Volkswagen, \"wir haben deshalb beschlossen, mit dem Ende der Spätschicht am Donnerstag die Produktion koordiniert herunterzufahren. Wir sind überzeugt, dass dies auch im Sinne der Beschäftigten ist, deren Sorge angesichts der Corona-Ausbreitung zusehend wächst.\" Auch der Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh begrüßte den Produktionsstopp: \"In Zeiten, in denen die Menschen nicht mehr auf Spielplätze, zu Konzerten, in die Kirche oder abends ins Restaurant dürfen - und auch keine Autos mehr kaufen und Volkswagen Zuliefererprobleme hat - da kann die Produktion nicht einfach weiterlaufen, als wäre nichts passiert.\"

Allein im Februar gingen die Autoverkäufe in China als Folge der COVID-19-Epidemie um 79,2 Prozent zurück. \"Der Februar ist in China jedoch generell kein verkaufsstarker Monat und dessen Auswirkung auf das Gesamtjahresergebnis nach unserer Prognose daher gering\", so Dr. Jan Burgard von der Strategieberatung Berylls, \"nach derzeitigem Stand wird von einem Rückgang des Absatzes im gesamten Jahr 2020 um etwa sechs Prozent ausgegangen - vorausgesetzt das Corona Virus wird zeitnah eingedämmt.\" Da sieht nach den neuesten Entwicklungen jedoch nicht so aus. Heißt, die Einbußen dürften die Autoindustrie deutlich härter treffen. \"Wir rechnen derzeit nicht mit einem raschen Abklingen der Ausbreitung des Virus‘\", sagte VDA-Chefin Hildegard Müller. Großbritannien hinkt noch hinterher und so werden hier erste Werkschließungen erst mit Verzögerung erwartet.

Als man in Europa vielerorts noch dachte, man käme mit einem blauen Auge davon, sah das in China ganz anders aus. Doch die Auswirkungen machten sich nach wenigen Tagen nicht nur in China, sondern speziell auch in dem Autoland Südkorea bemerkbar, wo Autohersteller wie Renault-Samsung, General Motors, SsangYong oder die Marken des Hyundai-Konzerns ihre Produktionen aussetzen mussten, weil dringend benötigte Bauteile aus China nicht geliefert wurden. Während Europa den Höhepunkt der Pandemiewelle noch nicht erreicht hat, kehrt in China und Südkorea langsam wieder Normalität ein. In den meisten Werken wird wieder gearbeitet. Gerade erst hat Beijing Hyundai, chinesisches Joint Venture mit BAIC Motor, seinen Betrieb an den drei Produktionsstandorten wieder aufgenommen. Die Fertigungsstätten an den Standorten Peking, Cangzhou und Chongqing arbeiten wieder und über 300 Tier-1- und Tier-2-Lieferanten des Joint Ventures versuchen, die Rückstände aufzuholen, während rund 90 Prozent der Händler wieder die Schauräume eröffnet haben. Hyundai verlor durch den Ausbruch des COVID-19-Virus in China allein einen Rückgang von 95 Prozent von über 60.000 auf gerade einmal 3.000 verkaufte Einheiten. Hier hatten die südkoreanischen Werke jedoch nur vom 7. bis 10. Februar wegen Komponentenmangels ausgesetzt.

Weshalb Länder wie Italien und Deutschland vom Corona Virus besonders betroffen sind, belegen einfach Zahlen. Der Altersdurchschnitt ist in Italien mit 46,3 Jahren am höchsten, dicht gefolgt von Deutschland. 27,8 Prozent leben in Italien in beengten Wohnverhältnissen und auch in Deutschland teilen sich 7,4 Prozent der Bürger ein Zimmer; ebenfalls mehr als in zahlreichen weiteren betroffenen EU-Staaten. \"Die Infektionsketten sind zu undurchsichtig, und letztlich spielt auch der Zufall eine Rolle\", so Kryptoszene-Analyst Raphael Lulay. \"Allerdings gibt es auch Faktoren, die es naheliegend erscheinen lassen, dass das Ausmaß gerade in Italien und Deutschland solche Züge annimmt. Die Sozialstruktur und Prosperität fordern ihren Tribut - denn insbesondere in wirtschaftlich starken Regionen der beiden Länder steigt die Anzahl der Neuinfektionen.\"

So ist es aktuell nicht abzusehen, wie lange die internationalen Werke bei Autoherstellern und Zulieferern stillstehen und ob der Corona Virus nicht im Herbst eine neue Welle des Schreckens entfacht. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass die Ausfälle der ohnehin wankenden Autoindustrie längst in die Milliarden gehen. Die geplanten Stückzahlen werden sich nicht realisieren lassen und der Cash Flow ist ein Damoklesschwert, das die Marken zusätzlich zu den eingestürzten Aktienkursen gewaltig unter Druck setzt. Bis sich die Lage normalisiert, dürften Monate - wenn nicht Jahre - ins Land gehen, denn ein Werk wieder zu voller Leistungsfähigkeit hochzufahren, dauert meist noch länger, als es abzustellen. Und selbst wenn die Autos wieder von den Bändern poltern, muss der Kunde wieder Lust am Auto bekommen. Und die Lust war bisher schon nicht groß.

Quelle: Autoplenum, 2020-03-17

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