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Testbericht

Sebastian Viehmann, 24. April 2010
Chinas Autohersteller haben sich von belächelten Außenseitern zu begehrten Partnern für Mercedes und Co. entwickelt. Trotzdem wird immer noch kopiert, was das Zeug hält. Ein Messerundgang zu den China-Highlights.

89 Premieren, fast 1000 Fahrzeuge, 200.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche – auf der Automesse in Peking steppt nicht der Bär, sondern der chinesische Drache. An vielen Ständen wird man mit ohrenbetäubender Musik beschallt, mit schrägen Showeinlagen rollen neue Autos im Akkord auf die Bühne. Als Europäer wähnt man sich da manchmal im falschen Film. Beim Hersteller ZXAuto etwa stehen fröhliche Musikanten in weißen Uniformen auf der Ladefläche eines Pick-Ups und stimmen mit Akkordeonbegleitung sowie Hammer und Sichel im Hintergrund chinesische Hymnen an, bis einem das Trommelfell platzt.

Noch immer gibt es Kopien, wohin das Auge schaut. Der Shuanghuan Noble hat als frecher Smart-Abklatsch bereits Schlagzeilen gemacht, nun stellen die Chinesen ihn auch als Elektroauto vor. Im Gegensatz zum Hecktriebler Smart sitzen Motor und Antrieb beim Noble vorn und schmälern die Lust auf einen Frontalaufprall doch beträchtlich. Lifan Motors kupfert beim Mini ab, bei BAIC rührt man Jeep Wrangler (von der Seite) und Land Rover Freelander (von vorn) zu einem zweifelhaften Offroad-Vergnügen zusammen. Und bei einem Show Car wie dem „Aculeus“ samt Skorpion-Logo auf dem haifischartigen Kühlergrill fragt man sich, ob da vielleicht jemand einen Maserati-Designer im Keller gefangen hält und der jetzt Autos im Dunkeln entwerfen muss.

Doch bei all den Auswüchsen, die Chinas Mega-Messe zu solch einer bunten und fröhlichen Veranstaltung machen, darf man eines nicht unterschätzen: die Zahl der Autos, die auch in Europa problemlos ins Straßenbild passen würden, wird von Jahr zu Jahr größer. Und für viele Hersteller gilt heute: Kooperieren geht über kopieren. Die rein chinesischen Hersteller, also solche, die nicht in Joint-Ventures mit westlichen oder japanischen Autobauern entwickeln und bauen, sehen sich harter Konkurrenz ausgesetzt. Wegen der geringen Produktionskosten wird zwar in China produziert, doch das Know-how und die zugelieferte Technik kommen oft aus dem Ausland – und dorthin wandert dann auch ein großer Teil der Profite. Den einheimischen Firmen fehlen das etablierte Marken-Image und die eigene Tradition.

Als Vorzeige-Marke gilt BYD (Build your dreams), deren Limousine F3 zu den Bestsellern in China gehört. Zu den Messepremieren zählen die kompakte Limousine L3, das neue 4,8 Meter lange Limousinen-Flaggschiff i6 sowie das große SUV S6. Starten per Knopfdruck, LED-Rückleuchten oder optionale DVD-Navigation gehören mittlerweile auch bei den Chinesen zum guten Ton. Der L3 konkurriert mit Modellen wie dem Buick Excelle, Hyundai Elantra, Toyota Corolla und Chevrolet Cruze. Er kostet umgerechnet rund 12.000 Euro.

Interesse weckte BYD zuletzt vor allem durch eine technologische Partnerschaft mit dem Daimler-Konzern. „Für uns ist es eine Ehre, dass wir sozusagen mit dem Erfinder des Automobils zusammenarbeiten“, sagt Paul Lin, Marketing- und Export-Manager bei BYD. Und bei einer Technik-Kooperation soll es nicht bleiben: „Wir werden eine neue Marke einführen, die unterhalb von Mercedes und oberhalb von BYD angesiedelt ist“, bekräftigt Lin.

Schicke Autos aus dem Reich der Mitte findet man auch beim Konzern SAIC. Der Roewe 350 ist eine gefällige Limousine mit 1,5-Liter Motor und einem auf den ersten Blick ordentlichen Qualitätseindruck. Ein SUV wie der Haima Qishi mag durch seinen Namen erheitern, seine Optik könnte jedoch auch in Europa Freunde finden. Bei Brilliance ließ man wieder einmal italienische Designer ans Reißbrett und zeigt die 4,6 Meter lange Limousine Junjie. Viele China-Autos haben übrigens nur Motoren zwischen 1,5 und zwei Litern Hubraum, die Leistung ist im internationalen Vergleich eher gering. Steuervergünstigungen für kleinere Motoren und wohl auch die steigenden Spritpreise – festgesetzt von einer staatlichen Planungskommission – begrenzen PS-Auswüchse unter der Haube.

Auch die Show Cars der chinesischen Hersteller können sich sehen lassen, Ausnahmen bestätigen die Regel. Dem Engron TXN Taxi mit seiner länglich-hässlichen Nase will man höchstens nachts ohne Scheinwerfer begegnen. Brilliance präsentiert das Elektroauto A0, dessen Frontdesign man sich offenbar beim Opel Ampera abgeschaut hat. Der Winzling Gleagle IG von Geely sorgt mit seinen Flügeltüren vor allem für Schmunzeln. Doch gerade Geely, bekanntlich der neue Besitzer von Volvo, setzt mit fast 40 Exponaten jeglicher Couleur wieder einmal bunte Glanzpunkte auf der Messe. Nun hoffen die Hersteller, dass den Chinesen die Lust am Auto nicht vergeht und der Markt bald nicht zu sehr übersättigt ist, denn die beeindruckenden Zuwachsraten scheinen erste Probleme zu verdecken. Im Krisenjahr 2009 wurden die Käufer mit Steuervergünstigen für sparsame Autos animiert, doch jetzt füllen sich die Lager der Händler. Marktbeobachter befürchten zudem, dass eine drohende Immobilienblase die Kauflust der Chinesen bedrohen könnte. Die beiden Analystenhäuser JD Power und Jato Dynamics sehen zwar langfristig weiterhin imposante Wachstumsraten, gehen jedoch beide davon aus, dass sich dieser Prozess erst einmal entschleunigen wird.

Richtig Gas geben wollen die Chinesen demnächst bei der Elektromobilität. BYD spielt dabei eine Vorreiterrolle und präsentiert seinen Stromer E6 auf der Messe als Taxi. Viele andere Autobauer haben ebenfalls Elektroautos oder Hybridmodelle im Gepäck. Der 2008 eingeführte Vorzeige-Hybrid BYD F3DM allerdings hat sich nach Angaben des Unternehmens erst „einige hundert mal“ verkauft. Marktanalyst Kevin Huang von Jato Dynamics vermutet den hohen Preis als Hauptgrund für die enttäuschenden Zahlen: „Der F3DM kostet ungefähr dreimal soviel wie der normale F3“, so Huang. In der Branche wird gemunkelt, dass die Chinesen trotz enormer Kapazitäten in der Akku-Technik die Produktionskosten noch nicht im Griff haben – und auch deshalb den Schulterschluss mit Daimler suchen.

Quelle: Autoplenum, 2010-04-24

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